Jubilation Street (1944)
Ein Film von Keisuke Kinoshita
Bewertung: 7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Kanko no machi
Genre: Gendai-geki, Melodrama, kokumin-eiga
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Ken Uehara (Shingo Furukawa), Mitsuko Mito (Takako), Chiyo Nobu (Kiyo), Eijiro Tono (Shingos Vater), Makoto Kobori, Choko Iida, Yotaro Katsumi, Kuniko Igawa, Shin`ichi Himori, Fumiko Okamura, Toru Abe, Kurumi Yamabato, Toshiko Kono
Drehbuch: Kaoro Morimoto
Kamera: Hiroshi Kusuda
Musik: ?
Shochiku, 73 Minuten, S/W
Kanko no machi
Genre: Gendai-geki, Melodrama, kokumin-eiga
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Ken Uehara (Shingo Furukawa), Mitsuko Mito (Takako), Chiyo Nobu (Kiyo), Eijiro Tono (Shingos Vater), Makoto Kobori, Choko Iida, Yotaro Katsumi, Kuniko Igawa, Shin`ichi Himori, Fumiko Okamura, Toru Abe, Kurumi Yamabato, Toshiko Kono
Drehbuch: Kaoro Morimoto
Kamera: Hiroshi Kusuda
Musik: ?
Shochiku, 73 Minuten, S/W
Die frühen Filme Keisuke Kinoshita
gehören zu den faszinierendsten japanischen Propaganda-Werken des
Zweiten Weltkrieges. Wie viele ähnliche Werke aus jener Epoche geben
sie einen unschätzbaren Einblick in die Denkweise und Mechanismen
eines faschistischen Systems, welches ideologische Ziele der
Individualität und Freiheit überordnete.
Doch zugleich bezeugen sie auch die schleichende Emanzipation des feinfühligen Humanisten Keisuke Kinoshita, der sich mit der Weigerung, seine Filmfiguren zu flachen Erfüllungsgehilfen der Propaganda werden zu lassen, von Film zu Film immer mehr den rigiden Vorgaben der Militärregierung entzog.
Während sein Erstling Port of Flowers und, wenn auch deutlich verminderter, auch sein zweiter Film The Living Magoroku schon Elemente dieser Gewissenhaftigkeit Kinoshitas erkennen lassen, stellt der vorliegende "Jubilation Street" seinen endgültigen humanistischen Durchbruch dar. Augenscheinlich ein typischer Propagandafilm, erweist sich "Jubilation Street" schnell als Kinoshitas bis dahin subversivstes und bestes Werk...
Story:
Die Bewohner eines kleinen Vororts von Tokyo sollen evakuiert werden, um Platz für die Zwecke der Militärregierung zu schaffen. Während einige Anwohner der Evakuierung mit Freude entgegenblicken, reagieren andere mit Verzweiflung und Widerwillen auf die Forderung der Regierung. Auf erster Seite befindet sich auch der pflichtbewusste Pilot Shingo Furukawa (Ken Uehara), der kurz vor seinem Fronteinsatz steht und sich von seiner Geliebten Takako (Mitsuko Mito) trennen muss. Ausgerechnet seine Mutter (Chiyo Nobu) will aber von den Plänen der Regierung nichts hören: Sie will auf die Rückkehr ihres Ehemanns warten, der seit langem verschollen ist...
Kritik:
Wie Keisuke Kinoshitas andere kokumin eiga stellt auch "Jubilation Street" eine propagandistische Botschaft der Militärregierung an die japanische Bevölkerung in den Vordergrund. Die Straße eines Vororts von Tokyo soll evakuiert werden, um die Bewohner vor amerikanischen Bomber-Angriffen zu schützen.
Doch in seiner Inszenierung zeigt "Jubilation Street" eine neue Seite Kinoshitas, die in seinen anderen Filmen bisher nur zu erahnen war. Trotz der unverhohlen propagandistischen Intention des Films, inszeniert Kinoshita hier mit dem Auge eines sensiblen Humanisten. Nicht der Enthusiasmus über den Dienst am Vaterland steht hier auf den Gesichtern der Bewohner des Viertels geschrieben, sondern die Trauer über die Entwurzelung von ihrem Heimatort.
Getreu den Vorgaben der Regierung gibt es auch hier Figuren, die der Evakuierung mit Freude entgegenblicken. Den Ex-Farmer Zenba, der zurück aufs Land kehren will, um wieder Felder zu bearbeiten oder Ken Ueharas pflichtgetreuer Pilot, der den Bewohnern die Wichtigkeit der Erfüllung ihrer Pflicht nahebringen will. Diese Charaktere dominieren die Gesprächszenen des Films, wobei ihnen Kinoshita regierungskonforme Parolen in den Mund legt.
Doch dann ist da auch der alte Tada, der, verhaftet in seinem Heimatort, erst gehen möchte, wenn auch der letzte Gast seines Badehauses das Viertel verlassen hat. Oder Ken Uheharas Filmmutter, die Angst hat, dass ihr verschollener Mann sie nach einem Umzug nicht mehr finden wird, sollte dieser jemals zurückkehren.
Am emotional effektivsten erscheint aber der Auftritt von Eijiro Tono in der Rolle des verloren geglaubten Vaters. Bei seiner Rückkehr in das Dorf erlebt er eine andere Form der Entwurzelung. Eine Entfremdung von eben jenem Viertel, an welches sich seine ehemalige Gemeinde jetzt so verbissen klammert. Er wird förmlich zum stummen Geist, der traurig auf das ihn umgebende Leben blickt.
Es sind diese Charaktere, denen Kinoshita seine volle Aufmerksamkeit widmet. Die regierungstreuen Figuren mögen in "Jubilation Street" die Macht über das Wort haben, doch Kinoshitas Kamera bleibt stets fest auf die Verzweiflung und Resignation der anderen Anwohner gerichtet.
Mit langen Kamerafahrten erzeugt er eine Verbindung zwischen den zahlreichen Subplots und Figuren des Films, so dass dieser niemals zerstückelt oder uneben wirkt. Auch die bemerkenswerteste Szene des Films gelingt dank Hiroshi Kusudas poetischer Kameraführung und Kinoshitas geschicktem Einsatz der Tonspur.
Als Takako, die Tochter Zenbas, vom Tod ihres Geliebten an der Front hört, fährt die Kamera schnell von ihrer weinenden Gestalt weg, während auf der Tonspur plötzlich laute Schüsse und Bombenlärm zu hören ist. Eine kurze Sequenz, die jedoch auf erschreckende Weise die persönliche Tragödie des Mädchens offenlegt. Die Front mag fern sein, doch im Kopf dieses Mädchen ist der Krieg nun im Viertel angekommen.
Solche stummen Momente weisen den Film dann auch als Kinoshitas bisher subversivstes Werk aus. Die Dialoge mögen ganz den Vorgaben der Militärregierung entsprechen, doch abseits des Drehbuchs zeigt Kinoshitas Regie eine Welt, die nicht weiter von der titelgebenden "Straße des Jubels" entfernt sein könnte.
Selbst das völlig unpassend feierliche Finale, indem die Bewohner enthusiastisch und hoffnungsvoll ihre Sachen für die Abreise packen, kann diesen leisen Humanismus nicht relativieren. Tatsächlich wirkt es derartig heterogen, dass man ohne Probleme eine Alienentführung samt kosmischer Gehirnwäsche der Bewohner dazwischen schneiden hätte können, um den Sinneswandel der Gemeinde glaubhaft zu erklären.
Denn über zwei Drittel des Films haben wir statt Jubel meist Verbitterung gesehen, statt Erfüllung der Pflicht meist den Zweifel und die Existenzangst der Menschen erfahren und statt dem Heroismus des japanischen Soldaten nur dessen einsamen Tod auf dem Schlachtfeld bezeugt.
Fazit:
"Jubilation Street" ist ein subversiver Propanganda-Film, der das leise Aufkeimen von Kinoshitas Humanismus bezeugt und sich inszenatorisch den propagandistischen Vorgaben des Drehbuch widersetzt, indem er in den Gesichtern der Charaktere keinen Stolz für das Vaterland, sondern vor allem Trauer und Verzweiflung über die Entbehrungen des Krieges zeigt.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 03. 02. 2015
Geschrieben von Pablo Knote
Doch zugleich bezeugen sie auch die schleichende Emanzipation des feinfühligen Humanisten Keisuke Kinoshita, der sich mit der Weigerung, seine Filmfiguren zu flachen Erfüllungsgehilfen der Propaganda werden zu lassen, von Film zu Film immer mehr den rigiden Vorgaben der Militärregierung entzog.
Während sein Erstling Port of Flowers und, wenn auch deutlich verminderter, auch sein zweiter Film The Living Magoroku schon Elemente dieser Gewissenhaftigkeit Kinoshitas erkennen lassen, stellt der vorliegende "Jubilation Street" seinen endgültigen humanistischen Durchbruch dar. Augenscheinlich ein typischer Propagandafilm, erweist sich "Jubilation Street" schnell als Kinoshitas bis dahin subversivstes und bestes Werk...
Story:
Die Bewohner eines kleinen Vororts von Tokyo sollen evakuiert werden, um Platz für die Zwecke der Militärregierung zu schaffen. Während einige Anwohner der Evakuierung mit Freude entgegenblicken, reagieren andere mit Verzweiflung und Widerwillen auf die Forderung der Regierung. Auf erster Seite befindet sich auch der pflichtbewusste Pilot Shingo Furukawa (Ken Uehara), der kurz vor seinem Fronteinsatz steht und sich von seiner Geliebten Takako (Mitsuko Mito) trennen muss. Ausgerechnet seine Mutter (Chiyo Nobu) will aber von den Plänen der Regierung nichts hören: Sie will auf die Rückkehr ihres Ehemanns warten, der seit langem verschollen ist...
Kritik:
Wie Keisuke Kinoshitas andere kokumin eiga stellt auch "Jubilation Street" eine propagandistische Botschaft der Militärregierung an die japanische Bevölkerung in den Vordergrund. Die Straße eines Vororts von Tokyo soll evakuiert werden, um die Bewohner vor amerikanischen Bomber-Angriffen zu schützen.
Doch in seiner Inszenierung zeigt "Jubilation Street" eine neue Seite Kinoshitas, die in seinen anderen Filmen bisher nur zu erahnen war. Trotz der unverhohlen propagandistischen Intention des Films, inszeniert Kinoshita hier mit dem Auge eines sensiblen Humanisten. Nicht der Enthusiasmus über den Dienst am Vaterland steht hier auf den Gesichtern der Bewohner des Viertels geschrieben, sondern die Trauer über die Entwurzelung von ihrem Heimatort.
Getreu den Vorgaben der Regierung gibt es auch hier Figuren, die der Evakuierung mit Freude entgegenblicken. Den Ex-Farmer Zenba, der zurück aufs Land kehren will, um wieder Felder zu bearbeiten oder Ken Ueharas pflichtgetreuer Pilot, der den Bewohnern die Wichtigkeit der Erfüllung ihrer Pflicht nahebringen will. Diese Charaktere dominieren die Gesprächszenen des Films, wobei ihnen Kinoshita regierungskonforme Parolen in den Mund legt.
Doch dann ist da auch der alte Tada, der, verhaftet in seinem Heimatort, erst gehen möchte, wenn auch der letzte Gast seines Badehauses das Viertel verlassen hat. Oder Ken Uheharas Filmmutter, die Angst hat, dass ihr verschollener Mann sie nach einem Umzug nicht mehr finden wird, sollte dieser jemals zurückkehren.
Am emotional effektivsten erscheint aber der Auftritt von Eijiro Tono in der Rolle des verloren geglaubten Vaters. Bei seiner Rückkehr in das Dorf erlebt er eine andere Form der Entwurzelung. Eine Entfremdung von eben jenem Viertel, an welches sich seine ehemalige Gemeinde jetzt so verbissen klammert. Er wird förmlich zum stummen Geist, der traurig auf das ihn umgebende Leben blickt.
Es sind diese Charaktere, denen Kinoshita seine volle Aufmerksamkeit widmet. Die regierungstreuen Figuren mögen in "Jubilation Street" die Macht über das Wort haben, doch Kinoshitas Kamera bleibt stets fest auf die Verzweiflung und Resignation der anderen Anwohner gerichtet.
Mit langen Kamerafahrten erzeugt er eine Verbindung zwischen den zahlreichen Subplots und Figuren des Films, so dass dieser niemals zerstückelt oder uneben wirkt. Auch die bemerkenswerteste Szene des Films gelingt dank Hiroshi Kusudas poetischer Kameraführung und Kinoshitas geschicktem Einsatz der Tonspur.
Als Takako, die Tochter Zenbas, vom Tod ihres Geliebten an der Front hört, fährt die Kamera schnell von ihrer weinenden Gestalt weg, während auf der Tonspur plötzlich laute Schüsse und Bombenlärm zu hören ist. Eine kurze Sequenz, die jedoch auf erschreckende Weise die persönliche Tragödie des Mädchens offenlegt. Die Front mag fern sein, doch im Kopf dieses Mädchen ist der Krieg nun im Viertel angekommen.
Solche stummen Momente weisen den Film dann auch als Kinoshitas bisher subversivstes Werk aus. Die Dialoge mögen ganz den Vorgaben der Militärregierung entsprechen, doch abseits des Drehbuchs zeigt Kinoshitas Regie eine Welt, die nicht weiter von der titelgebenden "Straße des Jubels" entfernt sein könnte.
Selbst das völlig unpassend feierliche Finale, indem die Bewohner enthusiastisch und hoffnungsvoll ihre Sachen für die Abreise packen, kann diesen leisen Humanismus nicht relativieren. Tatsächlich wirkt es derartig heterogen, dass man ohne Probleme eine Alienentführung samt kosmischer Gehirnwäsche der Bewohner dazwischen schneiden hätte können, um den Sinneswandel der Gemeinde glaubhaft zu erklären.
Denn über zwei Drittel des Films haben wir statt Jubel meist Verbitterung gesehen, statt Erfüllung der Pflicht meist den Zweifel und die Existenzangst der Menschen erfahren und statt dem Heroismus des japanischen Soldaten nur dessen einsamen Tod auf dem Schlachtfeld bezeugt.
Fazit:
"Jubilation Street" ist ein subversiver Propanganda-Film, der das leise Aufkeimen von Kinoshitas Humanismus bezeugt und sich inszenatorisch den propagandistischen Vorgaben des Drehbuch widersetzt, indem er in den Gesichtern der Charaktere keinen Stolz für das Vaterland, sondern vor allem Trauer und Verzweiflung über die Entbehrungen des Krieges zeigt.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 03. 02. 2015
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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