Tokyo Chorus (1931)
Ein Film von Yasujiro Ozu
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Tokyo no korasu
Genre: Gendai-geki, Salariman Eiga, Shomin-geki, Studenten-Komödie
Regie: Yasujiro Ozu
Darsteller: Tokihiko Okada (Shinji Okajima), Emiko Yagumi (Wife),
Hideo Sugawara (Son), Hideko Takamine (Daughter), Tatsuo Saito (Omura), Choko Iida (Mrs. Omura), Takeshi Sakamoto (Old Employee), Reiko Tani (President), Ken'ichi Miyajima, Isamu Yamaguchi
Drehbuch: Komatsu Kitamura (Story), Kogo Noda
Kamera: Hideo Shigehara
Musik: -
Shochiku, 90 Minuten, S/W, Stummfilm
Tokyo no korasu
Genre: Gendai-geki, Salariman Eiga, Shomin-geki, Studenten-Komödie
Regie: Yasujiro Ozu
Darsteller: Tokihiko Okada (Shinji Okajima), Emiko Yagumi (Wife),
Hideo Sugawara (Son), Hideko Takamine (Daughter), Tatsuo Saito (Omura), Choko Iida (Mrs. Omura), Takeshi Sakamoto (Old Employee), Reiko Tani (President), Ken'ichi Miyajima, Isamu Yamaguchi
Drehbuch: Komatsu Kitamura (Story), Kogo Noda
Kamera: Hideo Shigehara
Musik: -
Shochiku, 90 Minuten, S/W, Stummfilm
Die westliche Ozu-Kritik ist geprägt von kulturellen Missverständnissen, klischeehaften Plattitüden und Fehlern. Ein Beispiel hierführ bietet sich in Form eines häufig zitierten Sprichworts, welches paraphrasiert etwa so lautet: "Das Ozu-Restaurant kann nur Tofu servieren, während etwa das Kinoshita-Restaurant Tofu, Nudelsuppen und Sushi serviert!".
Damit wird natürlich auf Ozus angebliche Einseitigkeit angespielt, welche durch seine unzähligen Nachkriegs-Shomin-geki, Filme über die japanische Mittelklasse, vermeintlich bestätigt wird. Letztlich ist dieser leichtfertig geäußerte Spruch jedoch unhaltbar, denn zumindest vor dem Krieg war Ozu ein wahrer Eklektiker, der sich in jedem zeitgenößischen Genre zu Hause fühlte.
Ein perfektes Beispiel hierfür bietet etwa der vorliegende "Tokyo Chorus", welchen Ozu und sein Stamm-Drehbuchautor Kogo Noda entgegen der Credits-Angaben nicht nur auf einer, sondern auf fast einem halben Dutzend verschiedener Geschichten des Autoren Komatsu Kitamura basierten.
Das Ergebnis ist ein wilde Kombination verschiedener Genres, vereint durch den Versuch eines jungen Ozu, seine revolutionären Montage-Theorien, welche er etwa zur selben Zeit in einem Artikel veröffentlicht hatte, in die Tat umzusetzen.
Story:
Der aufrichtige Salaryman Shinji Okajima (Tokihiko Okada) legt sich mit seinem Boss an, um die Kündigung eines Kollegen zu verhindern – mit dem Resultat, dass er selbst entlassen wird. Eine fatale Situation, denn jetzt kann er weder seinem Sohn das sehnlichst erwünschte Fahrrad kaufen, noch die Ernährung seiner Familie garantieren. Auf der täglichen Suche nach einem Arbeitsplatz muss Okijima versuchen, seiner Familie ein Auskommen zu bescheren, ohne dabei seine Würde zu verlieren. Ein Unterfangen, welches bald schon unmöglich anmutet...
Kritik:
Passend zur Enstehungsgeschichte des zugrundeliegenden Drehbuchs, ist "Tokyo Chorus" eines der eklektischeren Werke Yasujiro Ozus. Auf den ersten Blick ein komödiantischer Salaryman eiga, vereint der Film tatsächlich Versatzstücke einer Tragikkomödie mit Elementen des häuslichen Dramas und eines sozialkritischen Milieu-Potraits. Die Anfangsszene, die unseren Hauptcharakter noch als frechen Studenten beim morgendlichen Drill zeigt, scheint sogar einer der klassischen Studentenkomödien entliehen zu sein, die Ozu zu Anfang seiner Karriere so häufig drehte.
Diese Vermischung verschiedener Genres geschieht unter Einbezug aller gängigen Klischees der jeweiligen Filmgattungen. Ein aufrichtiger Salaryman, der in Zeiten wirtschaftlicher Rezession auf Jobsuche ist, die Erkrankung der Tochter des Salaryman und ein Konflikt mit dessem kleinen Sohn, der von seinem Vater enttäuscht ist, da dieser ihm nicht das sehnlichst erwünschte Fahrrad kaufen kann.
Ein wunderbares Vergleichwerk zu diesem Film wäre Mikio Naruses im gleichen Jahr gedrehter Flunky, Work Hard, der nicht einmal die Hälfte der Laufzeit von "Tokyo Chorus" in Anspruch nimmt, aber fast identische Handlungsmotive ins Zentrum rückt (in "Flunky, Work Hard" ist etwa ein Spielzeug-Flugzeug das Objekt der Begierde des Sohns, welches einen Streit mit dem Vater vom Zaun bricht).
Aufgrund der längeren Laufzeit ist Ozus Film weniger stringent und erhält durch den nicht immer fließenden Übergang von Genre zu Genre eine deutlich losere Struktur als Naruses Werk. Im Ton zeichnen sich aber beide Werke durch den nahtlosen Wechsel zwischen leichter Komödie und sozialkritischem Drama aus.
Während "Tokyo Chorus" viele sehr witzige Späße bietet, schwebt stetig die drohende Verarmung der Familie über dem Szenarion. Man darf nicht vergessen, dass sich die Welt zu jener Zeit in einer schweren Wirtschaftskrise befand, die ihre Klauen bis nach Japan ausstreckte. Insofern ist "Tokyo Chorus" schon allein als Zeitdokument eines verarmten Tokyos, in welchem nicht wenige Menschen von der Hand in Mund lebten, von unschätzbarem Wert.
Inszenatorisch verzichtet Ozu auf den surrealistischen Expressionismus des frühen Naruse, lässt aber auch noch nicht viel seines später so akribisch kultivierten Stils erkennen. Der Schnitt ist schnell und flüssig, die zahlreichen Fernaufnahmen scheinen eher der generell japanischen Tendez für Totalen als Ozus charakteristischen "Pillow-Shots" zu entspringen und anstelle statischer Shots setzt Ozu gelegentlich sogar vereinzelte Kamerafahrten ein.
Charakteristischer ist allerdings Ozus exzellente Montage. Anstelle mit einer plumpen Blende zur nächsten Szene überzuleiten, verbindet Ozu die einzelnen Einstellungen mithilfe genau beobachteter Detailaufnahmen, welche entweder die Basis für den Humor oder aber für die Tragödie der Handlung bilden.
Als unser Held etwa von der Erkrankung seiner Tochter erfährt, packt er seinen Sohn und rennt mit ihm nach Hause. Die nächste Einstellung zeigt einen Fisch, welchen der Sohn vorher gefangen hatte, der jetzt vergessen am Boden zappelt. Doch diese Montage dient nicht nur dazu, um flüssige Übergänge zu schaffen oder dem Drama mehr Signifikanz zu verleihen, oft generiert Ozus genauer Blick für Details auch die komödiantischen Momente des Films.
Ein wunderbares Beispiel für diese komödiantische Kontinuität bietet sich in eine Szene, in der unser Held in seinem neuen Job als lebendes Werbebanner gemeinsam mit seinem Boss die Straße entlang läuft, um Werbe-Prospekte an desinteressierte Fußgänger auszuhändigen. Kurze Zeit später zeigt Ozu dann wie der Boss die Straße wieder zurückläuft, um die ausgehändigten Werbe-Prospekte einzusammeln, welche die Leute achtlos auf die Straße weggeworfen haben.
Ebenfalls typisch für Ozu ist auch die perfekte Schauspielführung. In vergleichsweise kleinen Rollen spielen Ozus Stammschauspieler der Vorkriegsjahre wie Takeshi Sakamoto, Tatsuo Saito oder eine siebenjährige Hideko Takamine als Tochter der Hauptfigur. Doch es ist vorallem Tokihiko Okada, der mit seiner leichtfüßigen Vermischung von frechem Rebellen und sorgendem Familienvater begeistert.
Die Szene, die vielleicht am erinnerungswürdigsten seinen stetigen Kampf um Würde als verarmter Angestellter zeigt, ist jene, in der er mit seiner Familie in der verfallenen Wohnung ein vermeintlich sorgloses Klatschspiel spielt, während er und seine Frau sich immer wieder heimlich ernste Blicke zuwerfen. Diese Verbindung von tragischen Elementen, auch wenn diese oft generischer Natur sind, und perfekt ausgeführten Comedy-Momenten ist es letztlich, die "Tokyo Chorus" seine Qualitäten verleihen.
Der Film mag vielleicht nicht die Siginifikanz von späteren Ozu-Werken erreichen, doch er ist sicherlich ein "sehr guter" Film, der Ozus Vielfältigkeit beweist, die er eben nicht nur in der Meisterschaft des Shomin-geki, sondern auch in der Perfektion der Slapstick-Komödie und des Arbeiterdramas unter Beweis stellte.
Fazit:
"Tokyo Chorus" ist eine gelungene Mischung verschiedener zeitgenößischer Genres des japanischen Films, die es schafft, die Dramatik eines häuslichen Dramas mit exzellent ausgespielten komödiantischen Momenten zu verbinden und sich mit einer komplexen Montage von ähnlichen Werken des Salaryman eiga abhebt.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 12. 10. 2014
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
created by Nippon-Kino.net
all rights reserved.
all rights reserved.