Flunky, Work Hard (1931)
Ein Film von Mikio Naruse

Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Koshiben Ganbare
Genre: Gendai-geki, Nansensu-Comedy, Salaryman Eiga, Shomin-geki
Regie: Mikio Naruse
Darsteller: Isamu Yamaguchi (Okabe), Shizue Akiyama (Toda's Wife), Seiichi Kato, Tomoko Naniwa (Okabe's Wife), Tokio Seki (Nakamura), Hideo Sugawara
Drehbuch: Mikio Naruse
Kamera: Mitsuo Miura
Musik: -
Shochiku Eiga, 29 Minuten, S/W, Stummfilm
Koshiben Ganbare
Genre: Gendai-geki, Nansensu-Comedy, Salaryman Eiga, Shomin-geki
Regie: Mikio Naruse
Darsteller: Isamu Yamaguchi (Okabe), Shizue Akiyama (Toda's Wife), Seiichi Kato, Tomoko Naniwa (Okabe's Wife), Tokio Seki (Nakamura), Hideo Sugawara
Drehbuch: Mikio Naruse
Kamera: Mitsuo Miura
Musik: -
Shochiku Eiga, 29 Minuten, S/W, Stummfilm
Von den 88 Filmen,
die Mikio Naruse im Laufe
seiner Karriere drehte, gelten 21 als verschollen. Am schlimmsten trifft es
hierbei seine Schaffensperiode von 1930 bis 1934, in der Naruse als
rangniedriger Vertragsregisseur der Shochiku Company ausschließlich Stummfilme
drehte.
Missachtet und chronisch unterschätzt von den Studiobossen verschwanden die meisten dieser Filme nach ihrer Veröffentlichung in staubigen Archiven, wo sie Bränden oder den Luftangriffen der Alliierten zum Opfer fielen, weshalb heute nur noch 5 der 24 Stummfilme Naruses als vollständig erhalten gelten.
In jener Zeit drehte Naruse vor allem Melodramen oder sogenannte Nansensu-Comedies, alberne Slapstick-Komödien, meist über einfache Salaryman (Büroangestellte), bis er im Jahre 1934 dann zu dem aufstrebenden Filmstudio P.C.L (später Toho) wechselte und endlich seinen ersten Tonfilm "Three Sister With Maiden Hearts" (Otonegokoro sannin shimai) drehen konnte.
Der früheste erhaltene Stummfilm Mikio Naruses aus jener Shochiku-Periode ist dabei "Flunky, Work Hard", der zudem Naruses einzige noch existierende Nansensu-Comedy darstellt. Wer aber nun eine Blödelkomödie im Stil der Genregenossen erwartet, liegt falsch: Schon in diesem Frühwerk zeigt Mikio Naruse seinen später so ausgeprägten Pessimismus und seine Intention, soziale Realitäten aufzeigen zu wollen.
Story:
Trotzdem der Versicherungsvertreter Okabe (Isamu Yamaguchi) hart arbeitet, ist das Geld stets knapp in seinem Haushalt. Um das Überleben seiner Familie zu sichern, muss er mindestens eine Versicherung verkaufen, was ihn in zu einem erniedrigenden Konkurrenzkampf mit anderen Vertretern zwingt. Auch sein kleiner Sohn (Seiichi Kato) bereitet ihm Sorgen, denn dieser gerät häufig in Schlägereien und wünscht sich obendrein noch ein Spielzeug-Flugzeug, dessen Erwerb die finanziellen Kapazitäten seines Vaters völlig übersteigen würde. Als der Junge dann plötzlich schwer verletzt wird, scheint das Familienglück von Okabe und seiner Frau endgültig zerstört.
Kritik:
In vielen japanischen Filmen ist die Figur des Salariman, also die des einfachen Büroangestellten oder Vertreters, meist komödiantisch konnotiert. Mit der Nansensu-Comedy und ihrem Subgenre, dem Salaryman eiga widmet sich sogar ein ganzes Genre den vermeintlich leichtfüßigen und spaßigen Abenteuern jener intellektuellen Arbeiterklasse.
Auch "Flunky, Work Hard" fällt in diese Kategorie der Nansensu-Comedy, doch obwohl der Film viele Späße enthält, verweigert Mikio Naruse dem Zuschauer konsequent die sozial-romantische Verklärung des Arbeitsalltags jener Salariman. Denn besonders zum Drehzeitpunkt war das Leben vieler dieser auch Koshibento (Wörtlich: "Brotzeitbox, gebunden an die Taille") oder kurz Koshiben (siehe den Originaltitel des Films) genannten Menschen von tiefer Armut geprägt.
In Naruses Film muss sich unser Held, der Versicherungsvertreter Okabe, seine löchrigen Schuhe mit Zeitungspapier stopfen. Wenn seine Vermieterin an seine Haustür anklopft, dann gibt er vor, außer Haus zu sein, macht alle Lichter aus und versucht (vergeblich, wie sich schnell herausstellt) sein Kind zum Schweigen zu bringen. Okabes großes Unglück liegt darin begründet, dass seine ganze Existenz an den Verkauf einer Versicherung gebunden ist, die sich in jenen Zeiten kaum einer leisten kann.
Man muss sich in Erinnerung rufen, dass sich Japan zum Entstehungszeitpunkt des Films im Jahre 1931 mitten in einer Wirtschaftskrise befand. Zuzüglich zu der harschen Finanzlage gab es zudem ein regelrechtes Überangebot an Versicherungsgesellschaften, so dass viele Vertreter zu einem heftigen Konkurrenzkampf untereinander genötigt wurden. Insofern muss dieser Wettstreit Okabes, wie er im Film komödiantisch dargestellt wird, für viele Salariman tatsächlich der Alltag gewesen sein (1).
Die Folge dieser bitteren Prämisse ist eine chaplineske Kombination aus energetischer Slapstick-Komödie und sozialkritischem Drama. Deutlich wird dies etwa in einer Szene, in der Okabe, auf allen Vieren kriechend, Kinder über seinen Rücken hüpfen lässt, um so die Aufmerksamkeit einer Kundin zu erregen. Während die Szene zuerst humorvoll erscheint, wechselt Naruse bald zu einer totalen Kameraeinstellung und entblößt so den ganzen Scham Okabes, der sich für die Zuwendung seiner Kunden zutiefst erniedrigen muss.
Hauptdarsteller Isamu Yamaguchi spielt seinen bemitleidenswerten Salariman dabei mit Bravour. Er wirkt wie ein völlig normaler Durchschnittstyp ohne große Stärken und Schwächen und zeigt dabei doch die gesamte Bandbreite des tragik-komischen Alltags seines Versicherungsvertreters, dessen einziger Wunsch es ist, seiner Familie ein finanzielles Auskommen zu sichern.
Stilistisch wird der Film für viele Kenner von Naruses Werken aus den 1950er Jahren eine Offenbarung darstellen. Die Inszenierung ist flott und der Schnitt dynamisch, womit er völlig konträr zum Stil seiner statischen Spätwerke steht. Zudem weist Naruses Regie hier noch eine überraschende Experimentierlust auf, wie sie in seiner Spätphase zugunsten eines stringenteren Inszenierungsstils völlig ausgeblendet wurde.
Bemerkenswert etwa die Szene, in der Okabe von dem Unfall seines Sohnes erfährt. Mit einer expressionistischen und rasant geschnittenen Montage zeigt Naruse den psychischen Schock Okabes, indem er moderne Stilmitteln wie Überlagerungen, Split-Screens und Spiegelungen in rasender Geschwindigkeit aneinander hängt und so die überbordende Fülle an Eindrücken in Okabes Kopf veranschaulicht.
Schon charakteristischer für den späteren Stil Naruses ist sein genauer Blick für Details und eine kluge Objektsymbolik. Immerwiederkehrend ist etwa ein Spielzeugflugzeug, welches als Objekt der Begierde von Okabes Sohn für die Hoffnung auf finanzielle Besserung und das Glück der jungen Familie steht.
In einer anderen Szene, in der Okabe und seine Frau auf das Erwachen ihres Sohnes im Krankenbett warten, zeigt Naruse ihre Angespanntheit und die sich im Kontext ins Unendliche ausdehnende Zeit, indem er das Warten der Eltern immer wieder mit der Ansicht auf einen tropfenden Wasserhahn zwischen schneidet.
Bei aller inszenatorischen Raffinese, erweist sich letztere Sequenz aber auch als größte Schwäche des Films. Sie ist eine klassische melodramatische Krankenbett-Szene, wie sie in den sentimentalen, vom Einfluss der weinerlichen Shimpa-Theaterbewegung geprägten Dramen der Vorkriegsjahre allzu oft vorkommt.
Hier zeigt sich dann auch, dass sich Mikio Naruse in dieser Phase seiner Karriere, trotz seines respektablen Versuchs, die Konventionen einer gewöhnlichen Slapstickkomödie zu durchbrechen, noch nicht ganz vom Einfluss der Erwartungen seines Filmstudios lösen konnte und es so noch einige Jahre dauern sollte, bis Naruses Filme auch inhaltlich in den Pantheon der großen Klassiker des japanischen Films aufsteigen konnten.
Fazit:
Flunky, Work Hard ist eine in der Hauptrolle hervorragend besetzte, tragik-komische Nansensu-Comedy, die, untypisch für das Genre, einen scharfen Blick auf die harsche Situation der intellektuellen Arbeiterklasse der Vorkriegsjahre wirft und dabei inszenatorisch eine für Naruse ungewohnte Lust zum stilistischen Experiment aufweist.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
(1) Wer mehr über die Koshibento erfahren möchte, der findet hier einen hervorragenden Artikel, der sich im Kontext des Films mit dem Leben der Koshibento in den 1930er Jahren beschäftigt.
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 13. 02. 2014
Geschrieben von Pablo Knote
Missachtet und chronisch unterschätzt von den Studiobossen verschwanden die meisten dieser Filme nach ihrer Veröffentlichung in staubigen Archiven, wo sie Bränden oder den Luftangriffen der Alliierten zum Opfer fielen, weshalb heute nur noch 5 der 24 Stummfilme Naruses als vollständig erhalten gelten.
In jener Zeit drehte Naruse vor allem Melodramen oder sogenannte Nansensu-Comedies, alberne Slapstick-Komödien, meist über einfache Salaryman (Büroangestellte), bis er im Jahre 1934 dann zu dem aufstrebenden Filmstudio P.C.L (später Toho) wechselte und endlich seinen ersten Tonfilm "Three Sister With Maiden Hearts" (Otonegokoro sannin shimai) drehen konnte.
Der früheste erhaltene Stummfilm Mikio Naruses aus jener Shochiku-Periode ist dabei "Flunky, Work Hard", der zudem Naruses einzige noch existierende Nansensu-Comedy darstellt. Wer aber nun eine Blödelkomödie im Stil der Genregenossen erwartet, liegt falsch: Schon in diesem Frühwerk zeigt Mikio Naruse seinen später so ausgeprägten Pessimismus und seine Intention, soziale Realitäten aufzeigen zu wollen.
Story:
Trotzdem der Versicherungsvertreter Okabe (Isamu Yamaguchi) hart arbeitet, ist das Geld stets knapp in seinem Haushalt. Um das Überleben seiner Familie zu sichern, muss er mindestens eine Versicherung verkaufen, was ihn in zu einem erniedrigenden Konkurrenzkampf mit anderen Vertretern zwingt. Auch sein kleiner Sohn (Seiichi Kato) bereitet ihm Sorgen, denn dieser gerät häufig in Schlägereien und wünscht sich obendrein noch ein Spielzeug-Flugzeug, dessen Erwerb die finanziellen Kapazitäten seines Vaters völlig übersteigen würde. Als der Junge dann plötzlich schwer verletzt wird, scheint das Familienglück von Okabe und seiner Frau endgültig zerstört.
Kritik:
In vielen japanischen Filmen ist die Figur des Salariman, also die des einfachen Büroangestellten oder Vertreters, meist komödiantisch konnotiert. Mit der Nansensu-Comedy und ihrem Subgenre, dem Salaryman eiga widmet sich sogar ein ganzes Genre den vermeintlich leichtfüßigen und spaßigen Abenteuern jener intellektuellen Arbeiterklasse.
Auch "Flunky, Work Hard" fällt in diese Kategorie der Nansensu-Comedy, doch obwohl der Film viele Späße enthält, verweigert Mikio Naruse dem Zuschauer konsequent die sozial-romantische Verklärung des Arbeitsalltags jener Salariman. Denn besonders zum Drehzeitpunkt war das Leben vieler dieser auch Koshibento (Wörtlich: "Brotzeitbox, gebunden an die Taille") oder kurz Koshiben (siehe den Originaltitel des Films) genannten Menschen von tiefer Armut geprägt.
In Naruses Film muss sich unser Held, der Versicherungsvertreter Okabe, seine löchrigen Schuhe mit Zeitungspapier stopfen. Wenn seine Vermieterin an seine Haustür anklopft, dann gibt er vor, außer Haus zu sein, macht alle Lichter aus und versucht (vergeblich, wie sich schnell herausstellt) sein Kind zum Schweigen zu bringen. Okabes großes Unglück liegt darin begründet, dass seine ganze Existenz an den Verkauf einer Versicherung gebunden ist, die sich in jenen Zeiten kaum einer leisten kann.
Man muss sich in Erinnerung rufen, dass sich Japan zum Entstehungszeitpunkt des Films im Jahre 1931 mitten in einer Wirtschaftskrise befand. Zuzüglich zu der harschen Finanzlage gab es zudem ein regelrechtes Überangebot an Versicherungsgesellschaften, so dass viele Vertreter zu einem heftigen Konkurrenzkampf untereinander genötigt wurden. Insofern muss dieser Wettstreit Okabes, wie er im Film komödiantisch dargestellt wird, für viele Salariman tatsächlich der Alltag gewesen sein (1).
Die Folge dieser bitteren Prämisse ist eine chaplineske Kombination aus energetischer Slapstick-Komödie und sozialkritischem Drama. Deutlich wird dies etwa in einer Szene, in der Okabe, auf allen Vieren kriechend, Kinder über seinen Rücken hüpfen lässt, um so die Aufmerksamkeit einer Kundin zu erregen. Während die Szene zuerst humorvoll erscheint, wechselt Naruse bald zu einer totalen Kameraeinstellung und entblößt so den ganzen Scham Okabes, der sich für die Zuwendung seiner Kunden zutiefst erniedrigen muss.
Hauptdarsteller Isamu Yamaguchi spielt seinen bemitleidenswerten Salariman dabei mit Bravour. Er wirkt wie ein völlig normaler Durchschnittstyp ohne große Stärken und Schwächen und zeigt dabei doch die gesamte Bandbreite des tragik-komischen Alltags seines Versicherungsvertreters, dessen einziger Wunsch es ist, seiner Familie ein finanzielles Auskommen zu sichern.
Stilistisch wird der Film für viele Kenner von Naruses Werken aus den 1950er Jahren eine Offenbarung darstellen. Die Inszenierung ist flott und der Schnitt dynamisch, womit er völlig konträr zum Stil seiner statischen Spätwerke steht. Zudem weist Naruses Regie hier noch eine überraschende Experimentierlust auf, wie sie in seiner Spätphase zugunsten eines stringenteren Inszenierungsstils völlig ausgeblendet wurde.
Bemerkenswert etwa die Szene, in der Okabe von dem Unfall seines Sohnes erfährt. Mit einer expressionistischen und rasant geschnittenen Montage zeigt Naruse den psychischen Schock Okabes, indem er moderne Stilmitteln wie Überlagerungen, Split-Screens und Spiegelungen in rasender Geschwindigkeit aneinander hängt und so die überbordende Fülle an Eindrücken in Okabes Kopf veranschaulicht.
Schon charakteristischer für den späteren Stil Naruses ist sein genauer Blick für Details und eine kluge Objektsymbolik. Immerwiederkehrend ist etwa ein Spielzeugflugzeug, welches als Objekt der Begierde von Okabes Sohn für die Hoffnung auf finanzielle Besserung und das Glück der jungen Familie steht.
In einer anderen Szene, in der Okabe und seine Frau auf das Erwachen ihres Sohnes im Krankenbett warten, zeigt Naruse ihre Angespanntheit und die sich im Kontext ins Unendliche ausdehnende Zeit, indem er das Warten der Eltern immer wieder mit der Ansicht auf einen tropfenden Wasserhahn zwischen schneidet.
Bei aller inszenatorischen Raffinese, erweist sich letztere Sequenz aber auch als größte Schwäche des Films. Sie ist eine klassische melodramatische Krankenbett-Szene, wie sie in den sentimentalen, vom Einfluss der weinerlichen Shimpa-Theaterbewegung geprägten Dramen der Vorkriegsjahre allzu oft vorkommt.
Hier zeigt sich dann auch, dass sich Mikio Naruse in dieser Phase seiner Karriere, trotz seines respektablen Versuchs, die Konventionen einer gewöhnlichen Slapstickkomödie zu durchbrechen, noch nicht ganz vom Einfluss der Erwartungen seines Filmstudios lösen konnte und es so noch einige Jahre dauern sollte, bis Naruses Filme auch inhaltlich in den Pantheon der großen Klassiker des japanischen Films aufsteigen konnten.
Fazit:
Flunky, Work Hard ist eine in der Hauptrolle hervorragend besetzte, tragik-komische Nansensu-Comedy, die, untypisch für das Genre, einen scharfen Blick auf die harsche Situation der intellektuellen Arbeiterklasse der Vorkriegsjahre wirft und dabei inszenatorisch eine für Naruse ungewohnte Lust zum stilistischen Experiment aufweist.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
(1) Wer mehr über die Koshibento erfahren möchte, der findet hier einen hervorragenden Artikel, der sich im Kontext des Films mit dem Leben der Koshibento in den 1930er Jahren beschäftigt.
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 13. 02. 2014
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
created by Nippon-Kino.net
all rights reserved.
all rights reserved.