Japan Organized Crime Boss (1969)
Ein Film von Kinji Fukasaku
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Nihon boryoku-dan: Kumicho
Genre: Yakuza-eiga, Ninkyo-Eiga, Jitsuroku-Eiga
Regie: Kinji Fukasaku
Darsteller: Koji Tsuruta (Tetsuo Tsukamoto), Bunta Sugawara (Hamanaka Chief Exec.), Ryohei Uchida (Tsubaki), Noburo Ando, Yoshi Kato (Kamiya), Seizaburo Kawazu (Tokyo Alliance Boss), Hideo Murota, Harumi Sone, Asao Uchida (Danno), Tomisaburo Wakayama (Miyahara), Rin'ichi Yamamoto
Drehbuch: Kinji Fukasaku, Fumio Konami, Norio Osada
Kamera: Hanjiro Nakazawa
Musik: Masanobu Higure
Toei Company, 97 Minuten, Color
Nihon boryoku-dan: Kumicho
Genre: Yakuza-eiga, Ninkyo-Eiga, Jitsuroku-Eiga
Regie: Kinji Fukasaku
Darsteller: Koji Tsuruta (Tetsuo Tsukamoto), Bunta Sugawara (Hamanaka Chief Exec.), Ryohei Uchida (Tsubaki), Noburo Ando, Yoshi Kato (Kamiya), Seizaburo Kawazu (Tokyo Alliance Boss), Hideo Murota, Harumi Sone, Asao Uchida (Danno), Tomisaburo Wakayama (Miyahara), Rin'ichi Yamamoto
Drehbuch: Kinji Fukasaku, Fumio Konami, Norio Osada
Kamera: Hanjiro Nakazawa
Musik: Masanobu Higure
Toei Company, 97 Minuten, Color
Auch wenn Kinji Fukasaku von unerfahrenen Kritikern gern als einzige Referenz in den Jitsuroku-Eiga ("realistische Yakuza-Filme") angegeben wird, hat er das Genre natürlich nicht alleine begründet. Vielmehr waren es viele kleine Schritte, die schließlich den Wandel von den klassischen Ninkyo-Eiga ("Ritterlichkeits-Filme", idealisierte Filme über ehrenvolle Yakuza) der 1960er zu den realistischen und ruppigeren Jitsuroku-Eiga der 1970er Jahre vollzogen.
Schon vor Fukasaku wagten es Ninkyo-Filmregisseure wie Tai Kato das Idealbild der ehrenvollen Yakuza zu hinterfragen und ihr Umfeld der japanischen Unterwelt düster und grausam zu zeichnen, während in den Ninkyo-Filmen von Kosaku Yamashita oder Teruo Ishii durchaus auch einmal eine Handkamera und deftige Gewalt zum Zuge kommen, für deren Einsatz Fukasaku in den 1970er Jahren gefeiert wurde.
Doch Fukasaku war es, der all diese Stilmittel kombinierte und das Genre mit neuer Energie und aggressivem Progressivismus wiederbelebte. Ein früher Erfolg in diesem Belang gelang ihm mit diesem vorliegenden Film, welcher bereits viele Elemente eines späteren Fukasaku-Yakuza-Films enthält, aber im Grunde noch immer in den nostalgischen Ninkyo-Filmen verankert ist.
Story:
In den Nachkriegsjahren gewinnt der skrupellose Yakuza Danno (Asao Uchida) schnell großen Zuwachs und strebt danach, ganz Japan zu kontrollieren. Mit Hilfe seiner rechten Hand Tsubaki (Ryohei Uchida) wird der Danno-Clan schnell zu einer mächtigen Instanz und streckt seine Finger schließlich nach der Hafenstadt Yokohama aus, die als Brückenkopf zur alleinigen Machtübernahme in Tokyo dienen soll. Um diesem Vorstoß entgegenzuwirken, verbünden sich die ortsansässigen Yakuza-Clans, angeführt von der Sakurada-Familie, zu einer Tokyo Allianz und verüben einen Anschlag auf den Oyabun des mit Danno verbündeten Hamanaka-Clans. Kurz vor seinem Tod gibt der Hamanaka-Boss das Zepter in die Hände des gerade aus dem Gefängnis entlassenen Tetsuo Tsukamoto (Koji Tsuruta) und bekundet, dass Bündnis mit dem grausamen Danno zu bereuen. Tsukamoto soll mit Danno brechen und ein Bündnis mit dem Sakurada-Clan anstreben. Als Danno davon erfährt, reagiert er wenig beeindruckt und rekrutiert sich kurzerhand einen neuen Verbündeten, die Hokuryu-Familie, angeführt von dem psychopathischen Kriminellen Miyahara (Tomisaburo Wakayama). Er soll in Yokohama aufräumen und bringt den Hamanaka-Clan mit brutalen Mitteln bald an den Rand der Vernichtung.
Kritik:
Schon am Anfang grenzt sich Fukasaku stilistisch mit dem Einsatz eines pseudo-dokumentarischen Off-Sprechers entscheidend von den romantisierenden Ninkyo-Filmen ab. Im Intro wird nicht nur das skrupellose Expansionsbestreben der modernen Yakuza in der Nachkriegszeit erläutert, sondern auch die brutalen Opfer ihrer Bestrebungen mit Titelkarten wie "3 Tote, 1 Verletzter" denkbar nüchtern beschrieben. Es sind die ökonomischen Yakuza, Feindbild unzähliger Ninkyo-Filme, die regieren, während die traditionsbewussten und ehrenvollen Yakuza beinahe ein verbrauchtes Relikt aus vergangenen Zeiten darstellen.
1969 war das Genre des Ninkyo-Film schon auf dem absteigenden Ast, aber immer noch dominant und insofern spielt auch Ninkyo-Superstar Koji Tsuruta und nicht der spätere Superstar im Genre Bunta Sugawara, der hier nur eine kleine, aber wichtige Rolle verkörpert, die Hauptrolle. Tsurutas Charakter ist ein typischer Ninkyo-Held, nur, dass er diesmal seinen traditionellen Kimono gegen Anzug und Krawatte getauscht hat. Eigentlich ein guter Mensch, der sich nach einem friedlichen Leben sehnt und versucht, sich als letzte moralische Instanz in einer verkommenen Welt ohne Menschlichkeit zu beweisen.
Ironischerweise ist es genau dieses Film-Umfeld, welches aus Koji Tsuruta eine seiner kraftvollsten Performances herauslockt. Er hat viele intensive Szenen und strahlt einen eindrucksvoll ehrenhafte Präsenz aus. Besonders toll sind die Szenen, die ihn mit dem psychopathischen Yakuza Miyahara zeigen. Trotz aller moralischer Verkommenheit und Kälte schafft er es ausgerechnet in diesem augenscheinlich unehrenhaften und drogensüchtigen Bastard, exzellent gespielt von Tomisaburo Wakayama, etwas zu bewegen. Selbiges schafft er auch bei dem eiskalt kalkulierenden Tsubaki und bringt ihn dazu, sich zu alten Werten zurückzubesinnen.
Letztendlich ist Tsurutuas Figur also ein letztes Zugeständnis an die Kraft des Ninkyo-Films, auch wenn seine Art von Mensch sichtlich vom Aussterben bedroht ist, wodurch der Film eine einnehmende melancholische Note erhält. Kinji Fukasakus Regie ist dabei aber denkbar weit von dem stählernen Manierismus der Ninkyo-Filme entfernt. Er inszeniert mit viel roher Energie, setzt auf eine entfesselte Handkamera, die sich in Kampfszenen schon mal um 180 Grad dreht und auf aggressive Sozialkritik. Es sind nur die reichen, weltfremden Bösewichte, die sich in einer kapitalistischen Welt durchsetzen können, während alle Schwachen und diejenigen, mit einem Funken Empathie, untergehen.
In einer besonders gelungenen Szene zeigt er auch eine Spur bissigen Humors, als ein Redner bei einem Yakuza-Treffen die Ninkyo-Ideale um Treue und Ehre aufzählt und wir plötzlich mit einem schnellen Zwischenschnitt dem brutalen und schmutzigen Treiben der Miyahara-Yakuza beiwohnen. Alles in allem ist Japan Organized Crime also ein äußerst gelungener Grundpfeiler in der Entstehung des Jitsuroku-Eiga und markiert zudem den Anfang der Spezialisierung Fukasakus auf den Yakuza-Film bei der Toei Company, nachdem er zuvor Filme aller erdenklichen Genre für verschiedene Studios gedreht hatte.
Japan Organized Crimes Boss mag also noch nicht so radikal sein wie Fukasakus späteres Meisterwerk Graveyard of Honor oder so revolutionär wie seine "Battles Without Honor or Humanity"-Filme, aber er ist ein "sehr gutes" Gangster-Frühwerk Fukasakus und vielleicht gerade wegen der erfolgreichen Verschmelzung von Ninkyo- und Jitsoroku-Eiga so kraftvoll.
Fazit:
Japan Organized Crimes Boss ist ein gelungenes Frühwerk Fukaskus, welches schon viele Stilmittel seiner späteren Jitsuroku-Eiga vorweg nimmt und mit einem motivierten Cast und energetischer Regie überzeugt.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 27. 03. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Schon vor Fukasaku wagten es Ninkyo-Filmregisseure wie Tai Kato das Idealbild der ehrenvollen Yakuza zu hinterfragen und ihr Umfeld der japanischen Unterwelt düster und grausam zu zeichnen, während in den Ninkyo-Filmen von Kosaku Yamashita oder Teruo Ishii durchaus auch einmal eine Handkamera und deftige Gewalt zum Zuge kommen, für deren Einsatz Fukasaku in den 1970er Jahren gefeiert wurde.
Doch Fukasaku war es, der all diese Stilmittel kombinierte und das Genre mit neuer Energie und aggressivem Progressivismus wiederbelebte. Ein früher Erfolg in diesem Belang gelang ihm mit diesem vorliegenden Film, welcher bereits viele Elemente eines späteren Fukasaku-Yakuza-Films enthält, aber im Grunde noch immer in den nostalgischen Ninkyo-Filmen verankert ist.
Story:
In den Nachkriegsjahren gewinnt der skrupellose Yakuza Danno (Asao Uchida) schnell großen Zuwachs und strebt danach, ganz Japan zu kontrollieren. Mit Hilfe seiner rechten Hand Tsubaki (Ryohei Uchida) wird der Danno-Clan schnell zu einer mächtigen Instanz und streckt seine Finger schließlich nach der Hafenstadt Yokohama aus, die als Brückenkopf zur alleinigen Machtübernahme in Tokyo dienen soll. Um diesem Vorstoß entgegenzuwirken, verbünden sich die ortsansässigen Yakuza-Clans, angeführt von der Sakurada-Familie, zu einer Tokyo Allianz und verüben einen Anschlag auf den Oyabun des mit Danno verbündeten Hamanaka-Clans. Kurz vor seinem Tod gibt der Hamanaka-Boss das Zepter in die Hände des gerade aus dem Gefängnis entlassenen Tetsuo Tsukamoto (Koji Tsuruta) und bekundet, dass Bündnis mit dem grausamen Danno zu bereuen. Tsukamoto soll mit Danno brechen und ein Bündnis mit dem Sakurada-Clan anstreben. Als Danno davon erfährt, reagiert er wenig beeindruckt und rekrutiert sich kurzerhand einen neuen Verbündeten, die Hokuryu-Familie, angeführt von dem psychopathischen Kriminellen Miyahara (Tomisaburo Wakayama). Er soll in Yokohama aufräumen und bringt den Hamanaka-Clan mit brutalen Mitteln bald an den Rand der Vernichtung.
Kritik:
Schon am Anfang grenzt sich Fukasaku stilistisch mit dem Einsatz eines pseudo-dokumentarischen Off-Sprechers entscheidend von den romantisierenden Ninkyo-Filmen ab. Im Intro wird nicht nur das skrupellose Expansionsbestreben der modernen Yakuza in der Nachkriegszeit erläutert, sondern auch die brutalen Opfer ihrer Bestrebungen mit Titelkarten wie "3 Tote, 1 Verletzter" denkbar nüchtern beschrieben. Es sind die ökonomischen Yakuza, Feindbild unzähliger Ninkyo-Filme, die regieren, während die traditionsbewussten und ehrenvollen Yakuza beinahe ein verbrauchtes Relikt aus vergangenen Zeiten darstellen.
1969 war das Genre des Ninkyo-Film schon auf dem absteigenden Ast, aber immer noch dominant und insofern spielt auch Ninkyo-Superstar Koji Tsuruta und nicht der spätere Superstar im Genre Bunta Sugawara, der hier nur eine kleine, aber wichtige Rolle verkörpert, die Hauptrolle. Tsurutas Charakter ist ein typischer Ninkyo-Held, nur, dass er diesmal seinen traditionellen Kimono gegen Anzug und Krawatte getauscht hat. Eigentlich ein guter Mensch, der sich nach einem friedlichen Leben sehnt und versucht, sich als letzte moralische Instanz in einer verkommenen Welt ohne Menschlichkeit zu beweisen.
Ironischerweise ist es genau dieses Film-Umfeld, welches aus Koji Tsuruta eine seiner kraftvollsten Performances herauslockt. Er hat viele intensive Szenen und strahlt einen eindrucksvoll ehrenhafte Präsenz aus. Besonders toll sind die Szenen, die ihn mit dem psychopathischen Yakuza Miyahara zeigen. Trotz aller moralischer Verkommenheit und Kälte schafft er es ausgerechnet in diesem augenscheinlich unehrenhaften und drogensüchtigen Bastard, exzellent gespielt von Tomisaburo Wakayama, etwas zu bewegen. Selbiges schafft er auch bei dem eiskalt kalkulierenden Tsubaki und bringt ihn dazu, sich zu alten Werten zurückzubesinnen.
Letztendlich ist Tsurutuas Figur also ein letztes Zugeständnis an die Kraft des Ninkyo-Films, auch wenn seine Art von Mensch sichtlich vom Aussterben bedroht ist, wodurch der Film eine einnehmende melancholische Note erhält. Kinji Fukasakus Regie ist dabei aber denkbar weit von dem stählernen Manierismus der Ninkyo-Filme entfernt. Er inszeniert mit viel roher Energie, setzt auf eine entfesselte Handkamera, die sich in Kampfszenen schon mal um 180 Grad dreht und auf aggressive Sozialkritik. Es sind nur die reichen, weltfremden Bösewichte, die sich in einer kapitalistischen Welt durchsetzen können, während alle Schwachen und diejenigen, mit einem Funken Empathie, untergehen.
In einer besonders gelungenen Szene zeigt er auch eine Spur bissigen Humors, als ein Redner bei einem Yakuza-Treffen die Ninkyo-Ideale um Treue und Ehre aufzählt und wir plötzlich mit einem schnellen Zwischenschnitt dem brutalen und schmutzigen Treiben der Miyahara-Yakuza beiwohnen. Alles in allem ist Japan Organized Crime also ein äußerst gelungener Grundpfeiler in der Entstehung des Jitsuroku-Eiga und markiert zudem den Anfang der Spezialisierung Fukasakus auf den Yakuza-Film bei der Toei Company, nachdem er zuvor Filme aller erdenklichen Genre für verschiedene Studios gedreht hatte.
Japan Organized Crimes Boss mag also noch nicht so radikal sein wie Fukasakus späteres Meisterwerk Graveyard of Honor oder so revolutionär wie seine "Battles Without Honor or Humanity"-Filme, aber er ist ein "sehr gutes" Gangster-Frühwerk Fukasakus und vielleicht gerade wegen der erfolgreichen Verschmelzung von Ninkyo- und Jitsoroku-Eiga so kraftvoll.
Fazit:
Japan Organized Crimes Boss ist ein gelungenes Frühwerk Fukaskus, welches schon viele Stilmittel seiner späteren Jitsuroku-Eiga vorweg nimmt und mit einem motivierten Cast und energetischer Regie überzeugt.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 27. 03. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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