Japan's Longest Day (1967)
Ein Film von Kihachi Okamoto
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Nihon no ichiban nagai hi
Genre: Gendai-geki, Polit-Thriller, Kriegsfilm
Regie: Kihachi Okamoto
Darsteller: Toshiro Mifune (War Minister General Korechika Anami), So Yamamura (Navy Minister Admiral Mitsumasa Yonai), Chishu Ryu (Prime Minister Baron Kantaro Suzuki), Rokko Toura (Vice-Minister of Foreign Affairs Shunichi Matsumoto), Seiji Miyaguchi (Foreign Minister Shigenori Togo) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Shinobu Hashimoto (Buch: Soichi Oya)
Kamera: Hiroshi Murai
Musik: Masaru Sato
Toho Company, 157 Minuten, S/W
Nihon no ichiban nagai hi
Genre: Gendai-geki, Polit-Thriller, Kriegsfilm
Regie: Kihachi Okamoto
Darsteller: Toshiro Mifune (War Minister General Korechika Anami), So Yamamura (Navy Minister Admiral Mitsumasa Yonai), Chishu Ryu (Prime Minister Baron Kantaro Suzuki), Rokko Toura (Vice-Minister of Foreign Affairs Shunichi Matsumoto), Seiji Miyaguchi (Foreign Minister Shigenori Togo) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Shinobu Hashimoto (Buch: Soichi Oya)
Kamera: Hiroshi Murai
Musik: Masaru Sato
Toho Company, 157 Minuten, S/W
Zur Feier des 35. Jahrestags der Toho Company plante das einflussreiche Filmstudio, welches in den 1950er und -60er Jahren unter anderem Akira Kurosawa und Hiroshi Inagaki ein Zuhause bot, eine epische Verfilmung jener politischen Hintergründe, die in den letzten Tagen vor Ende des 2. Weltkriegs zur Kapitulation Japans führten.
Anstelle aber den einfachen Soldaten an der Front zu folgen, entschied man sich, nach dem Vorbild des amerikanischen Kriegsepos "The Longest Day“ (1962), den Fokus auf die obersten Befehlshaber zu legen, die zwar Millionen Soldaten in den Kampf schickten, aber selbst niemals ein Schlachtfeld aus der Nähe sahen.
Das Ergebnis ist ein gewaltiger Polit-Thriller mit gigantischem Staraufgebot und fast dreistündiger Laufzeit. Ein riskantes Werk, welches einen Drahtseilakt zwischen dem Eingestehen der eigenen Kriegsschuld und der Heroisierung jener höchsten Politiker, welche die Kapitulation schließlich in die Wege leiteten, meistern musste.
Umso eigenartiger dann, dass die Wahl des Regisseurs auf das „Enfant Terrible“ Kihachi Okamoto fiel. Denn zum Einen besaß der Regisseur durch seine satirischen Anti-Kriegsfilme bereits ein Image als stilistisch sehr unkonventioneller Ankläger des japanischen Militarismus, zum Anderen wurde sein letzter Film, die avantgardistische Agentenkomödie „Epoch of Murder Madness“ (1967), von der Toho Company für nicht veröffentlichbar erklärt und war erst 8 Monate nach seiner Fertigstellung freigegeben worden.
Doch die Produzenten der Toho Company, wohl mit Bedacht auf die Erfahrung des Regisseurs mit dem Genre, übergaben Okamoto den Job in der letzten Minute, nachdem der geplante Regisseur Masaki Kobayashi sein Mitwirken aus ungeklärten Umständen verweigerte. Wohl um sein zukünftiges Berufsleben nicht zu gefährden, drehte Okamoto dann auch eine überraschend linientreue Verfilmung von „Japans längstem Tag“.
Ein Film, der dann auch ein großer Erfolg wurde und wegen seiner vermeintlichen historischen Genauigkeit bis heute jedes Jahr am 15. August, dem Tag der Kapitulation, in ganz Japan im Fernsehen ausgestrahlt wird. Wohl aber auch der untypischste Film des eigentlich so regimekritischen Kihachi Okamotos, der unter manchen leichtfertigen Kritikern gewisse Zweifel an seiner Anti-Kriegshaltung aufkommen ließ...
Story:
Japan, 1945, in den letzten Tagen vor Kriegsende. Nachdem die Potsdamer Erklärung als Kapitulationsangebot der Alliierten an die japanischen Regierung durch eine Fehlübersetzung des Außenministers Shigenori Torii (Seiji Miyaguchi) als abgelehnt gilt, verhärten sich die Fronten zusätzlich und die Alliierten sehen sich gezwungen, zwei Atombomben mit verheerenden Folgen über Japan abzuwerfen. Die japanische Kapitulation scheint nun unausweichlich und nach hitzigen Diskussionen beschließt die Regierung, dass der Kaiser (Hakuo Matsumoto) persönlich die japanische Nation per Radiodurchsage zur Kapitulation aufrufen soll. In rasender Geschwindigkeit wird nun versucht, alle nötigen Vorbereitungen zu treffen, denn die Zeit tickt. Nicht nur, dass weiterhin unzählige japanische Soldaten an der Front sterben, während die Regierung die Kapitulationsvorbereitungen trifft, auch einige militante Faschisten, unter der Führung des radikalen Kapitäns Takeo Sasaki (Hideyo Amamoto), wollen sich nicht mit der Niederlage abfinden und planen einen gewaltsamen Staatsstreich, um so eine Fortführung des Krieges zu erwirken...
Kritik:
Japan's Longest Day besitzt nicht den charakteristischen Humor und die satirische Reflexion des Kriegsalltages, wie Kihachi Okamoto sie in seinen Antikriegsfilmen wie "Desperado Outpost" (1959) oder "Fort Graveyard" (1965) so erfolgreich einsetzte, um die Absurdität des Krieges zu veranschaulichen. Stattdessen nimmt Okamoto seine persönliche Einstellung zu Japans Rolle im Krieg deutlich zurück und präsentiert eine überraschend dokumentarisch angehauchte und historisch akkurate Nacherzählung der politischen Umstände, die zu Japans Kapitulation im zweiten Weltkrieg führten.
Mit dem Einbezug von Original-Footage vom Kriegsschauplatz, realgetreu wiedergegebenen Spielfilmszenen und dem Einbezug eines Off-Sprechers, der das Geschehen mit historischen Fakten untermauert, erzählt Okamoto seine Geschichte mit dokumentarischer Objektivität und vermeidet weitgehendst Kritik am japanischen Militarismus, aber auch an den Praktiken des Kriegsgegners.
Vielleicht ist diese Erzählweise aber auch zu objektiv und damit zu unkritisch in ihrem Umgang mit der japanischen Kriegsschuld, denn bei aller dokumentarischen Authentizität ist "Japan's Longest Day" auch ein sehr subjektiver Film, der sich ausschließlich der japanischen Perspektive widmet. Die schrecklichen Kriegsverbrechen, welche das japanische Militär an den Völkern in ganz Asien verübte, werden völlig ausgeblendet, genauso wie auch Japans Rolle als Aggressor im zweiten Weltkrieg.
Für diese Zentrierung auf die japanische Perspektive wurde der Film von einigen Kritikern als reaktionäre Geschichtsverfälschung verdammt. So schrieb die renommierte Filmhistorikerin Joan Mellen, dass der Film eine Reinwaschung der führenden Militärs sei. Bei aller Berechtigung einer solchen Kritik muss man diesem, etwas kurzsichtigen Urteil, doch widersprechen.
Okamoto zeigt die Regression und den Stillstand der japanischen Kabinettsmitglieder in einer Situation, in der jedes Wort zu viel sein könnte. Bereits eine Anfangsszene in der eine ungenau formulierte Reaktion des japanischen Außenministers auf die amerikanische Aufforderung zur Kapitulation als Ablehnung fehlübersetzt wird, was zur Verhärtung des Krieges führt, zeigt diese historisch verbürgte, politische Glatteis-Situation sehr deutlich.
Doch dieser Umstand erlaubt es Okamoto auch einige Anflüge ungeahnter Subversion zu implementieren. Etwa, wenn über jedes einzelne Wort der Kapitulationsrede des Kaiser diskutiert wird, während auf dem Schlachtfeld noch immer Soldaten sinnlos sterben oder wenn der Agrarminister darüber diskutiert, ob Japan noch genügend Ressourcen zur Kriegsfortführung hat und Okamoto anschließend eine Ansicht von startenden Kamikazefliegern zeigt.
Doch oberflächlich betrachtet bleibt Okamoto in seiner Darstellung der führenden Politiker betont objektiv und nahe an den historischen Fakten, doch er verherrlicht sie auch nicht und übt zudem an keiner Stelle direkte Kritik an Amerika, wie es bei einer reaktionären Verherrlichung der japanischen Kriegsschuld naheliegend gewesen wäre.
Wenn Okamoto überhaupt parteiisch wird, dann in seiner Darstellung der rebellierenden Militärs, die als sichtlich wahnsinnige Fanatisten dargestellt werden, was sich eindrucksvoll an dem Führer des Aufstandes zeigt, den Hideyo Amamoto als schrill herumschreienden Psychopathen spielt.
Vielleicht liegen die Ursprünge der Verherrlichungs-Vorwürfe eher in der Besetzung des Films. Wenn man einen altehrwürdigen Schauspieler wie Ozu-Veteran Chishu Ryu in der Rolle des Premierministers besetzt, dann muss man zwangsläufig damit rechnen, dass seine Darstellung jener historischen Persönlichkeit die eines weisen und ehrenvollen alten Mannes ist.
Insbesondere Toshiro Mifune ist großartig in seiner Rolle als Kriegsminister, dessen Furcht vor dem Verlieren des Krieges anhand des geradezu manischen Festklammerns an seinem Samuraischwert gezeigt wird, doch ebenso wie auch der Rest des Casts erscheint seine Präsenz einfach zu ehrenhaft für die Verkörperung vermeintlicher Kriegsverbrecher.
Vielleicht wäre es besser gewesen, den Film mit klassischen Bösewichter-Darstellern wie Toru Abe oder Bin Amatsu zu besetzten, deren Verkörperung den realen historischen Persönlichkeiten vermutlich ähnlicher gewesen wäre, doch auch dies hätte dem Film etwas von seiner Objektivität genommen. Es zeigt sich einmal mehr, dass sich das Medium des Films nur bedingt für eine unvoreingenommene Bestandsaufnahme eignet und stets auch subjektive Einflüsse durch Faktoren wie Regie oder Besetzung in eine vermeintlich historische Aufarbeitung miteinfließen.
Ungeachtet aller politischen Vorbehalte, die man vielleicht hegen möchte, ist der Film aber zweifellos inszenatorisch ein eindrucksvolles Werk. Kihachi Okamotos charakteristisches Talent für Timing und rhythmischen Schnitt eignet sich perfekt für das Medium eines halb dokumentarischen Polit-Thrillers.
Schon die erste halbe Stunde, die Kihachi Okamoto als einleitende Geschichtsstunde nutzt, ist in ihrem perfekten Schnitt und ihrer Detaildichte schier unglaublich. Mithilfe von zahlreichen Einspielern realer Schlachtszenen, einem dröhnenden und unheilvollen Soundtrack von Masaru Sato und dem von Tatsuya Nakadai dezent und zugleich bedeutungsschwanger vorgetragenem Erzählmonolog rast Okamoto durch die Details der politischen Hintergründe des Pazifikkrieges nur so hindurch, so dass einem beinahe schwindelig wird.
Als die Kabinettsmitglieder dann ihre zukunftsweisende Entscheidung zur Kapitulation getroffen haben, legt sich eine Totenstille über das Kabinett und der Sprecher sagt mit getragener Stimme: „So begann Japans längster Tag“. Mit dieser Szene kommt der Film zu einem Halt und wird zu einem Polit-Thriller mit viel Pathos und einem spannenden Wettlauf gegen die Zeit.
Okamoto hält gekonnt die Waage zwischen pathetischem Polit-Thriller und einem flotten Actionfilm. Mit dem Einbezug zahlreicher Kampfszenen sorgt er zudem dafür, dass das Geschehen nie zu trocken gerät, auch wenn man sich fragen kann, ob übertrieben hoch spritzende Blutfontänen in einem so auf Authentizität bemühten Film wirklich ihren Platz haben.
Neben der formal hervorragenden Inszenierung überzeugen aber auch, abgesehen von dem etwas zu stark chargierenden Toshio Kurosawa, die Schauspieler mit exzellenten Leistungen und die edle Cinematographie von Hiroshi Murai, die dem Film seine epochalen Ausmaße verleihen. Für Westler, die naturgemäß wenig über die japanische Seite des Krieges wissen, mag der Film mit seiner extremen Detailgetreue vielleicht eine harte Durchhalteprobe sein, doch „Japan's Longest Day“ ist sicherlich ein „sehr guter“ Film.
Insgesamt mag er wohl nicht sehr repräsentativ im Oeuvre seines Regisseurs sein, weshalb Okamoto selbst den Film als einen seiner schwächeren bezeichnet. Ein Jahr später sollte er dann seine Antwort auf das epochale Politik-Theater von „Japan's Longest Day“ inszenieren:
„The Human Bullet“ (1968), ein persönlicher Film, indem nicht die führenden Politiker, sondern ein einzelner Soldat im Zentrum der Handlung steht und der japanische Militarismus in aller Härte verurteilt wird.
Ironischerweise wäre die Finanzierung dieses pazifistischen, wesentlich persönlicheren „The Human Bullet“ ohne den großen Erfolg des unpersönlichen und ideologisch fragwürdigen Japan`s Longest Day wohl unmöglich gewesen.
Fazit:
Japan's Longest Day ist eine akribisch rekonstruierte, äußerst detailgetreue, wenn auch relativ unkritische Aufarbeitung der politischen Umstände, die zu Japans Kapitulation im weiten Weltkrieg führten. Auch wenn der Film als nicht repräsentativ im Oeuvre seines Regisseurs gesehen werden muss, ist er ein solide inszenierter, exzellent geschnittener und eindrucksvoll gespielter und „sehr guter“ Film, dessen edle Cinematographie und Laufzeit für die nötigen epochalen Ausmaße sorgen.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 19. 11. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Anstelle aber den einfachen Soldaten an der Front zu folgen, entschied man sich, nach dem Vorbild des amerikanischen Kriegsepos "The Longest Day“ (1962), den Fokus auf die obersten Befehlshaber zu legen, die zwar Millionen Soldaten in den Kampf schickten, aber selbst niemals ein Schlachtfeld aus der Nähe sahen.
Das Ergebnis ist ein gewaltiger Polit-Thriller mit gigantischem Staraufgebot und fast dreistündiger Laufzeit. Ein riskantes Werk, welches einen Drahtseilakt zwischen dem Eingestehen der eigenen Kriegsschuld und der Heroisierung jener höchsten Politiker, welche die Kapitulation schließlich in die Wege leiteten, meistern musste.
Umso eigenartiger dann, dass die Wahl des Regisseurs auf das „Enfant Terrible“ Kihachi Okamoto fiel. Denn zum Einen besaß der Regisseur durch seine satirischen Anti-Kriegsfilme bereits ein Image als stilistisch sehr unkonventioneller Ankläger des japanischen Militarismus, zum Anderen wurde sein letzter Film, die avantgardistische Agentenkomödie „Epoch of Murder Madness“ (1967), von der Toho Company für nicht veröffentlichbar erklärt und war erst 8 Monate nach seiner Fertigstellung freigegeben worden.
Doch die Produzenten der Toho Company, wohl mit Bedacht auf die Erfahrung des Regisseurs mit dem Genre, übergaben Okamoto den Job in der letzten Minute, nachdem der geplante Regisseur Masaki Kobayashi sein Mitwirken aus ungeklärten Umständen verweigerte. Wohl um sein zukünftiges Berufsleben nicht zu gefährden, drehte Okamoto dann auch eine überraschend linientreue Verfilmung von „Japans längstem Tag“.
Ein Film, der dann auch ein großer Erfolg wurde und wegen seiner vermeintlichen historischen Genauigkeit bis heute jedes Jahr am 15. August, dem Tag der Kapitulation, in ganz Japan im Fernsehen ausgestrahlt wird. Wohl aber auch der untypischste Film des eigentlich so regimekritischen Kihachi Okamotos, der unter manchen leichtfertigen Kritikern gewisse Zweifel an seiner Anti-Kriegshaltung aufkommen ließ...
Story:
Japan, 1945, in den letzten Tagen vor Kriegsende. Nachdem die Potsdamer Erklärung als Kapitulationsangebot der Alliierten an die japanischen Regierung durch eine Fehlübersetzung des Außenministers Shigenori Torii (Seiji Miyaguchi) als abgelehnt gilt, verhärten sich die Fronten zusätzlich und die Alliierten sehen sich gezwungen, zwei Atombomben mit verheerenden Folgen über Japan abzuwerfen. Die japanische Kapitulation scheint nun unausweichlich und nach hitzigen Diskussionen beschließt die Regierung, dass der Kaiser (Hakuo Matsumoto) persönlich die japanische Nation per Radiodurchsage zur Kapitulation aufrufen soll. In rasender Geschwindigkeit wird nun versucht, alle nötigen Vorbereitungen zu treffen, denn die Zeit tickt. Nicht nur, dass weiterhin unzählige japanische Soldaten an der Front sterben, während die Regierung die Kapitulationsvorbereitungen trifft, auch einige militante Faschisten, unter der Führung des radikalen Kapitäns Takeo Sasaki (Hideyo Amamoto), wollen sich nicht mit der Niederlage abfinden und planen einen gewaltsamen Staatsstreich, um so eine Fortführung des Krieges zu erwirken...
Kritik:
Japan's Longest Day besitzt nicht den charakteristischen Humor und die satirische Reflexion des Kriegsalltages, wie Kihachi Okamoto sie in seinen Antikriegsfilmen wie "Desperado Outpost" (1959) oder "Fort Graveyard" (1965) so erfolgreich einsetzte, um die Absurdität des Krieges zu veranschaulichen. Stattdessen nimmt Okamoto seine persönliche Einstellung zu Japans Rolle im Krieg deutlich zurück und präsentiert eine überraschend dokumentarisch angehauchte und historisch akkurate Nacherzählung der politischen Umstände, die zu Japans Kapitulation im zweiten Weltkrieg führten.
Mit dem Einbezug von Original-Footage vom Kriegsschauplatz, realgetreu wiedergegebenen Spielfilmszenen und dem Einbezug eines Off-Sprechers, der das Geschehen mit historischen Fakten untermauert, erzählt Okamoto seine Geschichte mit dokumentarischer Objektivität und vermeidet weitgehendst Kritik am japanischen Militarismus, aber auch an den Praktiken des Kriegsgegners.
Vielleicht ist diese Erzählweise aber auch zu objektiv und damit zu unkritisch in ihrem Umgang mit der japanischen Kriegsschuld, denn bei aller dokumentarischen Authentizität ist "Japan's Longest Day" auch ein sehr subjektiver Film, der sich ausschließlich der japanischen Perspektive widmet. Die schrecklichen Kriegsverbrechen, welche das japanische Militär an den Völkern in ganz Asien verübte, werden völlig ausgeblendet, genauso wie auch Japans Rolle als Aggressor im zweiten Weltkrieg.
Für diese Zentrierung auf die japanische Perspektive wurde der Film von einigen Kritikern als reaktionäre Geschichtsverfälschung verdammt. So schrieb die renommierte Filmhistorikerin Joan Mellen, dass der Film eine Reinwaschung der führenden Militärs sei. Bei aller Berechtigung einer solchen Kritik muss man diesem, etwas kurzsichtigen Urteil, doch widersprechen.
Okamoto zeigt die Regression und den Stillstand der japanischen Kabinettsmitglieder in einer Situation, in der jedes Wort zu viel sein könnte. Bereits eine Anfangsszene in der eine ungenau formulierte Reaktion des japanischen Außenministers auf die amerikanische Aufforderung zur Kapitulation als Ablehnung fehlübersetzt wird, was zur Verhärtung des Krieges führt, zeigt diese historisch verbürgte, politische Glatteis-Situation sehr deutlich.
Doch dieser Umstand erlaubt es Okamoto auch einige Anflüge ungeahnter Subversion zu implementieren. Etwa, wenn über jedes einzelne Wort der Kapitulationsrede des Kaiser diskutiert wird, während auf dem Schlachtfeld noch immer Soldaten sinnlos sterben oder wenn der Agrarminister darüber diskutiert, ob Japan noch genügend Ressourcen zur Kriegsfortführung hat und Okamoto anschließend eine Ansicht von startenden Kamikazefliegern zeigt.
Doch oberflächlich betrachtet bleibt Okamoto in seiner Darstellung der führenden Politiker betont objektiv und nahe an den historischen Fakten, doch er verherrlicht sie auch nicht und übt zudem an keiner Stelle direkte Kritik an Amerika, wie es bei einer reaktionären Verherrlichung der japanischen Kriegsschuld naheliegend gewesen wäre.
Wenn Okamoto überhaupt parteiisch wird, dann in seiner Darstellung der rebellierenden Militärs, die als sichtlich wahnsinnige Fanatisten dargestellt werden, was sich eindrucksvoll an dem Führer des Aufstandes zeigt, den Hideyo Amamoto als schrill herumschreienden Psychopathen spielt.
Vielleicht liegen die Ursprünge der Verherrlichungs-Vorwürfe eher in der Besetzung des Films. Wenn man einen altehrwürdigen Schauspieler wie Ozu-Veteran Chishu Ryu in der Rolle des Premierministers besetzt, dann muss man zwangsläufig damit rechnen, dass seine Darstellung jener historischen Persönlichkeit die eines weisen und ehrenvollen alten Mannes ist.
Insbesondere Toshiro Mifune ist großartig in seiner Rolle als Kriegsminister, dessen Furcht vor dem Verlieren des Krieges anhand des geradezu manischen Festklammerns an seinem Samuraischwert gezeigt wird, doch ebenso wie auch der Rest des Casts erscheint seine Präsenz einfach zu ehrenhaft für die Verkörperung vermeintlicher Kriegsverbrecher.
Vielleicht wäre es besser gewesen, den Film mit klassischen Bösewichter-Darstellern wie Toru Abe oder Bin Amatsu zu besetzten, deren Verkörperung den realen historischen Persönlichkeiten vermutlich ähnlicher gewesen wäre, doch auch dies hätte dem Film etwas von seiner Objektivität genommen. Es zeigt sich einmal mehr, dass sich das Medium des Films nur bedingt für eine unvoreingenommene Bestandsaufnahme eignet und stets auch subjektive Einflüsse durch Faktoren wie Regie oder Besetzung in eine vermeintlich historische Aufarbeitung miteinfließen.
Ungeachtet aller politischen Vorbehalte, die man vielleicht hegen möchte, ist der Film aber zweifellos inszenatorisch ein eindrucksvolles Werk. Kihachi Okamotos charakteristisches Talent für Timing und rhythmischen Schnitt eignet sich perfekt für das Medium eines halb dokumentarischen Polit-Thrillers.
Schon die erste halbe Stunde, die Kihachi Okamoto als einleitende Geschichtsstunde nutzt, ist in ihrem perfekten Schnitt und ihrer Detaildichte schier unglaublich. Mithilfe von zahlreichen Einspielern realer Schlachtszenen, einem dröhnenden und unheilvollen Soundtrack von Masaru Sato und dem von Tatsuya Nakadai dezent und zugleich bedeutungsschwanger vorgetragenem Erzählmonolog rast Okamoto durch die Details der politischen Hintergründe des Pazifikkrieges nur so hindurch, so dass einem beinahe schwindelig wird.
Als die Kabinettsmitglieder dann ihre zukunftsweisende Entscheidung zur Kapitulation getroffen haben, legt sich eine Totenstille über das Kabinett und der Sprecher sagt mit getragener Stimme: „So begann Japans längster Tag“. Mit dieser Szene kommt der Film zu einem Halt und wird zu einem Polit-Thriller mit viel Pathos und einem spannenden Wettlauf gegen die Zeit.
Okamoto hält gekonnt die Waage zwischen pathetischem Polit-Thriller und einem flotten Actionfilm. Mit dem Einbezug zahlreicher Kampfszenen sorgt er zudem dafür, dass das Geschehen nie zu trocken gerät, auch wenn man sich fragen kann, ob übertrieben hoch spritzende Blutfontänen in einem so auf Authentizität bemühten Film wirklich ihren Platz haben.
Neben der formal hervorragenden Inszenierung überzeugen aber auch, abgesehen von dem etwas zu stark chargierenden Toshio Kurosawa, die Schauspieler mit exzellenten Leistungen und die edle Cinematographie von Hiroshi Murai, die dem Film seine epochalen Ausmaße verleihen. Für Westler, die naturgemäß wenig über die japanische Seite des Krieges wissen, mag der Film mit seiner extremen Detailgetreue vielleicht eine harte Durchhalteprobe sein, doch „Japan's Longest Day“ ist sicherlich ein „sehr guter“ Film.
Insgesamt mag er wohl nicht sehr repräsentativ im Oeuvre seines Regisseurs sein, weshalb Okamoto selbst den Film als einen seiner schwächeren bezeichnet. Ein Jahr später sollte er dann seine Antwort auf das epochale Politik-Theater von „Japan's Longest Day“ inszenieren:
„The Human Bullet“ (1968), ein persönlicher Film, indem nicht die führenden Politiker, sondern ein einzelner Soldat im Zentrum der Handlung steht und der japanische Militarismus in aller Härte verurteilt wird.
Ironischerweise wäre die Finanzierung dieses pazifistischen, wesentlich persönlicheren „The Human Bullet“ ohne den großen Erfolg des unpersönlichen und ideologisch fragwürdigen Japan`s Longest Day wohl unmöglich gewesen.
Fazit:
Japan's Longest Day ist eine akribisch rekonstruierte, äußerst detailgetreue, wenn auch relativ unkritische Aufarbeitung der politischen Umstände, die zu Japans Kapitulation im weiten Weltkrieg führten. Auch wenn der Film als nicht repräsentativ im Oeuvre seines Regisseurs gesehen werden muss, ist er ein solide inszenierter, exzellent geschnittener und eindrucksvoll gespielter und „sehr guter“ Film, dessen edle Cinematographie und Laufzeit für die nötigen epochalen Ausmaße sorgen.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 19. 11. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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