Lady Gambler (1972)
Ein Film von Tai Kato
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Showa onna bakuto
Genre: Yakuza-Eiga, Ninkyo-Film
Regie: Tai Kato
Darsteller: Kyoko Enami (Tatsumi-no-Ofuji), Hiroki Matsukata (Tatsumi Shinjiro), Shigeru Amachi (Kiyoharu), Kanjuro Arashi, Tatsuo Endo (Sabu), Fumio Watanabe (Moritu), Michitaro Mizushima (Horikawa), Rin'ichi Yamamoto (Otawara), Akira Shioji (Horitoku), Junko Toda (Kimiko)
Drehbuch: Michio Honda (Buch: Shinji Fujiwara)
Kamera: Osamu Furuya
Musik: Chuji Kinoshita
Toei Company, 91 Minuten, Color
Showa onna bakuto
Genre: Yakuza-Eiga, Ninkyo-Film
Regie: Tai Kato
Darsteller: Kyoko Enami (Tatsumi-no-Ofuji), Hiroki Matsukata (Tatsumi Shinjiro), Shigeru Amachi (Kiyoharu), Kanjuro Arashi, Tatsuo Endo (Sabu), Fumio Watanabe (Moritu), Michitaro Mizushima (Horikawa), Rin'ichi Yamamoto (Otawara), Akira Shioji (Horitoku), Junko Toda (Kimiko)
Drehbuch: Michio Honda (Buch: Shinji Fujiwara)
Kamera: Osamu Furuya
Musik: Chuji Kinoshita
Toei Company, 91 Minuten, Color
Im Jahr 1972 war der Ninkyo-Film-Boom schon fast zu Ende. Junko Fuji verabschiedete sich im selben Jahr in den Ruhestand und auch die Filme der beiden anderen Ninkyo-Ikonen Ken Takakura und Koji Tsuruta schwächelten an den Kinokassen. Einer der letzten Versuche eine neue Ninkyo-Film-Reihe einzuführen war Lady Gambler mit der populären Darstellerin Kyoko Enami, die in den 1960er Jahren durch ihre Porträtierung unzähliger tragischer matabi, wandernder Glückspielerinnen, berühmt geworden war.
Der Film floppte an Kinokassen und keine Fortsetzung wurde gedreht, doch der Ninkyo-Film in seiner ursprünglichen Fassung hatte sowieso schon lange eine Transformation zu einem weit weniger idealisierenden und edelmütigen Genre durchgemacht. In vieler Hinsicht ist Lady Gambler ein exemplarischer Film für diesen Wandel und zeigt zudem Toei-Vertragsregisseur Tai Kato auf der Höhe seines Könnens.
Story:
Weil sie den Mord an ihrem Vater rächen will, greift die junge Fujiko (Kyoko Enami) eines Nachts seinen vermeintlichen Mörder an, der sich jedoch als unschuldiger Yakuza Shinjiro Tatsumi (Hiroko Matsukata) erweist, der Fujiko schließlich bei sich aufnimmt. Aus seiner Fürsorge wird schließlich eine Liebe zu Fujiko, so dass sie schon bald heiraten und eine glückliche Familie zusammen mit Tatsumis Gehilfen Sabu (Tatsuo Endo) bilden. Doch intern bröckelt die Fassade von Shinjiros glücklichen Leben. Der alte Oyabun Horikawa (Michitaro Mizushima) liegt im Sterben und will Tatsumi zu seinem Nachfolger bestimmen. Doch der intrigante Moritu (Fumio Watanabe) zeigt sich damit gar nicht einverstanden und ermordet den unliebsamen Nebenbuhler. Tief getroffen vom Tod ihres Mannes beschließt Fujiko von nun an zur wandernden Glückspielerin zu werden und begibt sich erneut auf einen Rachefeldzug an dessen Ende nur Moritos oder ihr eigener Tod stehen kann...
Kritik:
Inhaltlich springt Tai Kato gleich mitten ins Geschehen, als Fujiko einen der Mörder ihres Mannes kaltblütig umbringt. Eine brutale und realistische Mordszene, die perfekt den dreckigen und blutigen Feldzug Fujikos einleitet. Dieser Realismus war es, der Tai Katos Ninkyo-Filme gegenüber denen seiner Kollegen hervorstechen lässt. Doch stilistisch und inhaltlich entfernt er sich diesmal noch weiter vom idealisierenden Ton der frühen Ninkyo-Filme.
Die Stimmung ist düster und melancholisch und Fujikos Suche nach Rache wird nicht heroisch, sondern als ein tragischer Weg ins eigene Verderben dargestellt. Nur im Kontrast von dem idyllischen, beinahe kitschigen Szenen der Zweisamkeit von Fujiko und Tatsumi und dem darauf folgenden schmutzigen Pfad von Fujikos Rache scheint Lady Gambler noch völlig den plakativen Stilmitteln des Ninkyo-Film Tribut zu zollen, ansonsten ist es ein Film der deutlich mehr an legendäre Exploitation-Werke wie Lady Snowblood als an klassische Ninkyo-Film wie Brutal Tales of Chivalry erinnert.
Natürlich wird auch Hiroki Matsukatas Charakter weitgehendst unreflektiert als heroischer Held charakterisiert, doch eine solche Figurenzeichnung ist keine spezielle Eigenart des Ninkyo-Films, sondern generell der vereinfachenden Handlungsstrukturen eines Actionfilms zuzuordnen. Ebenso ist auch der Bösewicht ein widerliche, frauenschlagender Standard-Schurke, der allein durch die jähzornige Präsenz von Bösewichte-Darsteller Fumio Watanabe aufgewertet wird.
Aber in der Zeichnung seiner Frauenfiguren beweist Tai Kato eine untypische Sensibilität für seinen weiblichen Hauptcharakter und bringt ihr viel Sympathie entgegen, ohne ihren Rache-Feldzug jedoch jemals zu verherrlichen. Auch einer anderen Frau, gespielt von Junko Toda als bemitleidenswerte Affäre von Moritu, bringt er ein in Ninkyo-Filmen seltenes Mitgefühl entgegen. Stilistisch wählt er dabei seine charakteristischen Mittel wie niedrige Kamerapositionen, lange Takes und eine ausgeklügelte Mise-en-scene. Unterstützt wird er hierbei von einer typischen dichten und atmosphärischen musikalischen Untermalung von Chuji Kinoshita, der sich für einige der denkwürdigsten Filmmusiken des Genres verantwortlich zeigt.
Auch die Schauspieler überzeugen mit professionellen Standard-Performances. An erster Stelle steht natürlich Kyoko Enami, die eine bemerkenswerte Eleganz und Tragik in ihre Rolle hinein bringt, aber auch Rin’ichi Yamamoto in einer untypischen Rolle als alter, boshafter Politiker, der lieber im Hintergrund die Fäden zieht als sich persönlich mit seinen Feinden abzugeben, und auch Shigeru Amachi als einer der Mörder von Tatsumi bringen schauspielerische Klasse in den Film. Durch letzteren gewinnt der Film eine zweite moralische Ebene, da Shigeru Amachis Charakter ein netter Kerl ist, der sich rührend um seine kranke Frau kümmert, aber als Beteiligter am Tod von Fujikos Ehemann auch auf ihrer Todesliste steht.
Ein ebenfalls typischer, aber immer effektiver Ninkyo-Film-Subplot, der verhindert, dass die Standard-Rache-Geschichte allzu vorhersehbar und moralisch eindimensional wird. In den Kampfszenen ist Lady Gambler ebenfalls ein typischer Tai Kato-Film. Der Showdown ist blutig und äußerst realistisch inszeniert. Tai Kato wählt untypische und oftmals sehr nahe Kamerapositionen um seine Kämpfer aufzunehmen und verleiht dem Geschehen damit eine chaotische und dramaturgisch ausgeklügelte Komponente, der Lady Gambler fast zu einem Pflicht-Kauf für Ninkyo-Film-Fans macht.
Inzwischen habe ich schon einige Filme von Tai Kato gesehen und werde immer mehr in meiner Annahme bestätigt, dass es sich bei ihm um den vielleicht besten Ninkyo-Film-Regisseur überhaupt handelt, einer der dem Genre seine eigene Handschrift verpasste, aber die Inhalte des Ninkyo-Films nicht regimekritisch zersetzte, sondern weiterentwickelte und zum positiven transformierte.
Lady Gambler kann in dieser Hinsicht als exemplarisch gelten und ist ein Film, der dem Ninkyo-Film inhaltlich vielleicht keine Revolutionen bringt, aber dem Genre doch eine bemerkenswerte Frische verleiht, obgleich es im Jahr 1972 schon abgedroschen und ausgelutscht wirkte und über nicht mehr als einen Bruchteil seines einstigen Ruhmes verfügte.
Fazit:
Lady Gambler ist ein inszenatorisch bemerkenswerter Ninkyo-Film, dessen Innovationen jedoch eher stilistischer als inhaltlicher Natur sind. Dank technischer Professionalität, guter Schauspieler und besonders Tai Katos charakteristischer Handschrift dennoch ein "sehr guter" Film.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 28. 04. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Der Film floppte an Kinokassen und keine Fortsetzung wurde gedreht, doch der Ninkyo-Film in seiner ursprünglichen Fassung hatte sowieso schon lange eine Transformation zu einem weit weniger idealisierenden und edelmütigen Genre durchgemacht. In vieler Hinsicht ist Lady Gambler ein exemplarischer Film für diesen Wandel und zeigt zudem Toei-Vertragsregisseur Tai Kato auf der Höhe seines Könnens.
Story:
Weil sie den Mord an ihrem Vater rächen will, greift die junge Fujiko (Kyoko Enami) eines Nachts seinen vermeintlichen Mörder an, der sich jedoch als unschuldiger Yakuza Shinjiro Tatsumi (Hiroko Matsukata) erweist, der Fujiko schließlich bei sich aufnimmt. Aus seiner Fürsorge wird schließlich eine Liebe zu Fujiko, so dass sie schon bald heiraten und eine glückliche Familie zusammen mit Tatsumis Gehilfen Sabu (Tatsuo Endo) bilden. Doch intern bröckelt die Fassade von Shinjiros glücklichen Leben. Der alte Oyabun Horikawa (Michitaro Mizushima) liegt im Sterben und will Tatsumi zu seinem Nachfolger bestimmen. Doch der intrigante Moritu (Fumio Watanabe) zeigt sich damit gar nicht einverstanden und ermordet den unliebsamen Nebenbuhler. Tief getroffen vom Tod ihres Mannes beschließt Fujiko von nun an zur wandernden Glückspielerin zu werden und begibt sich erneut auf einen Rachefeldzug an dessen Ende nur Moritos oder ihr eigener Tod stehen kann...
Kritik:
Inhaltlich springt Tai Kato gleich mitten ins Geschehen, als Fujiko einen der Mörder ihres Mannes kaltblütig umbringt. Eine brutale und realistische Mordszene, die perfekt den dreckigen und blutigen Feldzug Fujikos einleitet. Dieser Realismus war es, der Tai Katos Ninkyo-Filme gegenüber denen seiner Kollegen hervorstechen lässt. Doch stilistisch und inhaltlich entfernt er sich diesmal noch weiter vom idealisierenden Ton der frühen Ninkyo-Filme.
Die Stimmung ist düster und melancholisch und Fujikos Suche nach Rache wird nicht heroisch, sondern als ein tragischer Weg ins eigene Verderben dargestellt. Nur im Kontrast von dem idyllischen, beinahe kitschigen Szenen der Zweisamkeit von Fujiko und Tatsumi und dem darauf folgenden schmutzigen Pfad von Fujikos Rache scheint Lady Gambler noch völlig den plakativen Stilmitteln des Ninkyo-Film Tribut zu zollen, ansonsten ist es ein Film der deutlich mehr an legendäre Exploitation-Werke wie Lady Snowblood als an klassische Ninkyo-Film wie Brutal Tales of Chivalry erinnert.
Natürlich wird auch Hiroki Matsukatas Charakter weitgehendst unreflektiert als heroischer Held charakterisiert, doch eine solche Figurenzeichnung ist keine spezielle Eigenart des Ninkyo-Films, sondern generell der vereinfachenden Handlungsstrukturen eines Actionfilms zuzuordnen. Ebenso ist auch der Bösewicht ein widerliche, frauenschlagender Standard-Schurke, der allein durch die jähzornige Präsenz von Bösewichte-Darsteller Fumio Watanabe aufgewertet wird.
Aber in der Zeichnung seiner Frauenfiguren beweist Tai Kato eine untypische Sensibilität für seinen weiblichen Hauptcharakter und bringt ihr viel Sympathie entgegen, ohne ihren Rache-Feldzug jedoch jemals zu verherrlichen. Auch einer anderen Frau, gespielt von Junko Toda als bemitleidenswerte Affäre von Moritu, bringt er ein in Ninkyo-Filmen seltenes Mitgefühl entgegen. Stilistisch wählt er dabei seine charakteristischen Mittel wie niedrige Kamerapositionen, lange Takes und eine ausgeklügelte Mise-en-scene. Unterstützt wird er hierbei von einer typischen dichten und atmosphärischen musikalischen Untermalung von Chuji Kinoshita, der sich für einige der denkwürdigsten Filmmusiken des Genres verantwortlich zeigt.
Auch die Schauspieler überzeugen mit professionellen Standard-Performances. An erster Stelle steht natürlich Kyoko Enami, die eine bemerkenswerte Eleganz und Tragik in ihre Rolle hinein bringt, aber auch Rin’ichi Yamamoto in einer untypischen Rolle als alter, boshafter Politiker, der lieber im Hintergrund die Fäden zieht als sich persönlich mit seinen Feinden abzugeben, und auch Shigeru Amachi als einer der Mörder von Tatsumi bringen schauspielerische Klasse in den Film. Durch letzteren gewinnt der Film eine zweite moralische Ebene, da Shigeru Amachis Charakter ein netter Kerl ist, der sich rührend um seine kranke Frau kümmert, aber als Beteiligter am Tod von Fujikos Ehemann auch auf ihrer Todesliste steht.
Ein ebenfalls typischer, aber immer effektiver Ninkyo-Film-Subplot, der verhindert, dass die Standard-Rache-Geschichte allzu vorhersehbar und moralisch eindimensional wird. In den Kampfszenen ist Lady Gambler ebenfalls ein typischer Tai Kato-Film. Der Showdown ist blutig und äußerst realistisch inszeniert. Tai Kato wählt untypische und oftmals sehr nahe Kamerapositionen um seine Kämpfer aufzunehmen und verleiht dem Geschehen damit eine chaotische und dramaturgisch ausgeklügelte Komponente, der Lady Gambler fast zu einem Pflicht-Kauf für Ninkyo-Film-Fans macht.
Inzwischen habe ich schon einige Filme von Tai Kato gesehen und werde immer mehr in meiner Annahme bestätigt, dass es sich bei ihm um den vielleicht besten Ninkyo-Film-Regisseur überhaupt handelt, einer der dem Genre seine eigene Handschrift verpasste, aber die Inhalte des Ninkyo-Films nicht regimekritisch zersetzte, sondern weiterentwickelte und zum positiven transformierte.
Lady Gambler kann in dieser Hinsicht als exemplarisch gelten und ist ein Film, der dem Ninkyo-Film inhaltlich vielleicht keine Revolutionen bringt, aber dem Genre doch eine bemerkenswerte Frische verleiht, obgleich es im Jahr 1972 schon abgedroschen und ausgelutscht wirkte und über nicht mehr als einen Bruchteil seines einstigen Ruhmes verfügte.
Fazit:
Lady Gambler ist ein inszenatorisch bemerkenswerter Ninkyo-Film, dessen Innovationen jedoch eher stilistischer als inhaltlicher Natur sind. Dank technischer Professionalität, guter Schauspieler und besonders Tai Katos charakteristischer Handschrift dennoch ein "sehr guter" Film.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 28. 04. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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