Punishment Island (1966)
Ein Film von Masahiro Shinoda
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Shokei no shima
Genre: Gendai-geki, Rache-Drama
Regie: Masahiro Shinoda
Darsteller: Akira Nitta (Saburo), Rentaro Mikuni (Daigoku), Shima Iwashita (Aya), Toshie Kimura, Kei Sato, Hosei Komatsu, Kinzo Shin, Kiyoshi Kinoshita, Yoshio Kubota, Joji Hosoda, Toshimi Hiramatsu, Ikuko Aso, Tomoe Matsuda, Yutaka Matsuura, Hiromatsu Miyagi, Shosuke Oni Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Shintaro Ishihara (Story: Taijun Takeda)
Kamera: Tatsuo Suzuki
Musik: Toru Takemitsu
Nissei Theatre, Daiei Studios, 87 Minuten, Color
Shokei no shima
Genre: Gendai-geki, Rache-Drama
Regie: Masahiro Shinoda
Darsteller: Akira Nitta (Saburo), Rentaro Mikuni (Daigoku), Shima Iwashita (Aya), Toshie Kimura, Kei Sato, Hosei Komatsu, Kinzo Shin, Kiyoshi Kinoshita, Yoshio Kubota, Joji Hosoda, Toshimi Hiramatsu, Ikuko Aso, Tomoe Matsuda, Yutaka Matsuura, Hiromatsu Miyagi, Shosuke Oni Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Shintaro Ishihara (Story: Taijun Takeda)
Kamera: Tatsuo Suzuki
Musik: Toru Takemitsu
Nissei Theatre, Daiei Studios, 87 Minuten, Color
Trotz seiner häufigen Verortung in die Reihen der Nuberu bagu, der japanischen Version der Nouvelle Vague, ist Masahiro Shinoda eigentlich ein typischer Fall eines Borderline-Regisseurs, dessen Werke sich stets an der Grenze zwischen effektivem Genrekino und Kunstfilm befanden.
Dies macht den Regisseur zugänglicher als manche seiner Kollegen wie Nagisa Oshima oder Yoshishige Yoshida, sorgt aber auch dafür, dass Shinoda einen etwas schwereren Stand bei elitäreren Kritikern hat. Mehr noch als bei seinen Kollegen erfordert die Analyse eines Shinoda-Films den Willen des Zuschauers, hinter die Fassade der herkömmlichen Filmhandlung zu sehen und die subversive Gesellschaftskritik herauszulesen.
Ein Paradefall für ein solches Werk zwischen Kunst und Genre-Routine ist "Punishment Island". Ein Film, der sich auf den ersten Blick kaum von seinen unzähligen Genregenoßen unterscheidet, in den Shinoda aber einige Portionen subversive Gesellschaftskritik einbindet, die sich nur dem Zuschauer erschließen, der bereit ist, die generischen Handlungsstrukturen analytisch zu durchdringen.
Story:
Unter dem Vorwand, einen Freund besuchen zu wollen, reist der Versicherungsvertreter Saburo (Akira Nitta) auf die Insel Kojima. Schnell wird jedoch klar, dass Saburo kein Fremder ist, sondern seine Jugend auf der Insel verbrachte, wo er in einer Besserungsanstalt unter der brutalen Fuchtel des Aufsehers und Ex-Militärs Daigoku (Rentaro Mikuni) zu leiden hatte. Nun sinnt er auf Rache an dem Militaristen, der inzwischen einsam auf einer benachbarten Insel lebt. Doch Saburos Suche nach Vergeltung wird jäh erschwert, als er Bekanntschaft mit Aya (Shima Iwashita), der Tochter Daigokus, macht und diese für ihn Zuneigung bekundet.
Kritik:
Wenn unser Held Saburo am Anfang von "Punishment Island" die Insel Kojima betritt, wissen wir noch nichts über ihn und seine Motive. Seine Geschichte erzählt Shinoda nämlich in fragementarischer Form, so dass immer wieder kurze, meist stumme Rückblenden die Handlung in der Gegenwart durchbrechen. Dadurch erschließt sich dem Zuschauer erst nach und nach die tragische Vergangenheit des Helden, welche untrennbar mir jener unwirtlichen Insel verbunden ist.
Was sich aus dieser raffinierten Erzählweise ergibt, ist dann eine fast routinierte Rachegeschichte. Im Zentrum steht ein tragischer Held, der sich für das Martyrium seiner Kindheit in einer Reformschule auf der Insel rächen will, in der er unter die Fuchtel eines sadistischen und brutalen Ex-Militärs kam, der ihn und seinen Mitgefangenen bei jeder Gelegenheit brutalste Gewalt zufügte.
Doch "Punishment Island" wäre kein Masahiro Shinoda-Film, würde der gesellschaftskritische Nuberu bagu-Regisseur die Handlung nicht allegorisch überhöhen. Dadurch, dass der Bösewicht ein versehrter Militär ist, transzendiert Shinoda den Film zu einer Kritik am Militarismus während des zweiten Weltkrieges.
Doch seine Kritik gilt nicht nur den Militaristen, die willkürlich Gewalt über ihre eigenen Leute walten ließen, sondern auch jenen, die dabei nur passiv zuschauten. Diese Facette des Faschismus wird hier durch die Figur des Lehrers verkörpert, der nach Außen hin ein ehrenwerter Mann ist und sogar ein Bild von Abraham Lincoln an der Wand hängen hat, aber zu feige ist, um sich dem Treiben der Authoritätsperson Daigoku entgegenzustellen.
Fast noch interessanter als diese an sich simple Handlung ist aber die formale Präsentation des Films. Die Aufnahmen der unwirtlichen und kargen Insel durch Meisterkameramann Tatsuo Suzuki wirken stets beunruhigend klaustrophobisch und dröge, so dass jene Gefangenschaft des jungen Saburo fast körperlich erfahrbar wird. Zusätzlich verstärkt wird die innere Spannung des Film durch die angesprochene fragmentierte Erzählweise und die minimalistische Filmmusik von Toru Takemitsu, welche in ihren wenigen Momenten mit brachialer Gewalt hervorbricht.
Inszenatorisch besonders interessant ist auch die finale Konfrontation zwischen Saburo und Daigoku, die Shinoda in einem mehrere Minuten langen, ununterbrochenem Take aus der Distanz festhält. Hier zeigt sich schon Shinodas Tendenz zu theatralischeren Inszenierungsformen, wie er sie in späteren Werken wie "Double Suicide" (1969) oder "Himiko" (1974) perfektionieren sollte.
Auch der Cast, mit versierten Charakterdarstellern wie Shin Kishida als Lehrer, Kei Sato oder Shinodas Ehefrau Shima Iwashita bestückt, leistet hervorragendes. Besonders überzeugend spielt wieder einmal Rentaro Mikuni
als humpelnder Militarist, der mit seiner bulligen Statur eine gehörige Bedrohlichkeit ausstrahlt und seine Krücken gerne mal als Schlagwerkzeug missbraucht. Spezielles Lob muss aber auch dem völlig unbekannten Akira Nitta gelten, der trotz seiner geringen Filmerfahrung die innere Wut seines stillen Heldens mit großer Intension verkörpert.
"Punishment Island" ist sicher nicht Shinodas inhaltlich reichhaltigstes Werk. Der innere Konflikt des Protagonisten gerät eher zur Randnotiz und auch seine Beziehung zu Shima Iwashitas Charakter hätte noch etwas stärker ausgebaut werden können, um der Rache des Helden eine noch ambivalentere und damit interessantere Note zu verleihen.
Letztendlich gewinnt der Film aber gerade durch die Beschränkung auf das Wesentlichste auch an Tempo, weshalb er mit seinen 87 Minuten zu den zugänglicheren Filmen Shinodas gehört und als guter Einstiegspunkt in das Werk dieses hochinteressanten Regisseurs dienen kann.
Fazit:
"Punishment Island" ist ein exzellent fotografiertes, schnörkellos erzähltes und toll gespieltes Rachedrama, welches mit seiner fragmentierten Erzählweise gehörige Spannung aufbaut und seine simple Rache-Geschichte durch geschickte Anspielung zu einer Allegorie auf die japanische Gesellschaft im zweiten Weltkrieg überhöht.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 30. 03. 2014
Geschrieben von Pablo Knote
Dies macht den Regisseur zugänglicher als manche seiner Kollegen wie Nagisa Oshima oder Yoshishige Yoshida, sorgt aber auch dafür, dass Shinoda einen etwas schwereren Stand bei elitäreren Kritikern hat. Mehr noch als bei seinen Kollegen erfordert die Analyse eines Shinoda-Films den Willen des Zuschauers, hinter die Fassade der herkömmlichen Filmhandlung zu sehen und die subversive Gesellschaftskritik herauszulesen.
Ein Paradefall für ein solches Werk zwischen Kunst und Genre-Routine ist "Punishment Island". Ein Film, der sich auf den ersten Blick kaum von seinen unzähligen Genregenoßen unterscheidet, in den Shinoda aber einige Portionen subversive Gesellschaftskritik einbindet, die sich nur dem Zuschauer erschließen, der bereit ist, die generischen Handlungsstrukturen analytisch zu durchdringen.
Story:
Unter dem Vorwand, einen Freund besuchen zu wollen, reist der Versicherungsvertreter Saburo (Akira Nitta) auf die Insel Kojima. Schnell wird jedoch klar, dass Saburo kein Fremder ist, sondern seine Jugend auf der Insel verbrachte, wo er in einer Besserungsanstalt unter der brutalen Fuchtel des Aufsehers und Ex-Militärs Daigoku (Rentaro Mikuni) zu leiden hatte. Nun sinnt er auf Rache an dem Militaristen, der inzwischen einsam auf einer benachbarten Insel lebt. Doch Saburos Suche nach Vergeltung wird jäh erschwert, als er Bekanntschaft mit Aya (Shima Iwashita), der Tochter Daigokus, macht und diese für ihn Zuneigung bekundet.
Kritik:
Wenn unser Held Saburo am Anfang von "Punishment Island" die Insel Kojima betritt, wissen wir noch nichts über ihn und seine Motive. Seine Geschichte erzählt Shinoda nämlich in fragementarischer Form, so dass immer wieder kurze, meist stumme Rückblenden die Handlung in der Gegenwart durchbrechen. Dadurch erschließt sich dem Zuschauer erst nach und nach die tragische Vergangenheit des Helden, welche untrennbar mir jener unwirtlichen Insel verbunden ist.
Was sich aus dieser raffinierten Erzählweise ergibt, ist dann eine fast routinierte Rachegeschichte. Im Zentrum steht ein tragischer Held, der sich für das Martyrium seiner Kindheit in einer Reformschule auf der Insel rächen will, in der er unter die Fuchtel eines sadistischen und brutalen Ex-Militärs kam, der ihn und seinen Mitgefangenen bei jeder Gelegenheit brutalste Gewalt zufügte.
Doch "Punishment Island" wäre kein Masahiro Shinoda-Film, würde der gesellschaftskritische Nuberu bagu-Regisseur die Handlung nicht allegorisch überhöhen. Dadurch, dass der Bösewicht ein versehrter Militär ist, transzendiert Shinoda den Film zu einer Kritik am Militarismus während des zweiten Weltkrieges.
Doch seine Kritik gilt nicht nur den Militaristen, die willkürlich Gewalt über ihre eigenen Leute walten ließen, sondern auch jenen, die dabei nur passiv zuschauten. Diese Facette des Faschismus wird hier durch die Figur des Lehrers verkörpert, der nach Außen hin ein ehrenwerter Mann ist und sogar ein Bild von Abraham Lincoln an der Wand hängen hat, aber zu feige ist, um sich dem Treiben der Authoritätsperson Daigoku entgegenzustellen.
Fast noch interessanter als diese an sich simple Handlung ist aber die formale Präsentation des Films. Die Aufnahmen der unwirtlichen und kargen Insel durch Meisterkameramann Tatsuo Suzuki wirken stets beunruhigend klaustrophobisch und dröge, so dass jene Gefangenschaft des jungen Saburo fast körperlich erfahrbar wird. Zusätzlich verstärkt wird die innere Spannung des Film durch die angesprochene fragmentierte Erzählweise und die minimalistische Filmmusik von Toru Takemitsu, welche in ihren wenigen Momenten mit brachialer Gewalt hervorbricht.
Inszenatorisch besonders interessant ist auch die finale Konfrontation zwischen Saburo und Daigoku, die Shinoda in einem mehrere Minuten langen, ununterbrochenem Take aus der Distanz festhält. Hier zeigt sich schon Shinodas Tendenz zu theatralischeren Inszenierungsformen, wie er sie in späteren Werken wie "Double Suicide" (1969) oder "Himiko" (1974) perfektionieren sollte.
Auch der Cast, mit versierten Charakterdarstellern wie Shin Kishida als Lehrer, Kei Sato oder Shinodas Ehefrau Shima Iwashita bestückt, leistet hervorragendes. Besonders überzeugend spielt wieder einmal Rentaro Mikuni
als humpelnder Militarist, der mit seiner bulligen Statur eine gehörige Bedrohlichkeit ausstrahlt und seine Krücken gerne mal als Schlagwerkzeug missbraucht. Spezielles Lob muss aber auch dem völlig unbekannten Akira Nitta gelten, der trotz seiner geringen Filmerfahrung die innere Wut seines stillen Heldens mit großer Intension verkörpert.
"Punishment Island" ist sicher nicht Shinodas inhaltlich reichhaltigstes Werk. Der innere Konflikt des Protagonisten gerät eher zur Randnotiz und auch seine Beziehung zu Shima Iwashitas Charakter hätte noch etwas stärker ausgebaut werden können, um der Rache des Helden eine noch ambivalentere und damit interessantere Note zu verleihen.
Letztendlich gewinnt der Film aber gerade durch die Beschränkung auf das Wesentlichste auch an Tempo, weshalb er mit seinen 87 Minuten zu den zugänglicheren Filmen Shinodas gehört und als guter Einstiegspunkt in das Werk dieses hochinteressanten Regisseurs dienen kann.
Fazit:
"Punishment Island" ist ein exzellent fotografiertes, schnörkellos erzähltes und toll gespieltes Rachedrama, welches mit seiner fragmentierten Erzählweise gehörige Spannung aufbaut und seine simple Rache-Geschichte durch geschickte Anspielung zu einer Allegorie auf die japanische Gesellschaft im zweiten Weltkrieg überhöht.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 30. 03. 2014
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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