Skull (1927)
Ein Film von Sentaro Shirai
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Dokuro
Genre: Jidai-geki, chanbara eiga
Regie: Sentaro Shirai
Darsteller: Utaemon Ichikawa (Reinosuke Ushio), Kokuten Kodo (Old servant), Daikichi Arashi (Sakuzaemon Okuno), Saburo Sawai (Keibu Chijiwa), Taki Akizuki (Tanba Shiba), Ritsuko Niizuma (Osetsu), Mirume Maya, Dojuro Kataoka (Genojo Tsukimura)
Drehbuch: Midori Sawato (Benshi)
Kamera: Ko Matsui
Musik: -
Utaemon Ichikawa Productions, 32 Minuten, S/W, Stumm
Dokuro
Genre: Jidai-geki, chanbara eiga
Regie: Sentaro Shirai
Darsteller: Utaemon Ichikawa (Reinosuke Ushio), Kokuten Kodo (Old servant), Daikichi Arashi (Sakuzaemon Okuno), Saburo Sawai (Keibu Chijiwa), Taki Akizuki (Tanba Shiba), Ritsuko Niizuma (Osetsu), Mirume Maya, Dojuro Kataoka (Genojo Tsukimura)
Drehbuch: Midori Sawato (Benshi)
Kamera: Ko Matsui
Musik: -
Utaemon Ichikawa Productions, 32 Minuten, S/W, Stumm
Read the English version of this review at easternkicks.com.
Am 6.8.1945 war der Regisseur Sentaro Shirai in Hiroshima stationiert. Am selben Tag traf eine Atombombe die Stadt. Fast 80.000 Menschen starben durch die Explosion, darunter auch Shirai. Bevor der zwangsrekrutierte Soldat im Rang eines Unterleutnants starb, hatte Shirai bereits fast 100 Filme gedreht und sich als Regisseur von packenden Jidai-geki einen Namen gemacht. Besonders sein Debüt, der vorliegende "Skull" wurde von der Kritik gefeiert.
"Skull" war die erste Eigenproduktion der Firma des Jidai-geki-Stars Utaemon Ichikawa. In den 1930er Jahren wurde Ichikawa als Darsteller von leichtfüßigen und aufrichtigen kyokaku ("ritterlicher Held") berühmt, spielte zu Anfang seiner Karriere aber auch tragische Rollen, die ganz den Gepflogenheiten der Zeit folgten.
Beeinflusst von den packenden und actionreichen Theaterstücken der Shinkokugeki-Bewegung ("Neues nationales Theater") adoptierte der Jidai-geki zu jener Zeit eine nihilistischere, regimekritische Weltsicht, beseelt von einer Ästhetik des Verlierens. Ein Paradebeispiel für diesen Trend ist auch "Skull". Ein Film, der besonders in seinen Kampfszenen eindrucksvolles zur Schau stellt.
Story:
Japan während der Sengoku-Zeit: Reinosuke Ushio (Utaemon Ichikawa), ein christlicher Lord im Dienste des Hojo-Clans, zieht in die Schlacht gegen das Shogunat. Während seine liebende Ehefrau Osetsu auf die Rückkehr ihres Helden wartet, geht das Gerücht in der Stadt umher, Reinosuke habe eine Geliebte. Von Eifersucht zerfressen beschließt Osetsu, das Haus der vermeintlichen Liebhaberin niederzubrennen und legt sich damit mit dem fanatischen Gesetzeshüter Chijiwa an...
Kritik:
Der japanische Stummfilm ist durch eine der höchsten Verfallsraten des Weltkinos gekennzeichnet. Heute existiert beinahe kein Werk der 1920er Jahre mehr. Es ist also immer ein kleines Wunder, wenn ein solcher Film gefunden wird, wenn auch äußerst selten in vollständiger Fassung. Von "Dokuro" existiert heute nur noch ein Fragment von 38 Minuten.
Es ist die Narration der immer exzellenten Midori Sawato, die dem Film geschickt Kohärenz verleiht. Stummfilme wurden in Japan zu jener Zeit stets von einem sogenannten Benshi ("Filmerzähler") begleitet, der den Charakteren ihre Stimmen verlieh und den Handlungsverlauf kommentierte. Heute gehört Midori Sawato zu den wenigen, die diese Tradition fortführen.
Untypischerweise stellt "Dokuro" einen christlichen Lord ins Zentrum der Handlung. Eine Entscheidung, die im Kontext der Zeit aber Sinn ergibt: Reinosuke ist ein Außenseiter im Kampf gegen ein ungerechtes System. Ein aussichtsloser Kampf, der das Schicksal unseres Helden besiegeln wird. Aber bis zuletzt behält er seine Integrität und stirbt im Einklang mit seinen edlen Idealen, das ist die "Ästhetik des Verlierens".
Utaemon Ichikawa, mit seiner eindrucksvollen Statur und edler Mimik, verleiht seinem Reinosuke die passende Würde des tragischen Heroen. Das Highlight des Films ist dabei ein fast 15-minütiges Gefecht, welche die Akrobatik von Ichikawa und das Talent von Sentaro Shirai zum Inszenieren von Kampfszenen zeigt.
Geschwächt von einer schweren Lungenerkrankung zieht sich Reinosuke in einen Tempel zurück. Dort lauern ihm bereits Assassinen auf, die den "Verräter" aufgrund seines Glaubens ermorden wollen. In einem schneeweißen Kimono, im Kontrast mit dem dunklen Farben des Tempels, erwehrt sich Reinosuke seinen Angreifern.
Sein Kampf ist kein leichter. Immer wieder bricht der Sterbende zusammen, zittert vor Erschöpfung, richtet sich doch stets wieder auf, um am Ende doch siegreich aus dem Gemetzel hervorzugehen. Sowohl ästhetisch, als auch in seiner flüssigen, dennoch aber stilisierten Choreographie sticht dieser Showdown als Höhepunkt des stummen Jidai-geki heraus.
Vielleicht ist es diese Sequenz, die einem das ganze Ausmaß von Sentaro Shirais verfrühtem Ableben vor Augen führt: Sein Tod war eine persönliche Tragödie, aber auch ein großer Verlust für das japanische Kino. In den Worten des ehrwürdigen Filmkritikers Tadao Sato: "Ich bin sicher, er wäre ein großartiger Regisseur geworden".
Fazit:
"Dokuro" ist ein bemerkenswertes Exemplar des systemkritischen Jidai-geki der 1920er Jahre, dessen typisch desillusionierte und tragische Sicht auf die Gesellschaft hier in einer packenden und exzellent choreographierten Kampfszene münden, die das Talent von Star Utaemon Ichikawa und Regisseur Sentaro Shirai zur Schau stellt.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 07. 08. 2016
Zweitveröffnlichung in englischer Sprache auf "easternkicks.net" am 18.08.2916
Geschrieben von Pablo Knote
Am 6.8.1945 war der Regisseur Sentaro Shirai in Hiroshima stationiert. Am selben Tag traf eine Atombombe die Stadt. Fast 80.000 Menschen starben durch die Explosion, darunter auch Shirai. Bevor der zwangsrekrutierte Soldat im Rang eines Unterleutnants starb, hatte Shirai bereits fast 100 Filme gedreht und sich als Regisseur von packenden Jidai-geki einen Namen gemacht. Besonders sein Debüt, der vorliegende "Skull" wurde von der Kritik gefeiert.
"Skull" war die erste Eigenproduktion der Firma des Jidai-geki-Stars Utaemon Ichikawa. In den 1930er Jahren wurde Ichikawa als Darsteller von leichtfüßigen und aufrichtigen kyokaku ("ritterlicher Held") berühmt, spielte zu Anfang seiner Karriere aber auch tragische Rollen, die ganz den Gepflogenheiten der Zeit folgten.
Beeinflusst von den packenden und actionreichen Theaterstücken der Shinkokugeki-Bewegung ("Neues nationales Theater") adoptierte der Jidai-geki zu jener Zeit eine nihilistischere, regimekritische Weltsicht, beseelt von einer Ästhetik des Verlierens. Ein Paradebeispiel für diesen Trend ist auch "Skull". Ein Film, der besonders in seinen Kampfszenen eindrucksvolles zur Schau stellt.
Story:
Japan während der Sengoku-Zeit: Reinosuke Ushio (Utaemon Ichikawa), ein christlicher Lord im Dienste des Hojo-Clans, zieht in die Schlacht gegen das Shogunat. Während seine liebende Ehefrau Osetsu auf die Rückkehr ihres Helden wartet, geht das Gerücht in der Stadt umher, Reinosuke habe eine Geliebte. Von Eifersucht zerfressen beschließt Osetsu, das Haus der vermeintlichen Liebhaberin niederzubrennen und legt sich damit mit dem fanatischen Gesetzeshüter Chijiwa an...
Kritik:
Der japanische Stummfilm ist durch eine der höchsten Verfallsraten des Weltkinos gekennzeichnet. Heute existiert beinahe kein Werk der 1920er Jahre mehr. Es ist also immer ein kleines Wunder, wenn ein solcher Film gefunden wird, wenn auch äußerst selten in vollständiger Fassung. Von "Dokuro" existiert heute nur noch ein Fragment von 38 Minuten.
Es ist die Narration der immer exzellenten Midori Sawato, die dem Film geschickt Kohärenz verleiht. Stummfilme wurden in Japan zu jener Zeit stets von einem sogenannten Benshi ("Filmerzähler") begleitet, der den Charakteren ihre Stimmen verlieh und den Handlungsverlauf kommentierte. Heute gehört Midori Sawato zu den wenigen, die diese Tradition fortführen.
Untypischerweise stellt "Dokuro" einen christlichen Lord ins Zentrum der Handlung. Eine Entscheidung, die im Kontext der Zeit aber Sinn ergibt: Reinosuke ist ein Außenseiter im Kampf gegen ein ungerechtes System. Ein aussichtsloser Kampf, der das Schicksal unseres Helden besiegeln wird. Aber bis zuletzt behält er seine Integrität und stirbt im Einklang mit seinen edlen Idealen, das ist die "Ästhetik des Verlierens".
Utaemon Ichikawa, mit seiner eindrucksvollen Statur und edler Mimik, verleiht seinem Reinosuke die passende Würde des tragischen Heroen. Das Highlight des Films ist dabei ein fast 15-minütiges Gefecht, welche die Akrobatik von Ichikawa und das Talent von Sentaro Shirai zum Inszenieren von Kampfszenen zeigt.
Geschwächt von einer schweren Lungenerkrankung zieht sich Reinosuke in einen Tempel zurück. Dort lauern ihm bereits Assassinen auf, die den "Verräter" aufgrund seines Glaubens ermorden wollen. In einem schneeweißen Kimono, im Kontrast mit dem dunklen Farben des Tempels, erwehrt sich Reinosuke seinen Angreifern.
Sein Kampf ist kein leichter. Immer wieder bricht der Sterbende zusammen, zittert vor Erschöpfung, richtet sich doch stets wieder auf, um am Ende doch siegreich aus dem Gemetzel hervorzugehen. Sowohl ästhetisch, als auch in seiner flüssigen, dennoch aber stilisierten Choreographie sticht dieser Showdown als Höhepunkt des stummen Jidai-geki heraus.
Vielleicht ist es diese Sequenz, die einem das ganze Ausmaß von Sentaro Shirais verfrühtem Ableben vor Augen führt: Sein Tod war eine persönliche Tragödie, aber auch ein großer Verlust für das japanische Kino. In den Worten des ehrwürdigen Filmkritikers Tadao Sato: "Ich bin sicher, er wäre ein großartiger Regisseur geworden".
Fazit:
"Dokuro" ist ein bemerkenswertes Exemplar des systemkritischen Jidai-geki der 1920er Jahre, dessen typisch desillusionierte und tragische Sicht auf die Gesellschaft hier in einer packenden und exzellent choreographierten Kampfszene münden, die das Talent von Star Utaemon Ichikawa und Regisseur Sentaro Shirai zur Schau stellt.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 07. 08. 2016
Zweitveröffnlichung in englischer Sprache auf "easternkicks.net" am 18.08.2916
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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