The Lower Depths (1957)
Ein Film von Akira Kurosawa
Bewertung: 8.5 von 10 Punkten = Überragend!
Donzoku
Genre: Jidai-geki, Theaterverfilmung
Regie: Akira Kurosawa
Darsteller: Toshiro Mifune (Sutekichi the Thief), Isuzu Yamada (Osugi the Landlady), Kyoko Kagawa (Okayo), Ganjiro Nakamura (Rokubei), Minoru Chiaki (Tonosama), Kamatari Fujiwara (The Actor), Akemi Negishi (Osen the Prostitute), Nijiko Kiyokawa (Otaki), Koji Mitsui (Yoshisaburo the Gambler), Eijiro Tono (Tomekichi the Tinker),
Haruo Tanaka (Tatsu), Eiko Miyoshi (Asa), Bokuzen Hidari (Kahei the Prilgrim),
Atsushi Watanabe (Kuna), Kichijiro Ueda (Shimazu the Police Agent), Yu Fujiki (Unokichi), Fujitayama (Tsugaru)
Drehbuch: Akira Kurosawa, Hideo Oguni (Theaterstück: Maxim Gorky)
Kamera: Kazuo Yamasaki
Musik: Masaru Sato
Toho Company, 137 Minuten, B/W
Donzoku
Genre: Jidai-geki, Theaterverfilmung
Regie: Akira Kurosawa
Darsteller: Toshiro Mifune (Sutekichi the Thief), Isuzu Yamada (Osugi the Landlady), Kyoko Kagawa (Okayo), Ganjiro Nakamura (Rokubei), Minoru Chiaki (Tonosama), Kamatari Fujiwara (The Actor), Akemi Negishi (Osen the Prostitute), Nijiko Kiyokawa (Otaki), Koji Mitsui (Yoshisaburo the Gambler), Eijiro Tono (Tomekichi the Tinker),
Haruo Tanaka (Tatsu), Eiko Miyoshi (Asa), Bokuzen Hidari (Kahei the Prilgrim),
Atsushi Watanabe (Kuna), Kichijiro Ueda (Shimazu the Police Agent), Yu Fujiki (Unokichi), Fujitayama (Tsugaru)
Drehbuch: Akira Kurosawa, Hideo Oguni (Theaterstück: Maxim Gorky)
Kamera: Kazuo Yamasaki
Musik: Masaru Sato
Toho Company, 137 Minuten, B/W
Zugegeben, ich bin nicht Akira Kurosawa größter Fan. Den Humanismus seiner Filme finde ich häufig plakativ und er neigt zu stilistischen Overstatements, was seinen ambitioniertesten Werken eine übertrieben ausufernde Laufzeit verleiht, doch auch für mich gibt es einen unumstößlichen Beweis für Kurosawas Talent, der seine Stellung als Japans bekanntester Regisseur zumindest teilweise rechtfertigt..
Kaum ein anderer Filmemacher verstand es so perfekt, aus einem motivierten Cast von talentierten Charakterdarstellern exzellente Leistungen herauszuholen und jedem Schauspieler eine Rolle auf den Leib zu schreiben, welche den Charakter zu Stoff für Film-Legenden machen sollte. In dieser Hinsicht stellt The Lower Depths, eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Maxim Gorky, wohl das perfekte Beispiel für Kurosawas meisterliche Schauspielführung dar, auch wenn der Film zu seinen stilistisch untypischsten Werken zählt.
Von den Baracken der russischen Elendsviertel verlegt er die Handlung in die japanischen Slums der Edo-Periode (1603 – 1868) und fährt seine eigenen didaktischen Ansprüche für einmal zurück, um einer legendären Truppe von meisterhaften Schauspielern das Zepter in die Hand und damit die Herrschaft über den Film zu überreichen.
Story:
In einem verkommenen Slum leben die gebrochenen und armseligen Verlierer des feudalen Japans, die ein trauriges Gossenleben am Rande der Gesellschaft führen. In ihrer Not flüchten sich die Bewohner des Slums in wilde Traumphantasien, die in ihnen einen letzten Rest Hoffnung wach hält. Der geschickte Dieb Sutekichi (Toshiro Mifune) träumt davon, dass Mädchen Okayo (Kyoko Kagawa) zu ehelichen, hat aber in Wahrheit eine Affäre mit ihrer boshaften Schwester Osugi (Isuzu Yamada), welche gemeinsam mit ihrem Mann Rokubei (Ganjiro Nakamura) ein billiges Mietshaus betreibt, in welchem ein buntes Sammelsurium an gescheiterten Existenzen lebt. Etwa ein ehemaliger Schauspieler (Kamatari Fujiwara), der sich aufgrund seines Alkoholismus nicht mehr an seine Texte erinnern kann oder die Prostituierte Osen, die von ihrem reichlich unglaubwürdigen Ex-Liebhaber schwärmt. Eines Tages kommt der Pilger Kahei (Bokuzen Hidari) in den Ort. Mit seiner gutherzigen Art und seinem optimistischen Wesen schafft er es, den Bewohnern des Slums wieder Hoffnung zu geben, auch wenn diese zwangsläufig an deren desillusionierendem Alltag zu zerbrechen droht.
Kritik:
Mehr noch als seine visuell opulenten Shakespeare-Adaptionen Throne of Blood und Ran ist The Lower Depths wohl die vollkommenste und ursprünglichste Theaterverfilmung Kurosawas. Anstelle seiner auf ausgeklügelter Montage basierenden Ästhetik setzt er in dieser Gorky-Verfilmung auf statische Aufnahmen und fast ausschließlich totalen Einstellungen, welche den Eindruck vermitteln, man würde einem Theaterstück beiwohnen. Die Handlung spielt sich meist in einer weitläufigen Miets- Baracke ab und nur wenige Szenen zeigen das Treiben des Slums in (ebenfalls stark flächigen und bühnenartigen) Außenaufnahmen.
Doch Kurosawa bricht diese bühnenartige Atmosphäre indem er mit langen Kamerafahrten und groben Schnitten zwischen den einzelnen handelnden Figuren des Films umherspringt und so eine perfekt auf die Darstellungen der Schauspieler konzentrierte Bildästhetik erschafft, die aber trotzdem weder monoton noch starr wirkt, sondern bei aller theaterhaftigkeit auch eigentümlich cineastisch daherkommt.
Mehr als an einen Kurosawa-Film erinnert dieser Stil dann auch an die visuell meisterlichen Filme eines Kenji Mizoguchi, zumal das Framing der einzelnen Aufnahmen durch die erlesene Kameraarbeit Kazuo Yamasakis immer wieder atemberaubende Aufnahmen hervorbringt und den Dreck und die Verkommenheit des Viertels mit perfektionistischem Realismus einfängt.
Diese vergleichsweise extrem zurückgenommene Bildästhetik dient primär dazu, den Schauspielerin genügend Raum zu lassen, ihre Fähigkeiten vollkommen zu entfalten. Schließlich lebt The Lower Depths von seinem großartigen Ensemble, welches der Japanexperte Donald Richie einmal treffen als ein "Wunder des Castings" bezeichnete.
Hier muss gesagt werden, dass ich ein großer Fan des japanischen Schauspiels bin und für keine Filmschaffenden so viel Bewunderung empfinde, wie für die unermüdlich arbeitenden Charakterdarsteller, welche das Japan der 1950er und 1960er Jahre hervorbrachte und die Nation damit einige Jahrzehnte lang über die großartigsten Schauspieler des Weltkinos verfügte.
Natürlich ist Kurosawas Lieblingsschauspieler Toshiro Mifune dabei, doch obwohl er eine nuancierte und typisch energetische Performance als verliebter Dieb Sutekichi abliefert, wird er von den wunderbaren Nebendarstellern des Films in den Schatten gestellt. Leute wie der erschreckend abgewrackt aussehende Kamatari Fujiwara, der hier eine bewegende und kraftvolle Performance als bemitleidenswerter Schauspieler mit massiven Alkoholproblemen abliefert, sind es, die das Zepter über den Film in der Hand halten.
Neben ihm sind es versierte Charakterdarsteller wie Ganjiro Nakamura als widerwärtiger Vermieter, Ninkyo-Film-Stammdarstellerin Nijiko Kiyokawa als verschlagene Straßenhändlerin, Kurosawa-Veteran Minoru Chiaki in einer kuriosen Rolle als verbitterter Penner, der behauptet, einmal Samurai gewesen zu sein (womit er sogar Recht hat, wenn man Minoru Chiakis legendäre Rolle als einer der namensgebenden Samurai in Kurosawas „The Seven Samurai“ bedenkt.), aber besonders auch der dauergrantige Eijiro Tono, der sich in seine Arbeit als Kunsthandwerker stürzt und dabei völlig vergisst, sich um seine todkranke Ehefrau zu kümmern, die für durchwegs exzellente Leistungen im Film sorgen.
Doch ein Darsteller überstrahlt alle Anderen: Es ist der uralt wirkende Bokuzen Hidari, dessen einmaliges Gesicht vor endloser Gram und Lebensmüdigkeit, aber auch Güte überzuquellen scheint, der sich schon mit seinem ersten Satz unsterblich in die Herzen der Zuschauer hineinspielt. Während er in so vielen anderen Filmen glücklose alte Männer spielt, verkörpert er hier überraschend den positivsten Charakter des Films, den guten Pilger Kahei, der versucht den Menschen des Slums mit seiner liebenswürdigen Art und weisen Sprüchen Hoffnung zu geben.
In einem denkwürdigen Dialog mit dem skeptischen Dieb äußert er ein einmal, „dass die Wahrheit nicht immer gut und umgekehrt, die Lüge nicht immer schlecht sei“ und weiter, dass „der Buddha für jeden existieren würde, der an ihn glaubt“. Dies scheint dann auch das essentielle Thema von The Lower Depths zu sein, denn alle Charaktere geben sich einem märchenhaften Traumgespinst hin, um ihrer hoffnungslosen Realität zu entfliehen.
Ihr Sprachgebrauch mag von Zynismus und Bitterkeit geprägt sein, doch innerlich versuchen alle sich eine Besserung ihrer Umstände oder zumindest eine Rechtfertigung für ihre gescheiterten Existenzen zu erträumen. Selbst dem Schauspieler kann der Pilger ein wenig Hoffnung geben, indem er ihm von der Existenz eines mystischen Tempel, der ihn von seiner Alkoholkrankheit heilen wird, erzählt.
Doch jene Traumgespinste vermögen es nur als äußerst wackelige Gerüste der Realitätsflucht zu dienen und so stürzt die Hoffnung der Slumbewohner angesichts ihres armseligen Daseins schon bald in sich zusammen. Dies macht aus The Lower Depths vielleicht Kurosawas pessimistischsten Film, zumal das Ende nicht den Hauch einer Erlösung verspricht, sondern der Film mit einer äußerst bösartigen Pointe ausklingt.
Bei all dem Lob muss auch gesagt werden., dass The Lower Depths ein überaus anstrengender Film ist. Über zwei Stunden folgen wir keiner kohärenten Handlung, sondern eher einer Abfolge von Momentaufnahmen aus dem Leben der handelnden Figuren und über zwei Stunden hören wir keinen Soundtrack (die wohl leicht verdientesten Credits in Komponist Masaru Satos Karriere) und sehen keine konkrete Action, sondern hören nur wunderbaren Charakterdarstellern beim Reden zu. Ihre Dialoge sind pointiert und clever, werden in der zweiten Filmhälfte aber meist schreiend vortragen (jeder der die kreischenden Schreilaute der japanischen Sprache kennt, weiß, wie strapazierend das sein kann).
The Lower Depths bleibt also ein Film für all jene, welche das japanische Schauspiel so sehr lieben wie ich und die bereit sind, ihr Verlangen nach konkreter Action einer wunderbaren Truppe an genialen Schauspielern und bissigen Dialogen zu opfern. Ein Film für all jene also die das Theater lieben, aber den naturgemäß spartanischen oder unnaturalistischen Sets einer Theateraufführung nicht wirklich etwas abgewinnen können.
Für all diese Menschen kann The Lower Depths ein überaus lohnendes Erlebnis darstellen, welches zudem wie kein anderer Film, die Fähigkeiten des japanischen Schauspiels vor Augen führt, wie es heute leider nicht mehr existiert.
Fazit:
The Lower Depths ist eine anstrengende, bittere und düstere Momentaufnahme aus den Slums des feudalen Japans, welche durch eine brillante Schauspieler-Truppe und eine intelligente Inszenierung überzeugt.
8.5 von 10 Punkten = Überragend!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 14. 05. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Kaum ein anderer Filmemacher verstand es so perfekt, aus einem motivierten Cast von talentierten Charakterdarstellern exzellente Leistungen herauszuholen und jedem Schauspieler eine Rolle auf den Leib zu schreiben, welche den Charakter zu Stoff für Film-Legenden machen sollte. In dieser Hinsicht stellt The Lower Depths, eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Maxim Gorky, wohl das perfekte Beispiel für Kurosawas meisterliche Schauspielführung dar, auch wenn der Film zu seinen stilistisch untypischsten Werken zählt.
Von den Baracken der russischen Elendsviertel verlegt er die Handlung in die japanischen Slums der Edo-Periode (1603 – 1868) und fährt seine eigenen didaktischen Ansprüche für einmal zurück, um einer legendären Truppe von meisterhaften Schauspielern das Zepter in die Hand und damit die Herrschaft über den Film zu überreichen.
Story:
In einem verkommenen Slum leben die gebrochenen und armseligen Verlierer des feudalen Japans, die ein trauriges Gossenleben am Rande der Gesellschaft führen. In ihrer Not flüchten sich die Bewohner des Slums in wilde Traumphantasien, die in ihnen einen letzten Rest Hoffnung wach hält. Der geschickte Dieb Sutekichi (Toshiro Mifune) träumt davon, dass Mädchen Okayo (Kyoko Kagawa) zu ehelichen, hat aber in Wahrheit eine Affäre mit ihrer boshaften Schwester Osugi (Isuzu Yamada), welche gemeinsam mit ihrem Mann Rokubei (Ganjiro Nakamura) ein billiges Mietshaus betreibt, in welchem ein buntes Sammelsurium an gescheiterten Existenzen lebt. Etwa ein ehemaliger Schauspieler (Kamatari Fujiwara), der sich aufgrund seines Alkoholismus nicht mehr an seine Texte erinnern kann oder die Prostituierte Osen, die von ihrem reichlich unglaubwürdigen Ex-Liebhaber schwärmt. Eines Tages kommt der Pilger Kahei (Bokuzen Hidari) in den Ort. Mit seiner gutherzigen Art und seinem optimistischen Wesen schafft er es, den Bewohnern des Slums wieder Hoffnung zu geben, auch wenn diese zwangsläufig an deren desillusionierendem Alltag zu zerbrechen droht.
Kritik:
Mehr noch als seine visuell opulenten Shakespeare-Adaptionen Throne of Blood und Ran ist The Lower Depths wohl die vollkommenste und ursprünglichste Theaterverfilmung Kurosawas. Anstelle seiner auf ausgeklügelter Montage basierenden Ästhetik setzt er in dieser Gorky-Verfilmung auf statische Aufnahmen und fast ausschließlich totalen Einstellungen, welche den Eindruck vermitteln, man würde einem Theaterstück beiwohnen. Die Handlung spielt sich meist in einer weitläufigen Miets- Baracke ab und nur wenige Szenen zeigen das Treiben des Slums in (ebenfalls stark flächigen und bühnenartigen) Außenaufnahmen.
Doch Kurosawa bricht diese bühnenartige Atmosphäre indem er mit langen Kamerafahrten und groben Schnitten zwischen den einzelnen handelnden Figuren des Films umherspringt und so eine perfekt auf die Darstellungen der Schauspieler konzentrierte Bildästhetik erschafft, die aber trotzdem weder monoton noch starr wirkt, sondern bei aller theaterhaftigkeit auch eigentümlich cineastisch daherkommt.
Mehr als an einen Kurosawa-Film erinnert dieser Stil dann auch an die visuell meisterlichen Filme eines Kenji Mizoguchi, zumal das Framing der einzelnen Aufnahmen durch die erlesene Kameraarbeit Kazuo Yamasakis immer wieder atemberaubende Aufnahmen hervorbringt und den Dreck und die Verkommenheit des Viertels mit perfektionistischem Realismus einfängt.
Diese vergleichsweise extrem zurückgenommene Bildästhetik dient primär dazu, den Schauspielerin genügend Raum zu lassen, ihre Fähigkeiten vollkommen zu entfalten. Schließlich lebt The Lower Depths von seinem großartigen Ensemble, welches der Japanexperte Donald Richie einmal treffen als ein "Wunder des Castings" bezeichnete.
Hier muss gesagt werden, dass ich ein großer Fan des japanischen Schauspiels bin und für keine Filmschaffenden so viel Bewunderung empfinde, wie für die unermüdlich arbeitenden Charakterdarsteller, welche das Japan der 1950er und 1960er Jahre hervorbrachte und die Nation damit einige Jahrzehnte lang über die großartigsten Schauspieler des Weltkinos verfügte.
Natürlich ist Kurosawas Lieblingsschauspieler Toshiro Mifune dabei, doch obwohl er eine nuancierte und typisch energetische Performance als verliebter Dieb Sutekichi abliefert, wird er von den wunderbaren Nebendarstellern des Films in den Schatten gestellt. Leute wie der erschreckend abgewrackt aussehende Kamatari Fujiwara, der hier eine bewegende und kraftvolle Performance als bemitleidenswerter Schauspieler mit massiven Alkoholproblemen abliefert, sind es, die das Zepter über den Film in der Hand halten.
Neben ihm sind es versierte Charakterdarsteller wie Ganjiro Nakamura als widerwärtiger Vermieter, Ninkyo-Film-Stammdarstellerin Nijiko Kiyokawa als verschlagene Straßenhändlerin, Kurosawa-Veteran Minoru Chiaki in einer kuriosen Rolle als verbitterter Penner, der behauptet, einmal Samurai gewesen zu sein (womit er sogar Recht hat, wenn man Minoru Chiakis legendäre Rolle als einer der namensgebenden Samurai in Kurosawas „The Seven Samurai“ bedenkt.), aber besonders auch der dauergrantige Eijiro Tono, der sich in seine Arbeit als Kunsthandwerker stürzt und dabei völlig vergisst, sich um seine todkranke Ehefrau zu kümmern, die für durchwegs exzellente Leistungen im Film sorgen.
Doch ein Darsteller überstrahlt alle Anderen: Es ist der uralt wirkende Bokuzen Hidari, dessen einmaliges Gesicht vor endloser Gram und Lebensmüdigkeit, aber auch Güte überzuquellen scheint, der sich schon mit seinem ersten Satz unsterblich in die Herzen der Zuschauer hineinspielt. Während er in so vielen anderen Filmen glücklose alte Männer spielt, verkörpert er hier überraschend den positivsten Charakter des Films, den guten Pilger Kahei, der versucht den Menschen des Slums mit seiner liebenswürdigen Art und weisen Sprüchen Hoffnung zu geben.
In einem denkwürdigen Dialog mit dem skeptischen Dieb äußert er ein einmal, „dass die Wahrheit nicht immer gut und umgekehrt, die Lüge nicht immer schlecht sei“ und weiter, dass „der Buddha für jeden existieren würde, der an ihn glaubt“. Dies scheint dann auch das essentielle Thema von The Lower Depths zu sein, denn alle Charaktere geben sich einem märchenhaften Traumgespinst hin, um ihrer hoffnungslosen Realität zu entfliehen.
Ihr Sprachgebrauch mag von Zynismus und Bitterkeit geprägt sein, doch innerlich versuchen alle sich eine Besserung ihrer Umstände oder zumindest eine Rechtfertigung für ihre gescheiterten Existenzen zu erträumen. Selbst dem Schauspieler kann der Pilger ein wenig Hoffnung geben, indem er ihm von der Existenz eines mystischen Tempel, der ihn von seiner Alkoholkrankheit heilen wird, erzählt.
Doch jene Traumgespinste vermögen es nur als äußerst wackelige Gerüste der Realitätsflucht zu dienen und so stürzt die Hoffnung der Slumbewohner angesichts ihres armseligen Daseins schon bald in sich zusammen. Dies macht aus The Lower Depths vielleicht Kurosawas pessimistischsten Film, zumal das Ende nicht den Hauch einer Erlösung verspricht, sondern der Film mit einer äußerst bösartigen Pointe ausklingt.
Bei all dem Lob muss auch gesagt werden., dass The Lower Depths ein überaus anstrengender Film ist. Über zwei Stunden folgen wir keiner kohärenten Handlung, sondern eher einer Abfolge von Momentaufnahmen aus dem Leben der handelnden Figuren und über zwei Stunden hören wir keinen Soundtrack (die wohl leicht verdientesten Credits in Komponist Masaru Satos Karriere) und sehen keine konkrete Action, sondern hören nur wunderbaren Charakterdarstellern beim Reden zu. Ihre Dialoge sind pointiert und clever, werden in der zweiten Filmhälfte aber meist schreiend vortragen (jeder der die kreischenden Schreilaute der japanischen Sprache kennt, weiß, wie strapazierend das sein kann).
The Lower Depths bleibt also ein Film für all jene, welche das japanische Schauspiel so sehr lieben wie ich und die bereit sind, ihr Verlangen nach konkreter Action einer wunderbaren Truppe an genialen Schauspielern und bissigen Dialogen zu opfern. Ein Film für all jene also die das Theater lieben, aber den naturgemäß spartanischen oder unnaturalistischen Sets einer Theateraufführung nicht wirklich etwas abgewinnen können.
Für all diese Menschen kann The Lower Depths ein überaus lohnendes Erlebnis darstellen, welches zudem wie kein anderer Film, die Fähigkeiten des japanischen Schauspiels vor Augen führt, wie es heute leider nicht mehr existiert.
Fazit:
The Lower Depths ist eine anstrengende, bittere und düstere Momentaufnahme aus den Slums des feudalen Japans, welche durch eine brillante Schauspieler-Truppe und eine intelligente Inszenierung überzeugt.
8.5 von 10 Punkten = Überragend!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 14. 05. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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