Morning for the Osone Family (1946)
Ein Film von Keisuke Kinoshita
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Osone-ke no Ashita
Genre: Gendai-geki, Haha-mono, Melodrama
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Haruko Sugimura (Fusako Osone), Toshinosuke Nagao (Ichiro Osone), Shin Tokudaiji (Taiji Osone), Mitsuko Miura (Yuko Osone), Shiro Osaka (Takashi Osone), Eitaro Ozawa (Issei Osone), Natsuko Kahara (Sachiko Osone), Junji Masuda (Akira Minari), Eijiro Tono (Ippei Yamaki) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Eijiro Hisaita
Kamera: Hiroshi Kusuda
Musik: ?
Shochiku Company, 81 Minuten, S/W
Osone-ke no Ashita
Genre: Gendai-geki, Haha-mono, Melodrama
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Haruko Sugimura (Fusako Osone), Toshinosuke Nagao (Ichiro Osone), Shin Tokudaiji (Taiji Osone), Mitsuko Miura (Yuko Osone), Shiro Osaka (Takashi Osone), Eitaro Ozawa (Issei Osone), Natsuko Kahara (Sachiko Osone), Junji Masuda (Akira Minari), Eijiro Tono (Ippei Yamaki) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Eijiro Hisaita
Kamera: Hiroshi Kusuda
Musik: ?
Shochiku Company, 81 Minuten, S/W
Selbst humanistische und liberale Regisseure wie Keisuke Kinoshita mussten sich im Japan der Kriegszeit dem Diktat einer militaristischen Propaganda unterwerfen, die Humanismus und Liberalismus bestrafte und uneingeschränkten Gehorsam und Opferungsbereitschaft verlangte. Insofern war das Kriegsende für viele Regisseure mit der Hoffnung verbunden, nun endlich künstlerische Freiheit zu erhalten.
Doch mit dem EInzug der amerikanischen Besatzungsmacht wurde die Filmwelt in eine neue Form der Diktatur hineingezogen. Eine Diktatur des amerikanischen Verständnisses von Demokratie, in der Jidai-geki verboten, Kommunisten gnadenlos verfolgt und Filme nur gefördert wurden, wenn sie demokratische Werte ins Zentrum ihrer Handlung stellten. Dennoch kann man sich vorstellen, dass zumindest der letzte Punkt einem gewissen Keisuke Kinoshita keine großen Probleme bereitet haben dürfte.
Der vorliegende "Morning for the Osone Family" war der erste Film, den Kinoshita nach Kriegsende drehte und gab, wenn auch diktiert von der amerikanischen Regierung, dem sensiblen Regisseur endlich die Möglichkeit, seine Unzufriedenheit mit der vorangegangen Militärregierung und seine Hoffnungen auf die Vorzüge eines demokratischen und freien Japans auf Zelluloid zu bannen.
Story:
In einer schneebefallenen Nacht im Jahre 1943 feiert die Familie Osone das Weihnachtsfest. Doch die Idylle ist trügerisch, denn einer der Gäste, Akira Minari (Junji Masuda), muss aufbrechen, da er an die Front berufen wurde, was besonders seiner Verlobten, Yuko Osone (Mitsuko Miura), zusetzt. Als dann noch Beamte der Kempeita ins Haus hineinplatzen, um den ältesten Sohn Ichiro (Toshinosuke Nagao) wegen eines liberalen Artikels zu verhaften, ist es mit der Ruhe vorbei. Nur mehr verblieben mit ihrer Tochter, ihrem Sohn Taiji (Shin Tokudaiji), einem Maler, der ebenfalls kurz vor der Einberufung steht, und Takashi (Shiro Osaka), dem jüngsten Mitglied der Familie, versucht Fusako Osone (Haruko Sugimura), ihre restliche Familie zusammenzuhalten. Ein Umstand, der sich schwierig gestaltet, denn Issei Osone (Eitaro Ozawa), der militaristische Bruder ihres verstorbenen Ehemanns, streckt schon seine Finger nach den restlichen Familienmitgliedern aus und will sie für den "ehrenvollen" Kriegsdienst fürs Vaterland gewinnen...
Kritik:
Schon in der Titelsequenz, wenn die Kamera über zerbombte Ruinen japanischer Gebäude fährt, lässt
Keisuke Kinoshita keinen Zweifel daran aufkommen, mit "Morning for the Osone Family" einen Kommentar zum Nachkriegsjapan drehen zu wollen. Umso überraschender, dass unsere Hauptfiguren in der nächsten Szene inmitten einer familiären Feier am Weihnachtsabend eingeführt werden. Während draußen der Schnee vom Himmel fällt, wird in der gemütlichen Stube eine japanisierte Version des Weihnachtsliedes "Stille Nacht, heilige Nacht" gesungen.
Doch diese, durch das Zelebrieren eines ganz und gar unjapanischen Festes, liberale und idyllische Stimmung ist trügerisch, denn kurz danach wird klar, dass das Fest ein Abschied für Akira, den Verlobten der einzigen Osone-Tochter ist. Als dann noch Männer der Kempeita, der Militärpolizei des faschistoiden japanischen Staates, bei der Familie einkehren, ist die stille Andacht des Weihnachtsfestes dann auch jäh vorbei und das Drama von "Morning for the Osone Family" beginnt.
Anhand jedes einzelnen Mitglieds dieser liberalen und liebevollen Familie, observiert Kinoshita eine der tragischen Facetten des Krieges. Die Tochter wird von ihrem Freund getrennt, der an die Front berufen wird, ein Sohn wird für seine liberalen Ansichten zum politischen Gefangenen, ein anderer erkrankt im Militär-Lazarett schwer und wird so an seiner Berufung des Malens gehindert und der jüngste Sohn stürzt sich sogar begeistert in den Kriegseinsatz - all dies mit fatalen Folgen für die Familie.
Ein solcher Film, der den japanischen Militarismus anklagt, hätte leicht zur politischen Propaganda verkommen können. Eine positive und progressive Propaganda vielleicht, aber dennoch heuchlerisch und unehrlich, diktiert von der amerikanischen Besatzungsmacht. Glücklicherweise bemüht sich Keisuke Kinoshita die Mitglieder der Familie nicht zu politischen Sinnbildern zu machen, sondern ihre Figuren angesichts ihres großen Leides mit authentischen Emotionen aufzuladen.
Selbst der militaristische Onkel, ohne Zweifel ein stereotyper und unreflektierter Figurentyp in anderen politisch-motivierten Filmen dieser Art, erweist sich als relativ dreidimensionaler Charakter. Er hängt einer fehlgeleiteten Ideologie an und stürzt die Familie mit seinen Kriegsbemühungen fast ins Verderben, doch auch seine Emotionen wirken authentisch.
Ein Umstand, der besonders Eitaro Ozawas hervorragender Performance anzurechen ist. Das Glück seines Charakters, wenn ein Sohn der Osone-Familie sich für eine Kamikaze-Mission einschreibt, wirkt überraschend echt, ebenso seine Enttäuschung, als Japan den Krieg schließlich verliert. Dies macht seine Figur noch hassenswerter, so dass die obligatorische Konfontation zwischen ihm und der Mutter am Ende des Films umso kraftvoller anmutet.
Letztlich ist "Morning for the Osone Family" ein Haha-mono, ein klassischer "Mutter-Film". Das Melodrama der Mutter, welche ein Kind nach dem anderen verliert, steht im Vordergrund. Haruko Sugimura spielt diese Mutter nuanciert als eine herzliche, aber passive Frau, die es erst in den letzten Filmminuten schafft, sich von der Fuchtel des patriarchischen Onkels zu befreien und deren zunehmende Verzweiflung sich nicht in ihren Aktionen, sondern in ihrem in Trauer versteinerten Gesicht abspielt.
Stilistisch wählt Kinoshita hier die Form eines Kammerspiels ohne Effektballast oder Kriegsszenen . Nur am Ende verlassen wir die beengenden Räume des Osone-Anwesens, Kamera und Montage bleiben stets auf den Charakteren und ihren gefühlsbeladenen Gesichtern zentriert. Dies sorgt für eine unspektakuläre, aber effektive Inszenierung. Wer jedoch nach den wilden Stilexperimenten späterer Kinoshita-Filme sucht, der sollte sich nach einem anderen Film in dessen eindrucksvollem Ouevre umsehen.
"Morning for the Osone Family" mag zu einem gewissen Punkt das Produkt der amerikanischen Besatzungsmacht sein, welche demokratische Gedanken fördern wollte, in seinen authentisch und sensible gezeichneten Charakteren und seinem unforcierten Optimismus ist er aber fest im Werk Keisuke Kinoshitas verankert. Insofern kann der "Morgen" im Titel des Films auch auf die folgende Karriere Keisuke Kinoshitas bezogen werden.
Nicht nur die überlebenden Mitglieder der Familie Osone schöpfen mit Blick auf ein Japan ohne Krieg und Militarismus neue Hoffnung, das Kriegsende war auch ein sinnbildlicher "Morgen" für Keisuke Kinoshita, der sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem der authentischsten und humanistischsten Förderer, aber auch Kritiker dieses "neuen" Japans entwickeln sollte.
Fazit:
"Morning for the Osone Family" ist ein authentisch inszeniertes und subtil gespieltes Nachkriegswerk über das Leid des Krieges, welches dank der wahrhaftigen Charaktere nur selten ins Didaktische übergleitet und dessen Tragödie letztlich in der optimistischen Hoffnung auf ein besseres Leben nach Kriegsende aufgeht.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 12. 10. 2014
Geschrieben von Pablo Knote
Doch mit dem EInzug der amerikanischen Besatzungsmacht wurde die Filmwelt in eine neue Form der Diktatur hineingezogen. Eine Diktatur des amerikanischen Verständnisses von Demokratie, in der Jidai-geki verboten, Kommunisten gnadenlos verfolgt und Filme nur gefördert wurden, wenn sie demokratische Werte ins Zentrum ihrer Handlung stellten. Dennoch kann man sich vorstellen, dass zumindest der letzte Punkt einem gewissen Keisuke Kinoshita keine großen Probleme bereitet haben dürfte.
Der vorliegende "Morning for the Osone Family" war der erste Film, den Kinoshita nach Kriegsende drehte und gab, wenn auch diktiert von der amerikanischen Regierung, dem sensiblen Regisseur endlich die Möglichkeit, seine Unzufriedenheit mit der vorangegangen Militärregierung und seine Hoffnungen auf die Vorzüge eines demokratischen und freien Japans auf Zelluloid zu bannen.
Story:
In einer schneebefallenen Nacht im Jahre 1943 feiert die Familie Osone das Weihnachtsfest. Doch die Idylle ist trügerisch, denn einer der Gäste, Akira Minari (Junji Masuda), muss aufbrechen, da er an die Front berufen wurde, was besonders seiner Verlobten, Yuko Osone (Mitsuko Miura), zusetzt. Als dann noch Beamte der Kempeita ins Haus hineinplatzen, um den ältesten Sohn Ichiro (Toshinosuke Nagao) wegen eines liberalen Artikels zu verhaften, ist es mit der Ruhe vorbei. Nur mehr verblieben mit ihrer Tochter, ihrem Sohn Taiji (Shin Tokudaiji), einem Maler, der ebenfalls kurz vor der Einberufung steht, und Takashi (Shiro Osaka), dem jüngsten Mitglied der Familie, versucht Fusako Osone (Haruko Sugimura), ihre restliche Familie zusammenzuhalten. Ein Umstand, der sich schwierig gestaltet, denn Issei Osone (Eitaro Ozawa), der militaristische Bruder ihres verstorbenen Ehemanns, streckt schon seine Finger nach den restlichen Familienmitgliedern aus und will sie für den "ehrenvollen" Kriegsdienst fürs Vaterland gewinnen...
Kritik:
Schon in der Titelsequenz, wenn die Kamera über zerbombte Ruinen japanischer Gebäude fährt, lässt
Keisuke Kinoshita keinen Zweifel daran aufkommen, mit "Morning for the Osone Family" einen Kommentar zum Nachkriegsjapan drehen zu wollen. Umso überraschender, dass unsere Hauptfiguren in der nächsten Szene inmitten einer familiären Feier am Weihnachtsabend eingeführt werden. Während draußen der Schnee vom Himmel fällt, wird in der gemütlichen Stube eine japanisierte Version des Weihnachtsliedes "Stille Nacht, heilige Nacht" gesungen.
Doch diese, durch das Zelebrieren eines ganz und gar unjapanischen Festes, liberale und idyllische Stimmung ist trügerisch, denn kurz danach wird klar, dass das Fest ein Abschied für Akira, den Verlobten der einzigen Osone-Tochter ist. Als dann noch Männer der Kempeita, der Militärpolizei des faschistoiden japanischen Staates, bei der Familie einkehren, ist die stille Andacht des Weihnachtsfestes dann auch jäh vorbei und das Drama von "Morning for the Osone Family" beginnt.
Anhand jedes einzelnen Mitglieds dieser liberalen und liebevollen Familie, observiert Kinoshita eine der tragischen Facetten des Krieges. Die Tochter wird von ihrem Freund getrennt, der an die Front berufen wird, ein Sohn wird für seine liberalen Ansichten zum politischen Gefangenen, ein anderer erkrankt im Militär-Lazarett schwer und wird so an seiner Berufung des Malens gehindert und der jüngste Sohn stürzt sich sogar begeistert in den Kriegseinsatz - all dies mit fatalen Folgen für die Familie.
Ein solcher Film, der den japanischen Militarismus anklagt, hätte leicht zur politischen Propaganda verkommen können. Eine positive und progressive Propaganda vielleicht, aber dennoch heuchlerisch und unehrlich, diktiert von der amerikanischen Besatzungsmacht. Glücklicherweise bemüht sich Keisuke Kinoshita die Mitglieder der Familie nicht zu politischen Sinnbildern zu machen, sondern ihre Figuren angesichts ihres großen Leides mit authentischen Emotionen aufzuladen.
Selbst der militaristische Onkel, ohne Zweifel ein stereotyper und unreflektierter Figurentyp in anderen politisch-motivierten Filmen dieser Art, erweist sich als relativ dreidimensionaler Charakter. Er hängt einer fehlgeleiteten Ideologie an und stürzt die Familie mit seinen Kriegsbemühungen fast ins Verderben, doch auch seine Emotionen wirken authentisch.
Ein Umstand, der besonders Eitaro Ozawas hervorragender Performance anzurechen ist. Das Glück seines Charakters, wenn ein Sohn der Osone-Familie sich für eine Kamikaze-Mission einschreibt, wirkt überraschend echt, ebenso seine Enttäuschung, als Japan den Krieg schließlich verliert. Dies macht seine Figur noch hassenswerter, so dass die obligatorische Konfontation zwischen ihm und der Mutter am Ende des Films umso kraftvoller anmutet.
Letztlich ist "Morning for the Osone Family" ein Haha-mono, ein klassischer "Mutter-Film". Das Melodrama der Mutter, welche ein Kind nach dem anderen verliert, steht im Vordergrund. Haruko Sugimura spielt diese Mutter nuanciert als eine herzliche, aber passive Frau, die es erst in den letzten Filmminuten schafft, sich von der Fuchtel des patriarchischen Onkels zu befreien und deren zunehmende Verzweiflung sich nicht in ihren Aktionen, sondern in ihrem in Trauer versteinerten Gesicht abspielt.
Stilistisch wählt Kinoshita hier die Form eines Kammerspiels ohne Effektballast oder Kriegsszenen . Nur am Ende verlassen wir die beengenden Räume des Osone-Anwesens, Kamera und Montage bleiben stets auf den Charakteren und ihren gefühlsbeladenen Gesichtern zentriert. Dies sorgt für eine unspektakuläre, aber effektive Inszenierung. Wer jedoch nach den wilden Stilexperimenten späterer Kinoshita-Filme sucht, der sollte sich nach einem anderen Film in dessen eindrucksvollem Ouevre umsehen.
"Morning for the Osone Family" mag zu einem gewissen Punkt das Produkt der amerikanischen Besatzungsmacht sein, welche demokratische Gedanken fördern wollte, in seinen authentisch und sensible gezeichneten Charakteren und seinem unforcierten Optimismus ist er aber fest im Werk Keisuke Kinoshitas verankert. Insofern kann der "Morgen" im Titel des Films auch auf die folgende Karriere Keisuke Kinoshitas bezogen werden.
Nicht nur die überlebenden Mitglieder der Familie Osone schöpfen mit Blick auf ein Japan ohne Krieg und Militarismus neue Hoffnung, das Kriegsende war auch ein sinnbildlicher "Morgen" für Keisuke Kinoshita, der sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem der authentischsten und humanistischsten Förderer, aber auch Kritiker dieses "neuen" Japans entwickeln sollte.
Fazit:
"Morning for the Osone Family" ist ein authentisch inszeniertes und subtil gespieltes Nachkriegswerk über das Leid des Krieges, welches dank der wahrhaftigen Charaktere nur selten ins Didaktische übergleitet und dessen Tragödie letztlich in der optimistischen Hoffnung auf ein besseres Leben nach Kriegsende aufgeht.
8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 12. 10. 2014
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
created by Nippon-Kino.net
all rights reserved.
all rights reserved.