Samurai Assassin (1965)
Ein Film von Kihachi Okamoto
Bewertung: 9 von 10 Punkten = Meisterwerk!
Samurai
Genre: Jidai-geki, Chambara, Zongoku jidai mono
Regie: Kihachi Okamoto
Darsteller: Toshiro Mifune (Tsuruchiyo Niiro), Keiju Kobayashi (Einosuke Kurihara), Michiyo Aratama (Okiku/Kikuhime), Yunosuke Ito (Kenmotsu Hoshino), Eijiro Tono (Masagoro KisDa oya), Tatsuyoshi Ehara (Ichigoro Hayama), Tadao Nakamura (Shigezo Inada), Kaoru Yachigusa (Mitsu) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Shinobu Hashimoto (Buch: Jiromasa Gunji)
Kamera: Hiroshi Murai
Musik: Masaru Sato
Mifune Productions, Toho Company, 122 Minuten, S/W
Samurai
Genre: Jidai-geki, Chambara, Zongoku jidai mono
Regie: Kihachi Okamoto
Darsteller: Toshiro Mifune (Tsuruchiyo Niiro), Keiju Kobayashi (Einosuke Kurihara), Michiyo Aratama (Okiku/Kikuhime), Yunosuke Ito (Kenmotsu Hoshino), Eijiro Tono (Masagoro KisDa oya), Tatsuyoshi Ehara (Ichigoro Hayama), Tadao Nakamura (Shigezo Inada), Kaoru Yachigusa (Mitsu) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Shinobu Hashimoto (Buch: Jiromasa Gunji)
Kamera: Hiroshi Murai
Musik: Masaru Sato
Mifune Productions, Toho Company, 122 Minuten, S/W
In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann die jahrhundertelange Herrschaft des Tokugawa-Shogunats langsam ins Wanken zu geraten. Im Jahr 1853 waren vier schwarze Schlachtschiffe unter dem Befehl des Kommodore Matthew Perry (1794 - 1858) vor der japanischen Küste aufgetaucht und verlangten die Öffnung einiger japanischer Häfen für die Handelsschiffe des Westens. Das Shogunat verweigerte, so dass Perry unverrichteter Dinge abziehen musste. Ein Jahr später kehrte er jedoch wieder zurück - mit noch mehr Schlachtschiffen - und erwirkte die gewaltsame Öffnung der Häfen in Nagasaki, Shomoda und Hakodate.
Mit diesem historischen Ereignis brach ein Zeitalter des Umbruchs, genannt Bakumatsu, heran. Mit der Öffnung der Häfen musste das Shogunat eine langjährige Politik der Isolation gegenüber dem Westen beenden und verlor damit gehörig an Einfluss. Bald schon war der Shogun Iemochi nur noch eine Marionettenpuppe und der wahre Herrscher des Reiches hieß Naosuke Ii (1815 - 1860). Seine Macht festigte der Tairo (Regent) mit der gnadenlosen Ansei-Säuberung, in deren Verlauf er zahlreiche politische Gegner innerhalb des Shogunats hinrichten ließ.
In seiner Politik verfolgte Ii die Öffnung Japans für den Westen, was ihm zahlreiche Feinde unter der Kriegerkaste der Samurai einbrachte. Genauso wie das Shogunat hatten die Samurai im Verlauf der 1850er Jahre viel an Einfluss verloren und waren in zahlreiche militante Gruppen von unterschiedlichster politischer Ausprägung zersplittert, die nun mit brutalen Mitteln um die Vorherrschaft im alten Japan kämpften.
Es war eine Zeit der politischen Gewalt, in der Mordanschläge und politische Intrigen zur Tagesordnung gehörten. Eine Zeit, in der nicht nur militante, pro-Shogunat-Gruppierung wie die legendäre Shinsengumi auf den Plan traten, sondern auch progressive und liberale Zeitgenoßen wie Ryoma Sakamoto versuchten, Japan zu revolutionieren. Beinahe alle fanden jedoch in den brutalen Wirrungen jener Zeiten ihr Ende und fielen einem Anschlag von irgendeiner der unzähligen Parteien zum Opfer.
Auch Naosuke Ii starb bei einem als Sakuradamon-Vorfall (1860) bekannt gewordenen Attentat, welches von fanatischen Ronin aus Mito ausgeführt wurde. Mit seinem Tod endete das Zeitalter des Shogunats und auch die Samurai konnten sich nicht mehr lange halten und verschwanden bald zugunsten eines neuen Kapitels der japanischen Geschichte. Diesem einschneidenden Ereignis widmet sich Kihachi Okamoto in seinem zeitenwenderischen Meisterwerk "Samurai Assassin", welches die Ermordung Naosuke Iis in das Zentrum der Handlung stellt.
Wer nun vermutet, dass die geschichtliche Einleitung für diese Kritik zu ausufernd ist, der muss sich vor Augen führen, dass "Samurai Assassin" einer der komplexesten und detailliertesten Filme der Jidai-geki-Geschichte ist. Er ist aber auch einer der besten Film jenes Genres, welcher wie kaum ein anderes Werk den Wahnsinn und die brutale Absurdität einer Epoche beschreibt, in der Menschlichkeit und die essentielle Vernunft im festen Glauben an eine irrwitzige politische Ideologie geopfert wurden.
Story:
Das Jahr 1860: Der Ronin Tsuruchiyo Niiro (Toshiro Mifune), unehelicher Sohn eines ihm unbekannten Samurai, schließt sich einer Gruppierung berüchtigter Ronin aus Mito an, welcher einen Anschlag auf den japanischen Regenten (Tairo) Naosuke Ii (Hakuo Matsumoto) plant. Mit seiner Ermordung will der Mito-Clan die von Ii angestrebte Öffnung Japans für den Westen verhindern, um so das schwindende Zeitalter der Samurai zu retten. Nachdem der geplante Anschlag beim ersten Versuch jedoch fehlschlägt, vermutet Kenmotsu Hoshino (Yunosuke Ito), der Anführer der Mito-Ronin, einen Verräter in den eigenen Reihen. Sein Verdacht fällt auf Niiro und dessen besten Freund, den noblen Samurai Einosuke Kurihara (Keiju Kobayashi) und er lässt beide überprüfen. Stück für Stück lüften Hoshinos Männer die Geheimnisse um Niiros Motiv und bald schon erweist sich dieser als verzweifelte Existenz, dessen tragische Lebensumstände ihn gezwungen haben, mit aller Gewalt nach Ruhm und Status zu streben, um sich so einen bewegenden Lebenstraum erfüllen zu können...
Kritik:
"Samurai Assassin" ist bestimmt kein guter Einstiegspunkt in die Welt der Jidai-geki. Die oben aufgeführten Geschichtsdaten bilden nur die grundlegende Basis zum Verständnis des Films. Neben diesem obligatorischen Grundwissen erfordert das eindrucksvoll detaillierte Drehbuch von Großmeister Shinobu Hashimoto auch eine hohe Auffassungsgabe vom Zuschauer, denn die Handlung des Films setzt sich aus unzähligen Parteien, Wendungen und Verästelungen in den Personenkonstellationen zusammen und dies alles, in Form einer nicht-linearen, sich aus Rückblenden zusammensetztenden Narration.
Dies macht aus dem Film einen der komplexesten Jidai-geki aller Zeiten, in dessen überbordendem Ausmaß in Historiendetails sich so mancher unbescholtener Filmfan schnell verlieren kann. Wer jedoch mit dem nötigen Grundwissen gewappnet (was durch meine Einleitung zumindest teilweise gegeben sein sollte) an den Film herangeht, der wird belohnt werden, denn inmitten all der trockenen politischen Handlungen verbirgt sich ein überraschend humanistisches und tief bewegendes Drama, in dessen Zentrum unser Held Tsuruchiyo Niiro steht.
Durch zahlreiche Rückblenden erschließt sich uns nach und nach seine tragische Vergangenheit, die seine zahlreichen Fehler im Jetzt verständlich machen. Toshiro Mifune zeichnet seinen Niiro als groben Hitzkopf, der von seinen eigenen Ambitionen geblendet wird, verleiht ihm mit seinem natürlichen Charisma und seiner unglaublichen Energie aber zugleich die Präsenz einer liebenswerten Identifikationsfigur, deren Abstieg ins Unheil man mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination verfolgt.
Und wenn Mifunes Niiro dann am unteren Ende seiner fatalen Abwärtsspirale angekommen ist, dann wohnen wir einem wahrlich niederschmetternden Finale bei. Der Moment, wenn Niiro, den Kopf seines Widersachers auf seinem Schwert aufgespießt, durch einen Schneesturm wankt, brennt sich unweigerlich ins Gedächtnis ein und gehört zu den unvergesslichsten und tragischsten Bildern der Jidai-geki-Geschichte.
Zusammen mit dem amoralische Meisterwerk "Sword of Doom" (1966) ist "Samurai Assassin" wohl der düsterste und bitterste Film von Kihachi Okamoto, dessen Handlungsverlauf mit einem tiefen Nihilismus und zahlreichen melodramatischen Wendungen durchsetzt ist. Mehr noch als auf das große Melodrama, zielt Okamoto aber auf die groteske Absurdität der Aktionen seiner Charaktere ab.
Letztlich erweist sich "Samurai Assassin" nämlich als ein Film über Leute, die schlechte Entscheidungen treffen. Jede Entscheidung, welche die von Ambitionen geblendeten Charaktere im Film treffen und jede Aktion, die sie danach ausführen, richtet sich letztlich gegen sie selbst.
Der Mito-Clan etwa will Naosuke Ii töten, um den Status der Samurai zu erhalten, dabei hat Ii eigentlich genau dieselben Intentionen und bezeichnet sich selbst einmal als einziger Stützpfeiler der Samurai. Falls die Mito-Ronin ihn also töteten, würden sie damit ihr eigenes Schicksal besiegeln. Solche folgenschwere Fehlentscheidungen bestimmen den ganzen Film und verleihen ihm seinen einzigartigen grotesken Nihilismus.
In "Samurai Assassin" gibt es keine Helden und keine heroischen Taten, sondern nur einen Kleinkrieg halb wahnsinnig gewordener Männer, die sich mit den besten und edelsten Intentionen gegenseitig niedermetzeln, um am Ende selbst zu scheitern. Dies macht den Film zu einem Meisterwerk des Nihilismus und zu einem der kraftvollsten Statements gegen die Absurdität der politischen Gewalt.
Die meisten Fehler begeht aber unser Held Niiro. In vielerlei Hinsicht ist er der ambitionierteste Charakter im Film und umso niederschmetternder ist dann die Tatsache, dass er mit den besten Intentionen und höchsten Vorsätzen lachenden Auges in den Untergang rast. Toshiro Mifune ist hier in einer seiner besten Rollen, abseits eines Kurosawa-Films zu sehen:
Er spielt seine Hauptfigur mit der selben energetischen Präsenz wie zu seinen Kurosawa-Zeiten, welche mit dem tragischen und bitteren Handlungsverlauf des Films kontrastieren, was "Samurai Assassin" seine emotionale Wucht verleiht. Auch neben Mifune bietet der Film ein paar der eindrücklichsten Performances auf Seiten seiner meisterlichen Nebendarsteller.
Yunosuke Ito ist hier in einer seiner besten Rollen zu sehen. Seinen psychopathischen und paranoiden Mito-Clanführer spielt er mit eindrücklich brodelnder und bedrohlicher Präsenz, die einen frappanten Kontrast zu seinen komödiantischen Rollen in Okamoto-Filmen wie "Red Lion" (1969) oder "Ah, Bomb" (1964) darstellt. Auch Eijiro Tono ist exzellent und verleibt dem Dilemma seiner Rolle mehr Drama und bewegende Emotionalität ein, als bei seinem relativ kleinen Part eigentlich möglich sein sollte.
Ebenfalls erwähnenswert ist Michiyo Aratama als Bardame, zu der Niiro eine geheimnisvolle Verbindung zu haben scheint. Erst langsam erkennt sie Niiros wahre Intentionen und beginnt Mitleid für ihn zu entwickeln, was sie angesichts ihrer Hilflosigkeit im Umgang mit dem ungestümen Niiro in eine wahrlich vertrackte Situation bringt.
Zuletzt muss auch Keiju Kobayashi als humanistischer Samurai erwähnt werden. Bezeichnend für seine bewegende Schauspielleistung ist die Szene, in der er Ziel eines Anschlages wird. Jener Moment gehört zu den überzeugendsten Anschlagsszenen überhaupt, gerade weil sich Kobayashis Charakter nicht in endlosen Gnadegesuchen ergießt, sondern, völlig verwirrt, immerzu, "Warum?!" ruft.
Dieses fast shakesspearische Drama bettet Okamotos Stammkameramann Hiroshi Murai in eine präzise und teils atemberaubende Bildsprache mit zahlreichen wundervollen Kamerafahrten ein. Besonders der Kampf am Schluss in einem eiskalten Schneesturm ist exzellent und wird noch durch Kihachi Okamotos gnadenlosen Realismus, Mut zur Brutalität und charakteristisch enorm ökonomischen und rythmischen Schnitt aufgewertet.
Ebenfalls bezeichnend für Okamoto in seiner Hochphase in den 1960er Jahren, wird auch der Soundtrack pointiert in den Film eingebunden und akzentuiert mit dem Einsatz einer Bambusflöte und monotonen Trommelwirbeln den Fatalismus des Films und das unausweichliche Desaster des Handlunsgverlaufs.
Dies macht "Samurai Assassin" zu einem der besten Filme von Meisterregisseur Kihachi Okamoto. Es gibt sicher viele Filmexperten, welche die augenscheinlich persönlicheren Komödien mit der als "Kihachi Touch" bekannt gewordenen Verbindung von Drama und absurder Komik bevorzugen, doch trotz seiner ernsthaften Herangehensweise fügt sich der Film erstaunlich gut in das Gesamtwerk des Regisseurs ein.
Es ist ein Film, der die Sinnlosigkeit der Gewalt beschreibt, indem er die ambitionierten Handlungen seiner Charaktere ins Absurde verkehrt. In dieser Hinsicht also ein typischer Okamoto-Film, dessen Drama und überraschenden Wendungen ihm die nötige emotionale Wucht verleihen und dessen Nihilismus, grotesker Irrsinn und eindrucksvoll komplexes Drehbuch ihn vor jeglicher Sentimentalität bewahren.
Fazit:
"Samurai Assassin" ist ein nihilistisches Meisterwerk des düsteren Jidai-geki-Kinos, welches seine Charaktere mit niederschmettender Konsequenz und intelligenter Demaskierung jeglicher Heroisierung ins Unheil stürzen lässt. Das verwickelte, extrem komplizierte Drehbuch von Shinobu Hashimoto, exzellente Leistungen seiner Darsteller und die perfekte Inszenierung verleihen dem Film die nötige Integrität zur Veranschaulichung seiner tragischen Handlung.
9 von 10 Punkten = Meisterwerk!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 26. 11. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Mit diesem historischen Ereignis brach ein Zeitalter des Umbruchs, genannt Bakumatsu, heran. Mit der Öffnung der Häfen musste das Shogunat eine langjährige Politik der Isolation gegenüber dem Westen beenden und verlor damit gehörig an Einfluss. Bald schon war der Shogun Iemochi nur noch eine Marionettenpuppe und der wahre Herrscher des Reiches hieß Naosuke Ii (1815 - 1860). Seine Macht festigte der Tairo (Regent) mit der gnadenlosen Ansei-Säuberung, in deren Verlauf er zahlreiche politische Gegner innerhalb des Shogunats hinrichten ließ.
In seiner Politik verfolgte Ii die Öffnung Japans für den Westen, was ihm zahlreiche Feinde unter der Kriegerkaste der Samurai einbrachte. Genauso wie das Shogunat hatten die Samurai im Verlauf der 1850er Jahre viel an Einfluss verloren und waren in zahlreiche militante Gruppen von unterschiedlichster politischer Ausprägung zersplittert, die nun mit brutalen Mitteln um die Vorherrschaft im alten Japan kämpften.
Es war eine Zeit der politischen Gewalt, in der Mordanschläge und politische Intrigen zur Tagesordnung gehörten. Eine Zeit, in der nicht nur militante, pro-Shogunat-Gruppierung wie die legendäre Shinsengumi auf den Plan traten, sondern auch progressive und liberale Zeitgenoßen wie Ryoma Sakamoto versuchten, Japan zu revolutionieren. Beinahe alle fanden jedoch in den brutalen Wirrungen jener Zeiten ihr Ende und fielen einem Anschlag von irgendeiner der unzähligen Parteien zum Opfer.
Auch Naosuke Ii starb bei einem als Sakuradamon-Vorfall (1860) bekannt gewordenen Attentat, welches von fanatischen Ronin aus Mito ausgeführt wurde. Mit seinem Tod endete das Zeitalter des Shogunats und auch die Samurai konnten sich nicht mehr lange halten und verschwanden bald zugunsten eines neuen Kapitels der japanischen Geschichte. Diesem einschneidenden Ereignis widmet sich Kihachi Okamoto in seinem zeitenwenderischen Meisterwerk "Samurai Assassin", welches die Ermordung Naosuke Iis in das Zentrum der Handlung stellt.
Wer nun vermutet, dass die geschichtliche Einleitung für diese Kritik zu ausufernd ist, der muss sich vor Augen führen, dass "Samurai Assassin" einer der komplexesten und detailliertesten Filme der Jidai-geki-Geschichte ist. Er ist aber auch einer der besten Film jenes Genres, welcher wie kaum ein anderes Werk den Wahnsinn und die brutale Absurdität einer Epoche beschreibt, in der Menschlichkeit und die essentielle Vernunft im festen Glauben an eine irrwitzige politische Ideologie geopfert wurden.
Story:
Das Jahr 1860: Der Ronin Tsuruchiyo Niiro (Toshiro Mifune), unehelicher Sohn eines ihm unbekannten Samurai, schließt sich einer Gruppierung berüchtigter Ronin aus Mito an, welcher einen Anschlag auf den japanischen Regenten (Tairo) Naosuke Ii (Hakuo Matsumoto) plant. Mit seiner Ermordung will der Mito-Clan die von Ii angestrebte Öffnung Japans für den Westen verhindern, um so das schwindende Zeitalter der Samurai zu retten. Nachdem der geplante Anschlag beim ersten Versuch jedoch fehlschlägt, vermutet Kenmotsu Hoshino (Yunosuke Ito), der Anführer der Mito-Ronin, einen Verräter in den eigenen Reihen. Sein Verdacht fällt auf Niiro und dessen besten Freund, den noblen Samurai Einosuke Kurihara (Keiju Kobayashi) und er lässt beide überprüfen. Stück für Stück lüften Hoshinos Männer die Geheimnisse um Niiros Motiv und bald schon erweist sich dieser als verzweifelte Existenz, dessen tragische Lebensumstände ihn gezwungen haben, mit aller Gewalt nach Ruhm und Status zu streben, um sich so einen bewegenden Lebenstraum erfüllen zu können...
Kritik:
"Samurai Assassin" ist bestimmt kein guter Einstiegspunkt in die Welt der Jidai-geki. Die oben aufgeführten Geschichtsdaten bilden nur die grundlegende Basis zum Verständnis des Films. Neben diesem obligatorischen Grundwissen erfordert das eindrucksvoll detaillierte Drehbuch von Großmeister Shinobu Hashimoto auch eine hohe Auffassungsgabe vom Zuschauer, denn die Handlung des Films setzt sich aus unzähligen Parteien, Wendungen und Verästelungen in den Personenkonstellationen zusammen und dies alles, in Form einer nicht-linearen, sich aus Rückblenden zusammensetztenden Narration.
Dies macht aus dem Film einen der komplexesten Jidai-geki aller Zeiten, in dessen überbordendem Ausmaß in Historiendetails sich so mancher unbescholtener Filmfan schnell verlieren kann. Wer jedoch mit dem nötigen Grundwissen gewappnet (was durch meine Einleitung zumindest teilweise gegeben sein sollte) an den Film herangeht, der wird belohnt werden, denn inmitten all der trockenen politischen Handlungen verbirgt sich ein überraschend humanistisches und tief bewegendes Drama, in dessen Zentrum unser Held Tsuruchiyo Niiro steht.
Durch zahlreiche Rückblenden erschließt sich uns nach und nach seine tragische Vergangenheit, die seine zahlreichen Fehler im Jetzt verständlich machen. Toshiro Mifune zeichnet seinen Niiro als groben Hitzkopf, der von seinen eigenen Ambitionen geblendet wird, verleiht ihm mit seinem natürlichen Charisma und seiner unglaublichen Energie aber zugleich die Präsenz einer liebenswerten Identifikationsfigur, deren Abstieg ins Unheil man mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination verfolgt.
Und wenn Mifunes Niiro dann am unteren Ende seiner fatalen Abwärtsspirale angekommen ist, dann wohnen wir einem wahrlich niederschmetternden Finale bei. Der Moment, wenn Niiro, den Kopf seines Widersachers auf seinem Schwert aufgespießt, durch einen Schneesturm wankt, brennt sich unweigerlich ins Gedächtnis ein und gehört zu den unvergesslichsten und tragischsten Bildern der Jidai-geki-Geschichte.
Zusammen mit dem amoralische Meisterwerk "Sword of Doom" (1966) ist "Samurai Assassin" wohl der düsterste und bitterste Film von Kihachi Okamoto, dessen Handlungsverlauf mit einem tiefen Nihilismus und zahlreichen melodramatischen Wendungen durchsetzt ist. Mehr noch als auf das große Melodrama, zielt Okamoto aber auf die groteske Absurdität der Aktionen seiner Charaktere ab.
Letztlich erweist sich "Samurai Assassin" nämlich als ein Film über Leute, die schlechte Entscheidungen treffen. Jede Entscheidung, welche die von Ambitionen geblendeten Charaktere im Film treffen und jede Aktion, die sie danach ausführen, richtet sich letztlich gegen sie selbst.
Der Mito-Clan etwa will Naosuke Ii töten, um den Status der Samurai zu erhalten, dabei hat Ii eigentlich genau dieselben Intentionen und bezeichnet sich selbst einmal als einziger Stützpfeiler der Samurai. Falls die Mito-Ronin ihn also töteten, würden sie damit ihr eigenes Schicksal besiegeln. Solche folgenschwere Fehlentscheidungen bestimmen den ganzen Film und verleihen ihm seinen einzigartigen grotesken Nihilismus.
In "Samurai Assassin" gibt es keine Helden und keine heroischen Taten, sondern nur einen Kleinkrieg halb wahnsinnig gewordener Männer, die sich mit den besten und edelsten Intentionen gegenseitig niedermetzeln, um am Ende selbst zu scheitern. Dies macht den Film zu einem Meisterwerk des Nihilismus und zu einem der kraftvollsten Statements gegen die Absurdität der politischen Gewalt.
Die meisten Fehler begeht aber unser Held Niiro. In vielerlei Hinsicht ist er der ambitionierteste Charakter im Film und umso niederschmetternder ist dann die Tatsache, dass er mit den besten Intentionen und höchsten Vorsätzen lachenden Auges in den Untergang rast. Toshiro Mifune ist hier in einer seiner besten Rollen, abseits eines Kurosawa-Films zu sehen:
Er spielt seine Hauptfigur mit der selben energetischen Präsenz wie zu seinen Kurosawa-Zeiten, welche mit dem tragischen und bitteren Handlungsverlauf des Films kontrastieren, was "Samurai Assassin" seine emotionale Wucht verleiht. Auch neben Mifune bietet der Film ein paar der eindrücklichsten Performances auf Seiten seiner meisterlichen Nebendarsteller.
Yunosuke Ito ist hier in einer seiner besten Rollen zu sehen. Seinen psychopathischen und paranoiden Mito-Clanführer spielt er mit eindrücklich brodelnder und bedrohlicher Präsenz, die einen frappanten Kontrast zu seinen komödiantischen Rollen in Okamoto-Filmen wie "Red Lion" (1969) oder "Ah, Bomb" (1964) darstellt. Auch Eijiro Tono ist exzellent und verleibt dem Dilemma seiner Rolle mehr Drama und bewegende Emotionalität ein, als bei seinem relativ kleinen Part eigentlich möglich sein sollte.
Ebenfalls erwähnenswert ist Michiyo Aratama als Bardame, zu der Niiro eine geheimnisvolle Verbindung zu haben scheint. Erst langsam erkennt sie Niiros wahre Intentionen und beginnt Mitleid für ihn zu entwickeln, was sie angesichts ihrer Hilflosigkeit im Umgang mit dem ungestümen Niiro in eine wahrlich vertrackte Situation bringt.
Zuletzt muss auch Keiju Kobayashi als humanistischer Samurai erwähnt werden. Bezeichnend für seine bewegende Schauspielleistung ist die Szene, in der er Ziel eines Anschlages wird. Jener Moment gehört zu den überzeugendsten Anschlagsszenen überhaupt, gerade weil sich Kobayashis Charakter nicht in endlosen Gnadegesuchen ergießt, sondern, völlig verwirrt, immerzu, "Warum?!" ruft.
Dieses fast shakesspearische Drama bettet Okamotos Stammkameramann Hiroshi Murai in eine präzise und teils atemberaubende Bildsprache mit zahlreichen wundervollen Kamerafahrten ein. Besonders der Kampf am Schluss in einem eiskalten Schneesturm ist exzellent und wird noch durch Kihachi Okamotos gnadenlosen Realismus, Mut zur Brutalität und charakteristisch enorm ökonomischen und rythmischen Schnitt aufgewertet.
Ebenfalls bezeichnend für Okamoto in seiner Hochphase in den 1960er Jahren, wird auch der Soundtrack pointiert in den Film eingebunden und akzentuiert mit dem Einsatz einer Bambusflöte und monotonen Trommelwirbeln den Fatalismus des Films und das unausweichliche Desaster des Handlunsgverlaufs.
Dies macht "Samurai Assassin" zu einem der besten Filme von Meisterregisseur Kihachi Okamoto. Es gibt sicher viele Filmexperten, welche die augenscheinlich persönlicheren Komödien mit der als "Kihachi Touch" bekannt gewordenen Verbindung von Drama und absurder Komik bevorzugen, doch trotz seiner ernsthaften Herangehensweise fügt sich der Film erstaunlich gut in das Gesamtwerk des Regisseurs ein.
Es ist ein Film, der die Sinnlosigkeit der Gewalt beschreibt, indem er die ambitionierten Handlungen seiner Charaktere ins Absurde verkehrt. In dieser Hinsicht also ein typischer Okamoto-Film, dessen Drama und überraschenden Wendungen ihm die nötige emotionale Wucht verleihen und dessen Nihilismus, grotesker Irrsinn und eindrucksvoll komplexes Drehbuch ihn vor jeglicher Sentimentalität bewahren.
Fazit:
"Samurai Assassin" ist ein nihilistisches Meisterwerk des düsteren Jidai-geki-Kinos, welches seine Charaktere mit niederschmettender Konsequenz und intelligenter Demaskierung jeglicher Heroisierung ins Unheil stürzen lässt. Das verwickelte, extrem komplizierte Drehbuch von Shinobu Hashimoto, exzellente Leistungen seiner Darsteller und die perfekte Inszenierung verleihen dem Film die nötige Integrität zur Veranschaulichung seiner tragischen Handlung.
9 von 10 Punkten = Meisterwerk!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 26. 11. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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