Twilight Story (1960)
Ein Film von Shiro Toyoda
Bewertung: 9 von 10 Punkten = Meisterwerk!
Bokuto kitan
Genre: Gendai-geki, Akasen eiga, Melodrama
Regie: Shiro Toyoda
Darsteller: Fujiko Yamamoto (Oyuki), Hiroshi Akutagawa (Jumpei Taneda),
Michiyo Aratama (Mitsuko), Nobuko Otowa (Kyoko Yamai), Keiko Awaji (Ofusa), Eijiro Tono (Yamai), Nobuo Nakamura (Sanji), Seiji Miyaguchi (Yoshizo),
Masao Oda (Otokichi) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Toshio Yasumi (Buch: Kofu Nagai)
Kamera: Masao Tamai
Musik: Ikuma Dan
Toho Company, 120 Minuten, S/W
Bokuto kitan
Genre: Gendai-geki, Akasen eiga, Melodrama
Regie: Shiro Toyoda
Darsteller: Fujiko Yamamoto (Oyuki), Hiroshi Akutagawa (Jumpei Taneda),
Michiyo Aratama (Mitsuko), Nobuko Otowa (Kyoko Yamai), Keiko Awaji (Ofusa), Eijiro Tono (Yamai), Nobuo Nakamura (Sanji), Seiji Miyaguchi (Yoshizo),
Masao Oda (Otokichi) Gesamten Cast anzeigen...
Drehbuch: Toshio Yasumi (Buch: Kofu Nagai)
Kamera: Masao Tamai
Musik: Ikuma Dan
Toho Company, 120 Minuten, S/W
Read the English version of this review at easternkicks.com.
Dank seiner zahlreichen feministisch gesinnten Regisseure hat sich kaum ein nationales Kino so ausführlich mit dem Leid von Frauen der Arbeiterschicht beschäftigt wie das Japanische. Die wohl kritischsten dieser Filme widmen sich dabei den Hostessen und Prostituierten, welche die Vergnügunsvierteln der Großstädte wie Kyotos Gion- oder Edos Yoshiwara-Distrikt bevölkerten.
Sogenannte Akasen eiga (Rotlicht-Filme) gewannen erstmals in den 1930er Jahren an Popularität, meist unter der Regie von Kenji Mizoguchi, doch erst in der Nachkriegs-Ära erreicht das Sub-Genre mit exzellenten Werken von Regisseuren wie Mikio Naruse, Yuzo Kawashima oder Heinosuke Gosho sein volles Potential.
Ein anderer Regisseur von solchen Filmen war Shiro Toyoda. Heute ist Toyoda vorallem für seine nuancierten Adaptationen von japanischer Hochliteratur bekannt. Eines seiner Meisterwerke ist der vorliegende "Twilight Story". Basierend auf einem Werk von Kofu Nagai erzählt Toyoda von verbotener Liebe und von sozialer Gebundenheit in einem Land im Angesicht mit dem Krieg.
Story:
Japan 1936: Gefangen in einer unglücklichen Ehe besucht Schullehrer Jumpei Tanada (Hiroshi Akutagawa) häufig das Vergnügungs-Viertel des Tamanoi-Bezirks in Tokyo, ein Gebiet direkt über den Sumida-Fluss von Yoshiwara. Dort trifft er auf Oyuki (Fujiko Yamamoto), die als Prostituierte arbeitet, um ihre kranke Mutter zu unterstützen. Bald verliebt sich Oyuki in Jumpei und verfällt in die Phantasie, mit ihm zusammenzuleben. Ein unwahrscheinlicher Traum: Während Oyuki unter den selbstsüchtigen Forderungen ihrer Familie leidet, kann sich Jumpei nicht von seiner Frau trennen, da seine Existenz von der Unterstützung des reichen Mäzen seiner Gattin abhängt.
Kritik:
Wie viele der besten japanischen Nachkriegsfilme ist "Tokyo Twilight" von einem tiefen Sinn für Geographie und Geschichte durchdrungen. Toyoda verwendet den Charakter eines älteren Autor auf der Suche nach Material, um das sich verändernde Shitamachi, Tokyos belebte Innenstadt, zu beschreiben. Traditionell steht Shitamachi für unternehmerischen Ehrgeiz, mit Straßen gesäumt von kleinen Läden und Straßenhändlern, jetzt, wie dieser distanzierten Beobachter uns erzählt, sind die Straßen mit Prostituierten gefüllt.
Diese lebhaften Beschreibungen des Verfalls bettet Toyoda in ein düsteres Zeitbild ein. Japan befindet sich in einer Ära der Militarisierung. Während Prostituierte um Kunden werben, sind auch marschierende Soldaten ein Teil des Straßenbilds geworden. Nicht mehr nur der Profiterwerb, sondern auch Luftschutzübungen gehören zum Alltag der Menschen.
Mit seiner meisterlichen Beherrschung von Tiefenschärfe und sorgsam konstruierten Widescreen-Kompositionen untermalt Toyoda hervorragend diese Narration mit visuellen Eindrücken. Ein außergewöhnliches Beispiel zeigt Jumpei, der sich mit einem weiteren Lehrer unterhält. Während der Dialog die finanzielle Not der beiden Menschen offenbart, findet im Hintergrund des Frames eine militärische Übung statt, was Toyoda erlaubt, subtil auf den bevorstehenden Krieg anzuspielen, der Japan bald ins Chaos stürzen wird.
Inmitten dieser extrem atmosphärische Beschreibung des Japan im Jahre 1936 zentriert sich Toyoda auf die Geschichte von zwei Menschen, gebunden von Einschränkungen. Jumpei Konflikt des Herzens ist zwischen sozialer Konformität und persönlichee Freiheit. In einem Versuch, seine Abhängigkeit von der finanziellen Unterstützung des Mäzen zu vergessen, flieht er in die Arme von Oyuki. Während Jumpei Entscheidung, seine Frau zu betrügen, fragwürdig erscheint, wirkt die Chemie der beiden Liebenden so natürlich, dass man auf eine glückliche Beziehung hofft.
Trotzdem Toyoda nur am Rande auf die sexuelle Beziehung der zwei anspielt, sind die Szenen, die sich die Liebhaber zusammen teilen ausgesprochen zärtlich und völlig frei von der emotionalen Oberflächlichkeit schlechtere Romanzen. Ihr kleines Zimmer im Bordell wird ein Refugium, ein auf enger Raum, der das Paar von der Last ihres Lebens abschirmt. Aber diese Momente sind nur temporär und am Ende wird Jumpei Oyuki verraten haben.
Jumpei kehrt zu seiner Frau zurück, doch sein egoistisches Streben nach Erleichterung hat die junge Prostituierte zerstört. Im Gegensatz zu ihm wird es Oyuki nicht erlaubt, über ihr Schicksal zu entscheiden. Gezwungen sich und ihre Familie mit allen Mitteln zu unterstützen muss sie ihren zerstörerischen Lebensstil fortsetzen. Jetzt wo die Aussicht auf ein Leben ohne Prostitution zerschlagen ist, bleibt ihr nur ein Ende in Kummer und Krankheit.
Toyoda aber vermeidet es diesen Abschluss als Einzelfall zu präsentieren. Vielmehr zeigt er ihn als Symptom einer unfreien Gesellschaft. In der surrealen letzten Szenen sehen wir zahllose Prostuierte nach Freiern rufen. Wie Oyuki sind sie von der Illusion auf Glück versklavt, allesamt für immer verdammt ihre Hoffnungen verschwinden und ihre Träume zerbrechen zu sehen.
Fazit:
"Twilight Story" ist ein sorgsam inszeniertes, hervorragend gespieltes und tragisches Liebes-Melodrama, das seine Anklage der Ausbeutung von Prostituierten in ein atmosphärisches dichtes Portrait des totalitären Japans der 1930er Jahre packt.
9 von 10 Punkten = Meisterwerkt!
Erstveröffnlichung in englischer Sprache auf "easternkicks.net" am 05.09.2916
Zweitveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 18.09.2016
Geschrieben von Pablo Knote
Dank seiner zahlreichen feministisch gesinnten Regisseure hat sich kaum ein nationales Kino so ausführlich mit dem Leid von Frauen der Arbeiterschicht beschäftigt wie das Japanische. Die wohl kritischsten dieser Filme widmen sich dabei den Hostessen und Prostituierten, welche die Vergnügunsvierteln der Großstädte wie Kyotos Gion- oder Edos Yoshiwara-Distrikt bevölkerten.
Sogenannte Akasen eiga (Rotlicht-Filme) gewannen erstmals in den 1930er Jahren an Popularität, meist unter der Regie von Kenji Mizoguchi, doch erst in der Nachkriegs-Ära erreicht das Sub-Genre mit exzellenten Werken von Regisseuren wie Mikio Naruse, Yuzo Kawashima oder Heinosuke Gosho sein volles Potential.
Ein anderer Regisseur von solchen Filmen war Shiro Toyoda. Heute ist Toyoda vorallem für seine nuancierten Adaptationen von japanischer Hochliteratur bekannt. Eines seiner Meisterwerke ist der vorliegende "Twilight Story". Basierend auf einem Werk von Kofu Nagai erzählt Toyoda von verbotener Liebe und von sozialer Gebundenheit in einem Land im Angesicht mit dem Krieg.
Story:
Japan 1936: Gefangen in einer unglücklichen Ehe besucht Schullehrer Jumpei Tanada (Hiroshi Akutagawa) häufig das Vergnügungs-Viertel des Tamanoi-Bezirks in Tokyo, ein Gebiet direkt über den Sumida-Fluss von Yoshiwara. Dort trifft er auf Oyuki (Fujiko Yamamoto), die als Prostituierte arbeitet, um ihre kranke Mutter zu unterstützen. Bald verliebt sich Oyuki in Jumpei und verfällt in die Phantasie, mit ihm zusammenzuleben. Ein unwahrscheinlicher Traum: Während Oyuki unter den selbstsüchtigen Forderungen ihrer Familie leidet, kann sich Jumpei nicht von seiner Frau trennen, da seine Existenz von der Unterstützung des reichen Mäzen seiner Gattin abhängt.
Kritik:
Wie viele der besten japanischen Nachkriegsfilme ist "Tokyo Twilight" von einem tiefen Sinn für Geographie und Geschichte durchdrungen. Toyoda verwendet den Charakter eines älteren Autor auf der Suche nach Material, um das sich verändernde Shitamachi, Tokyos belebte Innenstadt, zu beschreiben. Traditionell steht Shitamachi für unternehmerischen Ehrgeiz, mit Straßen gesäumt von kleinen Läden und Straßenhändlern, jetzt, wie dieser distanzierten Beobachter uns erzählt, sind die Straßen mit Prostituierten gefüllt.
Diese lebhaften Beschreibungen des Verfalls bettet Toyoda in ein düsteres Zeitbild ein. Japan befindet sich in einer Ära der Militarisierung. Während Prostituierte um Kunden werben, sind auch marschierende Soldaten ein Teil des Straßenbilds geworden. Nicht mehr nur der Profiterwerb, sondern auch Luftschutzübungen gehören zum Alltag der Menschen.
Mit seiner meisterlichen Beherrschung von Tiefenschärfe und sorgsam konstruierten Widescreen-Kompositionen untermalt Toyoda hervorragend diese Narration mit visuellen Eindrücken. Ein außergewöhnliches Beispiel zeigt Jumpei, der sich mit einem weiteren Lehrer unterhält. Während der Dialog die finanzielle Not der beiden Menschen offenbart, findet im Hintergrund des Frames eine militärische Übung statt, was Toyoda erlaubt, subtil auf den bevorstehenden Krieg anzuspielen, der Japan bald ins Chaos stürzen wird.
Inmitten dieser extrem atmosphärische Beschreibung des Japan im Jahre 1936 zentriert sich Toyoda auf die Geschichte von zwei Menschen, gebunden von Einschränkungen. Jumpei Konflikt des Herzens ist zwischen sozialer Konformität und persönlichee Freiheit. In einem Versuch, seine Abhängigkeit von der finanziellen Unterstützung des Mäzen zu vergessen, flieht er in die Arme von Oyuki. Während Jumpei Entscheidung, seine Frau zu betrügen, fragwürdig erscheint, wirkt die Chemie der beiden Liebenden so natürlich, dass man auf eine glückliche Beziehung hofft.
Trotzdem Toyoda nur am Rande auf die sexuelle Beziehung der zwei anspielt, sind die Szenen, die sich die Liebhaber zusammen teilen ausgesprochen zärtlich und völlig frei von der emotionalen Oberflächlichkeit schlechtere Romanzen. Ihr kleines Zimmer im Bordell wird ein Refugium, ein auf enger Raum, der das Paar von der Last ihres Lebens abschirmt. Aber diese Momente sind nur temporär und am Ende wird Jumpei Oyuki verraten haben.
Jumpei kehrt zu seiner Frau zurück, doch sein egoistisches Streben nach Erleichterung hat die junge Prostituierte zerstört. Im Gegensatz zu ihm wird es Oyuki nicht erlaubt, über ihr Schicksal zu entscheiden. Gezwungen sich und ihre Familie mit allen Mitteln zu unterstützen muss sie ihren zerstörerischen Lebensstil fortsetzen. Jetzt wo die Aussicht auf ein Leben ohne Prostitution zerschlagen ist, bleibt ihr nur ein Ende in Kummer und Krankheit.
Toyoda aber vermeidet es diesen Abschluss als Einzelfall zu präsentieren. Vielmehr zeigt er ihn als Symptom einer unfreien Gesellschaft. In der surrealen letzten Szenen sehen wir zahllose Prostuierte nach Freiern rufen. Wie Oyuki sind sie von der Illusion auf Glück versklavt, allesamt für immer verdammt ihre Hoffnungen verschwinden und ihre Träume zerbrechen zu sehen.
Fazit:
"Twilight Story" ist ein sorgsam inszeniertes, hervorragend gespieltes und tragisches Liebes-Melodrama, das seine Anklage der Ausbeutung von Prostituierten in ein atmosphärisches dichtes Portrait des totalitären Japans der 1930er Jahre packt.
9 von 10 Punkten = Meisterwerkt!
Erstveröffnlichung in englischer Sprache auf "easternkicks.net" am 05.09.2916
Zweitveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 18.09.2016
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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