Army (1944)
Ein Film von Keisuke Kinoshita
Bewertung: 7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Rikugun
Genre: Gendai-geki, Melodrama, kokumin-eiga
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Chishu Ryu (Tomohiko), Kinuyo Tanaka (Waka), Kazumasa Hoshino (Shintaro), Eijiro Tono (Sakuragi), Ken Uehara (Nishina), Ken Mitsuda (Tomonojo), Haruko Sugimura (Setsu), Shin Saburi (Captain), Shuji Sano, Toshio Hosokawa, Yasumi Hara, Fujio Nagahama, Toshio Yamazaki, Jun Yokoyama
Drehbuch: Tadao Ikeda (Story: Aishihei Hino)
Kamera: Yoshio Taketomi
Musik: ?
Shochiku, 87 Minuten, S/W
Rikugun
Genre: Gendai-geki, Melodrama, kokumin-eiga
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Chishu Ryu (Tomohiko), Kinuyo Tanaka (Waka), Kazumasa Hoshino (Shintaro), Eijiro Tono (Sakuragi), Ken Uehara (Nishina), Ken Mitsuda (Tomonojo), Haruko Sugimura (Setsu), Shin Saburi (Captain), Shuji Sano, Toshio Hosokawa, Yasumi Hara, Fujio Nagahama, Toshio Yamazaki, Jun Yokoyama
Drehbuch: Tadao Ikeda (Story: Aishihei Hino)
Kamera: Yoshio Taketomi
Musik: ?
Shochiku, 87 Minuten, S/W
Trotz des Bildes von
Kollektivismus und Aufopferung, welches japanische und amerikanische
Propagandafilme von der japanischen Bevölkerung während des Krieges
zeichneten, war natürlich längst nicht jeder Japaner ein Faschist
oder ein Mitläufer. Gerade im Regiefach gab es einige Regisseure,
die sich subtil gegen die propagandistischen Vorschriften der
Regierungsbehördern wehrten.
Der legendäre Sadao Yamanaka etwa drehte den ganz und gar unheroischen Anti-Jidai-geki "Humanity and Paper Balloons" (Ninjo kami fusen, 1938) und musste dafür mit seinem Leben bezahlen, während der Regisseur Heinosuke Gosho deutlich subversiver rebellierte, indem er jedes ihm anvertraute Propaganda-Drehbuch in eine harmlose und völlig unpolitische romantische Komödie verwandelte.
Doch bei keinem Regisseur, ob in Japan oder im Westen, zeigt sich dieser Kampf zwischen der Erfüllung der Anforderungen des Militärapparats und dem eigenen Gewissen derart plastisch, wie in den zu Kriegszeiten gedrehten Filmen Keisuke Kinoshitas. "Army" bringt diesen Konflikt auf die Spitze und zeigt die endgültige Geburt des Humanisten Kinoshita, für die der Regisseur aber bitter bezahlen musste...
Story:
Die Familie Takagi blickt auf eine lange Linie von heroischen Soldaten im Dienste der japanischen Armee zurück. Auch Tomohiko (Chishu Ryu) will auf Wunsch seines Vaters ein Soldat werden, doch seine schwächliche Konstitution verbietet es ihm, diesem Traum zu folgen. Erst als er mit seiner treuen Frau Waka (Kinuyo Tanaka) einen Sohn, den kleinen Shintaro (Kazumasa Hoshino), zeugt, schöpft Tomohiko Hoffnung. Als Ersatz für den Vater soll Shintaro ein tapferer Soldat werden und die glorreiche militärische Vergangenheit der Takagis wiederaufleben lassen.
Kritik:
Wäre da nicht die legendäre Endphase, man müsste "Army" als Keisuke Kinoshitas mit Abstand doktrinärstes Werk bezeichnen. Ähnlich wie The Living Magoroku ist "Army" eine Feier auf das japanische Militär und tief durchdrungen von der faschistischen Ideologie der japanischen Militärregierung.
Dies fängt schon mit den aufwendigen Eröffnungsszenen an, die mit mehreren kurzen Einstellungen von Schlachten im Laufe der japanischen Geschichte von 1866 bis 1895 die militärische Vergangenheit Nippons romantisieren. In den Dialogen der vermeintlichen Identifikationsfiguren des Films liegt aber der wahre Zündstoff von "Army", der heute vorrangig ungläubiges Kopfschütteln erzeugen sollte.
Anstelle das Ende seines Lebens zu beweinen, beklagt der Vater auf seinem Sterbebett gegenüber seinem jungen Sohn Tomohiko, unserer Hauptfigur, den Verrat ausländischer Mächte an Japan und wütet über die Dreistigkeit der japanischen Menschen, sich über den Drill des Militärs zu beschweren. Mit den Worten, "Tomohiko, werde ein guter Soldat", verstirbt er schließlich.
Später beginnt Chishu Ryus inzwischen ausgewachsener Ultranationalist Tomohiko einen Streit mit einem Freund, der angedeutet hatte, dass Japan heute eine Mongolen-Nation sein könnte, hätte ein Sturm (heute als Kamikaze, der "heilige Wind", bekannt) die Flotte der auf Japan zusteuernden Mongolen nicht zerstört. Der Streit über dieses Jahrhunderte alte Stück Geschichte artet schließlich so aus, dass die beiden beschließen, ihre Freundschaft zu beenden.
Die Verkörperung dieser geradezu absurden Figur durch den ehrwürdigen Ozu-Star Chishu Ryu mutet fast parodistisch an. Er spielt seinen Tomohiko mit permanentem Schmollmund, gewohnt etwas steifer Art und fast komödiantisch anmutender Verbohrtheit, so dass diese Musterfigur des japanischen Patriotismus nicht wie ein ehrenvoller Held, sondern wie das Sinnbild der Idiotie einer ganzen Nation anmutet.
Erneut stellt Kinoshita hier einen Helden ins Zentrum, der sich zwar für die Nation als Soldat opfern will, aber körperlich zu schwach dafür ist. Während der depressive Yasumi in "The Living Magoroku" am Ende seine Schwäche überwindet, schafft es Tomohiko nur durch den Einzug seines Sohnes in die Armee seinen Beitrag zum Kriegseinsatz zu leisten. Als die Kompanie seines Sohnes in den Krieg zieht, murmelt er stolz, "Jetzt muss ich mich um nichts mehr sorgen".
Es sind solche kleine Stellen im Film, in denen die Ziele der Nation fast beiläufig den individuellen Leben der japanischen Menschen übergeordnet werden, die "Army" bis zum Ende zu einem erschreckenden Beweis für den entmenschlichten Militärapparat machen, der Individualismus und freiheitliche Gedanken bis auf Blut unterband.
Die widerwärtigste Szene zeigt einen Vater, der sich leise nach dem Schicksal seines Sohnes erkundigt, dessen Einheit in einen tödlichen Hinterhalt geriet. Die Antwort eines Offiziers darauf: "Dummer Bastard! Es ist nicht wichtig, ob dein Sohn lebt oder stirbt. Handle wie ein Mann!" - Dies kommt von Ken Uehara, einem wichtigen Darsteller von Kriegshelden. Kein Fiesling, sondern eine mustergültige Identifikationsfigur.
Doch wie im Vorgängerwerk Jubilation Street ist auch hier die Propaganda nur eine Kulisse, erichtet um der Regierung einen vermeintlich regierungstreuen Propagandafilm vorzutäuschen. Doch im Gegensatz zu "Jubilation Street" versteckt Kinoshita seine humanistischen Ansichten nicht hinter der faschistischen Maske, sondern fasst den mutigen Entschluss die Propaganda gleich ganz abzulegen.
Hier sind die subversiven Elemente deutlich als solche zu erkennen. Denn "Army" ist ideologisch zweigeteilt. Ein Teil Propaganda der übelsten Sorte, die aber letztlich nur dazu dient, den Kontrast zur zweiten Hälfte, einem unverholenen Ruf nach Individualität, noch stärker herauszukehren.
Denn dann beginnen jene absolut großartigen letzten Minuten, welche alle bisher gezeigte Propaganda völlig auf den Kopf stellen. Im Zentrum hier Kinuyo Tanaka, deren Charakterzüge als Frau von Tomohiko bisher vorallem Stolz über ihren Sohn, der die "glorreiche" Vergangenheit von Tomohikos Familie nun endlich fortführen würde, verrieten.
Inmitten des Jubels bricht sie im Garten des Hauses plötzlich zusammen. Dann zeigt Kinoshita einen ungewöhnlichen langen Close-Up von ihrem Gesicht. Doch nichts von dem falschen Stolz ist dort mehr zu erkennen, stattdessen nur tiefe Traurigkeit über den Verlust ihres Sohnes, der mit seiner Einheit nun in den Krieg ziehen wird.
Schließlich stürmt sie hinaus auf die belebte Straße, um ihren Sohn vor seinem Abzug ein letztes Mal zu sehen. Kinoshitas Kamera wirkt jetzt längst nicht mehr so statisch wie in den Szenen davor, sondern erzeugt mit rasanten Fahrten und sogar Handkameraeinsatz eine eindrucksvolle Dynamik und Energie inmitten dieses wilden Treibens.
Draußen toben die Leute vor Begeisterung, alle in weiß gekleidet, alle mit Japan-Flagge in der Hand. Inmitten der Menschenmaßen die kleine Mutter, die einzige, die nicht lacht, die einzige, ohne Fahne und die einzige, die sich mit ihrem schwarzen Kimono von der Masse abhebt.
Immer wieder wird ihre zierliche Gestalt von der rasenden Menschenmenge fast verschluckt, sie wird angerempelt und umgestoßen und richtet sich doch immer wieder auf, um ihrem Sohn näherzukommen.
In diesem Moment wird die Mutter zum Individuum. Zu einem wahrhaftigen Charakter, dessen Traurigkeit dem angepriesenen Ideal des Militärs völlig widerspricht. Schließlich sollten Mütter stolz und glücklich sein, wenn ihre Söhne an die Front versetzt wurden, nicht völlig zerfressen vom Kummer. Die 13-minütige Sequenz ist völlig stumm. Im Drehbuch soll angeblich nur gestanden haben, "Die Mutter verabschiedet ihren Sohn".
Es ist diese Endphase, die "Army" zu einem völlig unebenen Meisterwerk macht. Über Dreiviertel der Laufzeit stumpfe Propaganda, die dennoch die endgültige individualistische Menschwerdung nicht nur einer der zentralen Figuren, sondern auch ihres Regisseurs zeigt, der für diesen großen Coup gegen die Militärregierung einen teuren Preis bezahlen musste.
Bei der Uraufführung rief "Army" nur Missgunst hervor. Ein Militäroffizier soll mit gezogenem Säbel angeblich wutschnaubend geschrien haben, "Ich will den Kopf dieses Kinoshita!". Dieses Schicksal blieb Kinoshita erspart, doch "Army" sollte sein letzter Film vor Kriegsende bleiben. Die gesamte Endsequenz wurde herausgeschnitten und Kinoshitas Karriere auf Eis gelegt.
Doch letztlich ging Kinoshita als Sieger hervor. Heute kann "Army" als einer der kuriosesten Propaganda-Filme in die Filmgeschichte eingehen. Ein Film, der fast punktuell das Aufkeimen von Kinoshitas Gewissen bezeugt. Der als schändlches Machwerk beginnt und mit einem unendlich kraftvollen und tief bewegendem Aufschrei gegen den Militarimus ausklingt. Ohne Zweifel, am Ende hatte Kinoshitas Humanismus gesiegt.
Fazit:
"Army" ist ein augenscheinlich stark von der faschistischen Ideologie durchdrungener Propagandafilm, der diese Propaganda jedoch dazu nutzt, einen starken Kontrast zum Ende des Films zu bilden, welches nicht Patriotismus, sondern tiefe Traurigkeit und überraschenden Individualismus ins Zentrum rückt.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 08. 02. 2015
Geschrieben von Pablo Knote
Der legendäre Sadao Yamanaka etwa drehte den ganz und gar unheroischen Anti-Jidai-geki "Humanity and Paper Balloons" (Ninjo kami fusen, 1938) und musste dafür mit seinem Leben bezahlen, während der Regisseur Heinosuke Gosho deutlich subversiver rebellierte, indem er jedes ihm anvertraute Propaganda-Drehbuch in eine harmlose und völlig unpolitische romantische Komödie verwandelte.
Doch bei keinem Regisseur, ob in Japan oder im Westen, zeigt sich dieser Kampf zwischen der Erfüllung der Anforderungen des Militärapparats und dem eigenen Gewissen derart plastisch, wie in den zu Kriegszeiten gedrehten Filmen Keisuke Kinoshitas. "Army" bringt diesen Konflikt auf die Spitze und zeigt die endgültige Geburt des Humanisten Kinoshita, für die der Regisseur aber bitter bezahlen musste...
Story:
Die Familie Takagi blickt auf eine lange Linie von heroischen Soldaten im Dienste der japanischen Armee zurück. Auch Tomohiko (Chishu Ryu) will auf Wunsch seines Vaters ein Soldat werden, doch seine schwächliche Konstitution verbietet es ihm, diesem Traum zu folgen. Erst als er mit seiner treuen Frau Waka (Kinuyo Tanaka) einen Sohn, den kleinen Shintaro (Kazumasa Hoshino), zeugt, schöpft Tomohiko Hoffnung. Als Ersatz für den Vater soll Shintaro ein tapferer Soldat werden und die glorreiche militärische Vergangenheit der Takagis wiederaufleben lassen.
Kritik:
Wäre da nicht die legendäre Endphase, man müsste "Army" als Keisuke Kinoshitas mit Abstand doktrinärstes Werk bezeichnen. Ähnlich wie The Living Magoroku ist "Army" eine Feier auf das japanische Militär und tief durchdrungen von der faschistischen Ideologie der japanischen Militärregierung.
Dies fängt schon mit den aufwendigen Eröffnungsszenen an, die mit mehreren kurzen Einstellungen von Schlachten im Laufe der japanischen Geschichte von 1866 bis 1895 die militärische Vergangenheit Nippons romantisieren. In den Dialogen der vermeintlichen Identifikationsfiguren des Films liegt aber der wahre Zündstoff von "Army", der heute vorrangig ungläubiges Kopfschütteln erzeugen sollte.
Anstelle das Ende seines Lebens zu beweinen, beklagt der Vater auf seinem Sterbebett gegenüber seinem jungen Sohn Tomohiko, unserer Hauptfigur, den Verrat ausländischer Mächte an Japan und wütet über die Dreistigkeit der japanischen Menschen, sich über den Drill des Militärs zu beschweren. Mit den Worten, "Tomohiko, werde ein guter Soldat", verstirbt er schließlich.
Später beginnt Chishu Ryus inzwischen ausgewachsener Ultranationalist Tomohiko einen Streit mit einem Freund, der angedeutet hatte, dass Japan heute eine Mongolen-Nation sein könnte, hätte ein Sturm (heute als Kamikaze, der "heilige Wind", bekannt) die Flotte der auf Japan zusteuernden Mongolen nicht zerstört. Der Streit über dieses Jahrhunderte alte Stück Geschichte artet schließlich so aus, dass die beiden beschließen, ihre Freundschaft zu beenden.
Die Verkörperung dieser geradezu absurden Figur durch den ehrwürdigen Ozu-Star Chishu Ryu mutet fast parodistisch an. Er spielt seinen Tomohiko mit permanentem Schmollmund, gewohnt etwas steifer Art und fast komödiantisch anmutender Verbohrtheit, so dass diese Musterfigur des japanischen Patriotismus nicht wie ein ehrenvoller Held, sondern wie das Sinnbild der Idiotie einer ganzen Nation anmutet.
Erneut stellt Kinoshita hier einen Helden ins Zentrum, der sich zwar für die Nation als Soldat opfern will, aber körperlich zu schwach dafür ist. Während der depressive Yasumi in "The Living Magoroku" am Ende seine Schwäche überwindet, schafft es Tomohiko nur durch den Einzug seines Sohnes in die Armee seinen Beitrag zum Kriegseinsatz zu leisten. Als die Kompanie seines Sohnes in den Krieg zieht, murmelt er stolz, "Jetzt muss ich mich um nichts mehr sorgen".
Es sind solche kleine Stellen im Film, in denen die Ziele der Nation fast beiläufig den individuellen Leben der japanischen Menschen übergeordnet werden, die "Army" bis zum Ende zu einem erschreckenden Beweis für den entmenschlichten Militärapparat machen, der Individualismus und freiheitliche Gedanken bis auf Blut unterband.
Die widerwärtigste Szene zeigt einen Vater, der sich leise nach dem Schicksal seines Sohnes erkundigt, dessen Einheit in einen tödlichen Hinterhalt geriet. Die Antwort eines Offiziers darauf: "Dummer Bastard! Es ist nicht wichtig, ob dein Sohn lebt oder stirbt. Handle wie ein Mann!" - Dies kommt von Ken Uehara, einem wichtigen Darsteller von Kriegshelden. Kein Fiesling, sondern eine mustergültige Identifikationsfigur.
Doch wie im Vorgängerwerk Jubilation Street ist auch hier die Propaganda nur eine Kulisse, erichtet um der Regierung einen vermeintlich regierungstreuen Propagandafilm vorzutäuschen. Doch im Gegensatz zu "Jubilation Street" versteckt Kinoshita seine humanistischen Ansichten nicht hinter der faschistischen Maske, sondern fasst den mutigen Entschluss die Propaganda gleich ganz abzulegen.
Hier sind die subversiven Elemente deutlich als solche zu erkennen. Denn "Army" ist ideologisch zweigeteilt. Ein Teil Propaganda der übelsten Sorte, die aber letztlich nur dazu dient, den Kontrast zur zweiten Hälfte, einem unverholenen Ruf nach Individualität, noch stärker herauszukehren.
Denn dann beginnen jene absolut großartigen letzten Minuten, welche alle bisher gezeigte Propaganda völlig auf den Kopf stellen. Im Zentrum hier Kinuyo Tanaka, deren Charakterzüge als Frau von Tomohiko bisher vorallem Stolz über ihren Sohn, der die "glorreiche" Vergangenheit von Tomohikos Familie nun endlich fortführen würde, verrieten.
Inmitten des Jubels bricht sie im Garten des Hauses plötzlich zusammen. Dann zeigt Kinoshita einen ungewöhnlichen langen Close-Up von ihrem Gesicht. Doch nichts von dem falschen Stolz ist dort mehr zu erkennen, stattdessen nur tiefe Traurigkeit über den Verlust ihres Sohnes, der mit seiner Einheit nun in den Krieg ziehen wird.
Schließlich stürmt sie hinaus auf die belebte Straße, um ihren Sohn vor seinem Abzug ein letztes Mal zu sehen. Kinoshitas Kamera wirkt jetzt längst nicht mehr so statisch wie in den Szenen davor, sondern erzeugt mit rasanten Fahrten und sogar Handkameraeinsatz eine eindrucksvolle Dynamik und Energie inmitten dieses wilden Treibens.
Draußen toben die Leute vor Begeisterung, alle in weiß gekleidet, alle mit Japan-Flagge in der Hand. Inmitten der Menschenmaßen die kleine Mutter, die einzige, die nicht lacht, die einzige, ohne Fahne und die einzige, die sich mit ihrem schwarzen Kimono von der Masse abhebt.
Immer wieder wird ihre zierliche Gestalt von der rasenden Menschenmenge fast verschluckt, sie wird angerempelt und umgestoßen und richtet sich doch immer wieder auf, um ihrem Sohn näherzukommen.
In diesem Moment wird die Mutter zum Individuum. Zu einem wahrhaftigen Charakter, dessen Traurigkeit dem angepriesenen Ideal des Militärs völlig widerspricht. Schließlich sollten Mütter stolz und glücklich sein, wenn ihre Söhne an die Front versetzt wurden, nicht völlig zerfressen vom Kummer. Die 13-minütige Sequenz ist völlig stumm. Im Drehbuch soll angeblich nur gestanden haben, "Die Mutter verabschiedet ihren Sohn".
Es ist diese Endphase, die "Army" zu einem völlig unebenen Meisterwerk macht. Über Dreiviertel der Laufzeit stumpfe Propaganda, die dennoch die endgültige individualistische Menschwerdung nicht nur einer der zentralen Figuren, sondern auch ihres Regisseurs zeigt, der für diesen großen Coup gegen die Militärregierung einen teuren Preis bezahlen musste.
Bei der Uraufführung rief "Army" nur Missgunst hervor. Ein Militäroffizier soll mit gezogenem Säbel angeblich wutschnaubend geschrien haben, "Ich will den Kopf dieses Kinoshita!". Dieses Schicksal blieb Kinoshita erspart, doch "Army" sollte sein letzter Film vor Kriegsende bleiben. Die gesamte Endsequenz wurde herausgeschnitten und Kinoshitas Karriere auf Eis gelegt.
Doch letztlich ging Kinoshita als Sieger hervor. Heute kann "Army" als einer der kuriosesten Propaganda-Filme in die Filmgeschichte eingehen. Ein Film, der fast punktuell das Aufkeimen von Kinoshitas Gewissen bezeugt. Der als schändlches Machwerk beginnt und mit einem unendlich kraftvollen und tief bewegendem Aufschrei gegen den Militarimus ausklingt. Ohne Zweifel, am Ende hatte Kinoshitas Humanismus gesiegt.
Fazit:
"Army" ist ein augenscheinlich stark von der faschistischen Ideologie durchdrungener Propagandafilm, der diese Propaganda jedoch dazu nutzt, einen starken Kontrast zum Ende des Films zu bilden, welches nicht Patriotismus, sondern tiefe Traurigkeit und überraschenden Individualismus ins Zentrum rückt.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 08. 02. 2015
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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