Carmen Comes Home (1951)
Ein Film von Keisuke Kinoshita
Bewertung: 7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Karumen kokyo ni kaeru Genre: Gendai-geki, Tragikomödie, Musical Regie: Keisuke Kinoshita Darsteller: Hideko Takamine (Kin Aoyama/Carmen), Shuji Sano (Haruo Taguchi), Chishu Ryu (Principal), Kuniko Igawa (Mitsuko Taguchi), Takeshi Sakamoto (Shoichi Aoyama), Bontaro Miake (Maruju), Keiji Sada (Mr. Ogawa), Koji Mitsui (Oka), Toshiko Kobayashi (Maya Akemi) Gesamten Cast anzeigen... Drehbuch: Keisuke Kinoshita Kamera: Hiroshi Kusuda Musik: Chuji Kinoshita, Toshiro Mayuzumi Shochiku, 86 Minuten, Color |
So wie im Falle des Tonfilms, der sich
in Japan erst Mitte der 1930er Jahre völlig durchsetzen konnte, fand
auch die nächste große technische Revolution des Kinos, der
Farbfilm, nur langsamen Eingang in die japanischen Kinos. Schon vor
dem Zweiten Weltkrieg gab es einzelne Experimente mit Handbemalung
und sogar einige zum Teil in Technicolor gedrehte Filme.
Erst 1951 entand jedoch der erste vollständig in Farbe gedrehte japanischen Spielfilm, "Carmen Comes Home". Als Produzent waltete dabei Shochiku, jenes Filmstudio, welches schon dem Tonfilm Anfang der 1930er Jahre mit The Neighbor's Wife and Mine zu seinem Durchbruch verholfen hatte.
Auch der Farb-Prozess von "Carmen Comes Home" war vorrangig als Experiment gedacht. Der verwendete Colorierungsprozess mit Fujicolor war so aufwendig, dass die Produktion einer Kopie für die Kinos über einen Monat dauerte. Letztlich wurden nur zwei Abzüge des Films in Farbe hergestellt, die Restlichen, auch jene, die in den Kinos der USA gezeigt wurden, waren schwarzweiß.
Erst mit dem großen Erfolg von Daieis Eastmancolor-Epos Gate of Hell (Jigokuemon, 1953) setzte sich der Farbfilm in Japan endgültig durch. Damit wurde Daiei zum ersten Filmstudio, dass regulär Farbfilme, oft für den ausländischen Festival-Markt, produzierte. Dennoch kann man das Experiment Shochikus als großen Erfolg betrachten.
Nicht nur durch seine Pionierrolle, auch durch die Wahl des Regisseurs zeigte sich das Filmstudio visionär. Schließlich galt der Regisseur Keisuke Kinoshita seiner Zeit als einer der kreativsten Köpfe des japanischen Kinos, dessen Stilwillen diesen ersten Farbfilm Japans weit über das Niveau der jungfräulichen Experimente mit der Technik anderer Länder hebt.
Story:
Nach langer Abwesenheit kehrt die junge Kin Aoyama (Hideko Takamine) in ihr kleines Heimatdorf am Fuße des Vulkans Mt. Asano zurück. Ihre Ankunft ruft Entsetzen bei den Dorfbewohnern hervor, denn Kin verdient sich inzwischen als Stripperin Carmen in Tokyo ihr Geld. Besonders ihr Vater (Takeshi Sakamoto) schämt sehr sich für seine freizügige Tochter. Als Carmen vorschlägt, einen Nackttanz im Dorf zu veranstalten, um den Dörflern zu beweisen, dass ihr Tanz eine Kunst sei, droht das Band zwischen Tochter und Vater endgültig zu zerbrechen. Mit der Hilfe des schrulligen Schuldirektors der Gemeinde (Chishu Ryu) versucht Carmen, ihren störrischen Vater umzustimmen...
Kritik:
Ähnlich wie Regisseur Heinosuke Gosho, der sich dem Ton in The Neighbor's Wife and Mine auf eine überraschend professionelle und verspielte Weise angenähert hatte, lässt auch Keisuke Kinoshita keinerlei Berührungsängste im Umgang mit einer neuen Technik erkennen. Trotz seines Pionierstatus besitzt "Carmen Comes Home" bereits ein überaus profundes Verständnis für die Möglichkeiten des Farbfilms.
Vornehmlich in der freien Natur gedreht, strahlen das Grün der Wiesen und das Blau der Berge in intensiven Farben hervor. Doch Kinoshita nutzt die Farbe nicht zum Selbstzweck, sondern kehrt mit ihr geschickt die zentralen Konflikte des Films heraus. Die Kleidung und die Häuser der Dörfler sind in matten Braun und Grautönen gehalten, Carmen kehrt dann mit einem strahlend roten Kleid in ihre alte Heimat ein, so dass sie nicht nur mit ihrer lauten Persönlichkeit deutlich aus der Masse der Dörfler heraussticht.
Dies dient letztlich dazu, eines der Lieblingsmotive Kinoshitas zu verdeutlichen. Den Kontrast zwischen dem rückständigen Leben auf dem Land und dem modernen Treiben der Großstädte. Naive Dörfler treffen hier auf städtische Lebenslust, die das Leben in der Dorfgemeinde völlig auf den Kopf stellt.
Während Kinoshita in seinen früheren Filmen wie Port of Flowers aber das Ideal der dörfischen Konformität feiert und in seinen späteren Werken wie "A Legend or Was It?" (Shito no densetsu, 1963) dessen Rückständigkeit und archaische Lebensweise kritisierte, wählt er hier einen Mittelweg. Sowohl die konservativen Dörfler als auch die moderne Carmen werden durch den Kakao gezogen, ohne das einer der beiden Lebenswege gänzlich abgelehnt wird.
Dies weist den Film dann auch schnell als leichte Unterhaltung aus. Kinoshita geht es nicht um einen sozialkritischen Kommentar, sondern darum den Film im Zeichen der Unterhaltung stehen zu lassen. Wilde Musical-Einlagen, ein flottes Tempo und ein klein wenig Tiefgang sorgen für eine stets charmante, hin und wieder satirische Komödie, die ihren bunten Charakteren nie mit Spott begegnet, sondern deren kleinen Macken mit einen zwinkernden Auge zur Kenntnis nimmt.
Ein grundsolider Ensemble-Cast verleiht dem Film dabei seinen Charme und seine Eleganz. In ihrer vielleicht untypischsten Rolle ist Hideko Takamine als wilde Carmen zu sehen, deren frivoles Wesen keinen größeren Kontrast zu ihren resignierten und bitteren Frauen in den Filmen von Mikio Naruse wie "When A Women Ascends the Stairs" (Onna ga kaidan o noboru toki, 1960) und "Yearning" (Midareru, 1964) darstellen könnte.
Überstützt wird sie von Veteranen wie Takeshi Sakamoto als störrischer Vater, Koji Mitsui als verschlagener Dörfler oder Chishu Ryu in einer seiner komischsten Rollen als Schuldirektor, dessen gewohnt etwas steife Art dem Film einige seiner besten Pointen verleiht. Etwa wenn der glühende Lokalpatriot bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit eine Lobeshymne auf dem Vulkan Mt. Aso anstimmt, an dessem Fuße das Dorf gebaut ist.
Letztlich ist "Carmen Comes Home" kaum mehr als ein harmloser, aber sehr vergnüglicher Heimatfilm. Dass er trotzdem nicht in die Nähe seiner miserablen deutschen Genregenossen gerückt werden sollte, verdankt er Kinoshitas flamboyantem Spiel mit der Farbe, aber besonders auch dessen liebevollem Humanismus, der den Charakteren eine Aufrichtigkeit verleiht, wie sie im deutschen Heimatfilm niemals zu sehen war.
Fazit:
"Carmen Comes Home" ist ein harmloser, aber sehr vergnüglicher Heimatfilm, dessen zentraler Konflikt um den Zusammenstoß von Großstadt und Land ihr mehr dem Kreiren von liebevoll gezeichneten Charakteren und einem pointenreichen Unterhaltungsfilm dient, als einen sozialkritischen Kommentar der Nachkriegsgesellscaft abzugeben.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 15. 03. 2015
Geschrieben von Pablo Knote
Erst 1951 entand jedoch der erste vollständig in Farbe gedrehte japanischen Spielfilm, "Carmen Comes Home". Als Produzent waltete dabei Shochiku, jenes Filmstudio, welches schon dem Tonfilm Anfang der 1930er Jahre mit The Neighbor's Wife and Mine zu seinem Durchbruch verholfen hatte.
Auch der Farb-Prozess von "Carmen Comes Home" war vorrangig als Experiment gedacht. Der verwendete Colorierungsprozess mit Fujicolor war so aufwendig, dass die Produktion einer Kopie für die Kinos über einen Monat dauerte. Letztlich wurden nur zwei Abzüge des Films in Farbe hergestellt, die Restlichen, auch jene, die in den Kinos der USA gezeigt wurden, waren schwarzweiß.
Erst mit dem großen Erfolg von Daieis Eastmancolor-Epos Gate of Hell (Jigokuemon, 1953) setzte sich der Farbfilm in Japan endgültig durch. Damit wurde Daiei zum ersten Filmstudio, dass regulär Farbfilme, oft für den ausländischen Festival-Markt, produzierte. Dennoch kann man das Experiment Shochikus als großen Erfolg betrachten.
Nicht nur durch seine Pionierrolle, auch durch die Wahl des Regisseurs zeigte sich das Filmstudio visionär. Schließlich galt der Regisseur Keisuke Kinoshita seiner Zeit als einer der kreativsten Köpfe des japanischen Kinos, dessen Stilwillen diesen ersten Farbfilm Japans weit über das Niveau der jungfräulichen Experimente mit der Technik anderer Länder hebt.
Story:
Nach langer Abwesenheit kehrt die junge Kin Aoyama (Hideko Takamine) in ihr kleines Heimatdorf am Fuße des Vulkans Mt. Asano zurück. Ihre Ankunft ruft Entsetzen bei den Dorfbewohnern hervor, denn Kin verdient sich inzwischen als Stripperin Carmen in Tokyo ihr Geld. Besonders ihr Vater (Takeshi Sakamoto) schämt sehr sich für seine freizügige Tochter. Als Carmen vorschlägt, einen Nackttanz im Dorf zu veranstalten, um den Dörflern zu beweisen, dass ihr Tanz eine Kunst sei, droht das Band zwischen Tochter und Vater endgültig zu zerbrechen. Mit der Hilfe des schrulligen Schuldirektors der Gemeinde (Chishu Ryu) versucht Carmen, ihren störrischen Vater umzustimmen...
Kritik:
Ähnlich wie Regisseur Heinosuke Gosho, der sich dem Ton in The Neighbor's Wife and Mine auf eine überraschend professionelle und verspielte Weise angenähert hatte, lässt auch Keisuke Kinoshita keinerlei Berührungsängste im Umgang mit einer neuen Technik erkennen. Trotz seines Pionierstatus besitzt "Carmen Comes Home" bereits ein überaus profundes Verständnis für die Möglichkeiten des Farbfilms.
Vornehmlich in der freien Natur gedreht, strahlen das Grün der Wiesen und das Blau der Berge in intensiven Farben hervor. Doch Kinoshita nutzt die Farbe nicht zum Selbstzweck, sondern kehrt mit ihr geschickt die zentralen Konflikte des Films heraus. Die Kleidung und die Häuser der Dörfler sind in matten Braun und Grautönen gehalten, Carmen kehrt dann mit einem strahlend roten Kleid in ihre alte Heimat ein, so dass sie nicht nur mit ihrer lauten Persönlichkeit deutlich aus der Masse der Dörfler heraussticht.
Dies dient letztlich dazu, eines der Lieblingsmotive Kinoshitas zu verdeutlichen. Den Kontrast zwischen dem rückständigen Leben auf dem Land und dem modernen Treiben der Großstädte. Naive Dörfler treffen hier auf städtische Lebenslust, die das Leben in der Dorfgemeinde völlig auf den Kopf stellt.
Während Kinoshita in seinen früheren Filmen wie Port of Flowers aber das Ideal der dörfischen Konformität feiert und in seinen späteren Werken wie "A Legend or Was It?" (Shito no densetsu, 1963) dessen Rückständigkeit und archaische Lebensweise kritisierte, wählt er hier einen Mittelweg. Sowohl die konservativen Dörfler als auch die moderne Carmen werden durch den Kakao gezogen, ohne das einer der beiden Lebenswege gänzlich abgelehnt wird.
Dies weist den Film dann auch schnell als leichte Unterhaltung aus. Kinoshita geht es nicht um einen sozialkritischen Kommentar, sondern darum den Film im Zeichen der Unterhaltung stehen zu lassen. Wilde Musical-Einlagen, ein flottes Tempo und ein klein wenig Tiefgang sorgen für eine stets charmante, hin und wieder satirische Komödie, die ihren bunten Charakteren nie mit Spott begegnet, sondern deren kleinen Macken mit einen zwinkernden Auge zur Kenntnis nimmt.
Ein grundsolider Ensemble-Cast verleiht dem Film dabei seinen Charme und seine Eleganz. In ihrer vielleicht untypischsten Rolle ist Hideko Takamine als wilde Carmen zu sehen, deren frivoles Wesen keinen größeren Kontrast zu ihren resignierten und bitteren Frauen in den Filmen von Mikio Naruse wie "When A Women Ascends the Stairs" (Onna ga kaidan o noboru toki, 1960) und "Yearning" (Midareru, 1964) darstellen könnte.
Überstützt wird sie von Veteranen wie Takeshi Sakamoto als störrischer Vater, Koji Mitsui als verschlagener Dörfler oder Chishu Ryu in einer seiner komischsten Rollen als Schuldirektor, dessen gewohnt etwas steife Art dem Film einige seiner besten Pointen verleiht. Etwa wenn der glühende Lokalpatriot bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit eine Lobeshymne auf dem Vulkan Mt. Aso anstimmt, an dessem Fuße das Dorf gebaut ist.
Letztlich ist "Carmen Comes Home" kaum mehr als ein harmloser, aber sehr vergnüglicher Heimatfilm. Dass er trotzdem nicht in die Nähe seiner miserablen deutschen Genregenossen gerückt werden sollte, verdankt er Kinoshitas flamboyantem Spiel mit der Farbe, aber besonders auch dessen liebevollem Humanismus, der den Charakteren eine Aufrichtigkeit verleiht, wie sie im deutschen Heimatfilm niemals zu sehen war.
Fazit:
"Carmen Comes Home" ist ein harmloser, aber sehr vergnüglicher Heimatfilm, dessen zentraler Konflikt um den Zusammenstoß von Großstadt und Land ihr mehr dem Kreiren von liebevoll gezeichneten Charakteren und einem pointenreichen Unterhaltungsfilm dient, als einen sozialkritischen Kommentar der Nachkriegsgesellscaft abzugeben.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 15. 03. 2015
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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