Gangster VIP (1968)
Ein Film von Toshio Masuda
Bewertung: 8 von 10 Punkten = Sehr gut!
Burai yori daikanbu
Genre: Yakuza-Eiga, Ninkyo-Eiga, Mukokuseki-Eiga
Regie: Toshio Masuda
Darsteller: Tetsuya Watari (Goro Fujikawa), Chieko Matsubara (Yukiko Hashimoto), Mitsuo Hamada (Takeo Tsujikawa), Tamio Kawaji (Isamu Tsujikawa), Kyosuke Machida (Katsuhiko Sugiyama), Kayo Matsuo (Yumeko), Michitaro Mizushima (Mizuhara), Yoshio Aoki (Ueno)
Drehbuch: Kaneko Ikegami, Reiji Kubota, Goro Fujita (Story)
Kamera: Kurataro Takamura
Musik: Naozumi Yamamoto
Nikkatsu, 93 Minuten, Color
Burai yori daikanbu
Genre: Yakuza-Eiga, Ninkyo-Eiga, Mukokuseki-Eiga
Regie: Toshio Masuda
Darsteller: Tetsuya Watari (Goro Fujikawa), Chieko Matsubara (Yukiko Hashimoto), Mitsuo Hamada (Takeo Tsujikawa), Tamio Kawaji (Isamu Tsujikawa), Kyosuke Machida (Katsuhiko Sugiyama), Kayo Matsuo (Yumeko), Michitaro Mizushima (Mizuhara), Yoshio Aoki (Ueno)
Drehbuch: Kaneko Ikegami, Reiji Kubota, Goro Fujita (Story)
Kamera: Kurataro Takamura
Musik: Naozumi Yamamoto
Nikkatsu, 93 Minuten, Color
Ende der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre hielten die Nikkatsu-Studios mit ihren charakteristischen "grenzenlosen Actionfilmen" ("mukokuseki akushion") das Monopol auf den stetig anwachsenden Jugendmarkt fest im Griff. Jene Filme boten der jungen Nachkriegsgeneration leichtfüßige Actionkost, ohne dabei all zu sehr in den konservativen Werten und Gepflogenheiten der japanischen Kultur verankert zu sein, sondern mit jungen Stars in stylischen Klamotten, populärer Jazz-Musik und der Verortung in Nachtklubs und sonstigen westlich anmutenden Kulissen.
Doch im Laufe der 1960er Jahre wurden die heroischen Ninkyo-Filme der Toei Company immer populärer, während die "grenzenlosen Actionfilme" an den Kinokassen schwächelten. Die Wut und Desillusionierung der Nachkriegsgeneration über Misstände wie soziale Ungerechtigkeit, mangelnde Aufstiegschancen und den Vietnam-Krieg resultierte in zahlreichen gewaltsamen Studentenprotesten und Aufständen. Chaotische Zeiten, in denen Nationalismus und einheimische Werte um Ehre und Verpflichtung wieder gefragt waren.
Dies konnten die naiven und unpolitischen "grenzenlosen Actionfilme" nicht bieten, so dass sich das Publikum immer mehr den Ninkyo-Filmen mit ihrer Zelebrierung der "ehrenvollen" Yakuza und dem charakteristischen Kampf zwischen Verpflichtung zu seinen Yakuza-Brüdern ("giri") und den eigenen menschlichen Gefühlen ("ninjo") zuwandte. Zudem waren die Ninkyo-Film-Helden keine unbekümmerten Jugend-Idole, sondern einsame Wölfe in einem feindlichen Umfeld und die Stimmung vieler dieser Filme war melancholisch und hoffnungslos, wodurch der Geist der Zeit getroffen wurde.
Um nicht unterzugehen, wurden bald auch in der Nikkatsu-Company erste Ninkyo-Filme produziert und einige junge Vertragsdarsteller wie Jo Shishido oder Tatsuya Fuji zu neuen Studio-Stars befördert. Ein weiterer dieser neuen Stars war Tetsuya Watari, der im Jahre 1967 mit dem nihilistischen "grenzenlosen Actionfilm" Velvet Hustler einen Box-Office-Hit landete und mit dem vorliegenden ersten Teil der Hoodlum-Reihe "Gangster VIP" engültig in den Status eines Stars befördert wurde.
Die Hoodlum-Reihe sollte bis 1971 insgesamt 6 Filme umfassen und präsentiert Tetsuya Watari auf der Höhe seines Ruhms, auch wenn keiner seiner Filme so viel Geld einspielen sollte, wie die "grenzenlosen Actionfilme" der 1950er Jahre mit Yujiro Ishihara in der Hauptrolle zuvor. Trotzdem markiert die Reihe den für kurze Zeit erfolgreichen Versuch der Nikkatsu-Studios, den Jugendmarkt wieder zurück zu erobern.
Basierend auf den Memoiren des echten Ex-Yakuza Goro Fujita bietet "Gangster VIP" nicht nur einen faszinierenden Hybrid aus Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-Film, sondern kann mit seinem Nihilismus und seiner Gewalt auch als einflussreicher Vorläufer des legendären "Jitsuroku-Eiga" ("dokumentarisch wahrer Film") gelten, die den Ninkyo-Filmen im Laufe der 1970er Jahre nachfolgen sollten, als niemand mehr den Mythos der ehrenvollen Yakuza glauben wollte.
Story:
Um eine Schuld gegenüber der Mizuhara-gumi zu begleichen, sticht der junge Yakuza Goro Fujikawa (Tetsuya Watari) seinen ehemaligen Kameraden Sugiyama (Kyosuke Machida), der als Auftragskiller von der Ueno-gumi ausgeschickt worden war, um Boss Mizuhara (Michitaro Mizushima) zu töten, nieder und verletzt ihn schwer. Bereitwillig geht er für seine Attacke ins Gefängnis und muss bei seiner Freilassung feststellen, dass sich die Mizuhara-gumi nahe an der absoluten Vernichtung befindet und der fiese Ueno (Yoshio Aoki) immer mehr an Macht gewinnt. Bald schon legt sich Goro erneut mit den Männern Uenos an, als er die Ausreißerin Yukiko (Chieko Matsubara) vor den Übergriffen einiger Ueno-Yakuza rettet und zudem auch seine eigene Freundin (Kayo Matsuo), welche gezwungen war, als Prostituierte zu arbeiten, aus den Fängen Uenos befreit. Um die Wogen zwischen den beiden Yakuza-Clans zu glätten, beschließt Goro, seine Mizuhara-gumi zu verlassen, doch auch dieser Schritt kann die Ueno-gumi nicht davon abhalten, Goro und die Anhänger Mizuharas anzugreifen. Als schließlich ein treuer Anhänger Goros von den Ueno-Yakuza getötet wird, muss Goro den Kampf gegen den grausamen Yakuza-Clan antreten.
Kritik:
Trotzdem "Gangster VIP" auf den Memoiren eines echten Yakuza basiert, kann man annehmen, dass der Film keineswegs eine Wiedergabe realer Ereignisse ist. Schon das Beispiel von Noburo Ando, der nach einer erfolgreichen Yakuza-Karriere seine Eskapaden in stark idealisierter und stilisierter Form als Filmschauspieler wiederholte, zeigt sehr deutlich, dass Yakuza naturgemäß dazu neigen, ihre kriminelle Vergangenheit zu beschönigen und mit dem Mantel der Ehrenhaftigkeit zu umhüllen.
Insofern besitzt "Gangster VIP" auch viele Elemente eines klassischen heroischen Ninkyo-Films. So wird der Held am Anfang des Films aus dem Gefängnis entlassen und findet seinen aufrichtigen und guten Yakuza-Clan in einem desaströsen Zustand, da ein böser Yakuza-Clan, der natürlich finanzielle Interessen über den Ehrenkodex der Yakuza stellt, ihn immer wieder angreift und provoziert. Auch ein "giri/ninjo"-Konflikt wird eingeflochten und am Ende kommt es zu einem "Einer-gegen-Alle"-Kampf zwischen Helden und bösen Yakuza, wie er in so vielen Ninkyo-Filmen zelebriert wird.
Dem gegenüber steht die Aussage von Regisseur Toshio Masuda, der "Gangster VIP" nicht als Yakuza-Film sieht, sondern als Jugendfilm über einen jungen Mann (Tetsuya Wataris Goro Fujikawa), der durch seine widrigen Umstände ins Unheil getrieben wird. Ein einsamer Wolf in den eigenen Reihen, dem das Yakuza-Leben missfällt, wobei es ihm aber nicht gelingt, ein rechtschaffenes Leben zu führen.
Insofern wirkt "Gangster VIP" auch wesentlich weniger idealisiernd als ein typischer Ninkyo-Film. Die Stimmung ist düster und hoffnungslos und unser Held wird in eine fatale Spirale der Gewalt gezogen, aus der es kein Entkommen gibt. Noch markanter wird der Unterschied in den Kämpfen, die keine durchchoreographierten Schlachten vor aufwändiger Kulisse sind, sondern brutale und chaotische Messerkämpfe bei Regenfall, wobei die Kleidung der Kontrahenten vom Schlamm und Dreck der Umgebung durchtränkt wird.
Deshalb wirkt "Gangster VIP" häufig wesentlich mehr wie einer der realistischen und gnadenlosen Jitsuroku-Eiga der 1970er Jahre, als wie ein klassischer Ninkyo-Film. Ein Glücksfall, der sich aus der erfolgreichen Fusion von Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-Film ergibt.
Denn "Gangster VIP" besitzt auch viele Elemente eines klassischen "grenzenlosen Action-Films". Da wäre die lässige, wenn in diesem Fall auch ehrenhafte Persönlichkeit des Helden, die Verortung im Jetzt der 1960er Jahre, die coolen Anzüge und natürlich die Trademark-Szenen in den Nachtklubs des Handlungsorts. Auch der exzellente Soundtrack mit seinen klaren Italo-Western-Einflüssen durch Trompeten-Soli und Gitarrenklänge sorgt für eine, zumindest im Setting, internationale Atmosphäre.
Die erfolgreichste Verbindung von Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-FIlm findet sich aber in der Präsentation der Frauenfiguren, die im Ninkyo-Film traditionell eher unterentwickelt sind und als naive Repräsentation des "ninjo" herhalten müssen, womit sie den Helden an seiner Pflicht ("giri") hindern. In "Gangster VIP" sind es aber starke und eigenständige Persönlichkeiten und die Beziehungsgeschichte wirkt nicht forciert wie in einem Ninkyo-FIlm, sondern wirklich romantisch. Ein Umstand, der Toshio Masuda, mit seinem großen Talent für Romantik, hoch anzurechnen ist.
Durch die grausame Kindheit unserer Hauptfigur Goro, der als Straßenkind den Tod seiner Schwester miterleben musste, gewinnt der "giri/ninjo"-Konflikt auch deutlich an Tiefe. Goro wird von seiner "Pflicht" abgelenkt, da eine Frau ihn an seine Schwester erinnert und so alte Wunden in ihm aufreißt. Auch die tragischste Szene dreht sich um eine Beziehung, als zwei der Nebenfiguren sich ineinander verlieben und große Pläne für die Zukunft schmieden, nur um vom bösen Yakuza-Clan auf grausamste Weise daran gehindert zu werden.
Auch schauspielerisch präsentiert "Gangster VIP" einen gemischten Cast aus Toei- und Nikkatsu-Vertragsdarstellern. Michitaro Mizushima und Kyosuke Machida spielen als profilierte Ninkyo-FIlm-Darsteller in ihren üblichen Rollen als "ehrenwerter Oyabun" beziehungsweise ehrenvoller Freund des Helden, der durch widrige Umstände zum Feind wird. Die weiblichen Darsteller Kayo Matsuo und Chieko Matsubara sind hingegen bekannte Nikkatsu-Gesichter, ebenso wie Tamio Kawaji in seiner Paraderolle als ungestümer Gangster. Als Nikkatsu-Darsteller führt Tetsuya Watari den Cast sowohl als ehrenvoller Ninkyo-Film-Held und auch als junger Rebell hervorragend an.
Letztendlich bietet "Gangster VIP" einen soliden Hybrid aus allen sehenswerten Elementen der beiden Subgenres des Yakuza-Films, ohne jedoch dabei die Genrekonventionen, weder des Ninkyo-Films, noch des "grenzenlosen Actionfilms", zu durchbrechen. Vielmehr ist er einfach ein "sehr guter" Genrefilm mit einem exzellenten Hauptdarsteller, unterhaltsamer Geschichte und effektiver Inszenierung von Genremeister Toshio Masuda.
Fazit:
"Gangster VIP" ist ein effektiver Mix aus Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-Film, der mit seiner Gewalt und seinem Realismus zudem die Jitsuroku-Eiga der 1970er Jahre vorwegnimmt. Wegen der soliden Inszenierung, der guten Darsteller und der gelungenen Kombination verschiedener Genres ein "sehr guter" FIlm.
P.S: Normalerweise äußere ich mich nicht zur Bild-Qualität einer DVD, doch die Qualität des meines Wissens nach einzigem untertitelten Bootleg ist, wie bei den Screenshots zu sehen, eine Katastrophe. Kauft euch den Film lieber, wenn irgend ein gutes DVD-Label (Criterion, du bist gemeint!) den Film neu auflegt. Mit der derzeitigen Bildqualität ist das Anschauen, trotz aller inhaltlichen Qualitäten des Films, keine Freude.
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 23. 08. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Doch im Laufe der 1960er Jahre wurden die heroischen Ninkyo-Filme der Toei Company immer populärer, während die "grenzenlosen Actionfilme" an den Kinokassen schwächelten. Die Wut und Desillusionierung der Nachkriegsgeneration über Misstände wie soziale Ungerechtigkeit, mangelnde Aufstiegschancen und den Vietnam-Krieg resultierte in zahlreichen gewaltsamen Studentenprotesten und Aufständen. Chaotische Zeiten, in denen Nationalismus und einheimische Werte um Ehre und Verpflichtung wieder gefragt waren.
Dies konnten die naiven und unpolitischen "grenzenlosen Actionfilme" nicht bieten, so dass sich das Publikum immer mehr den Ninkyo-Filmen mit ihrer Zelebrierung der "ehrenvollen" Yakuza und dem charakteristischen Kampf zwischen Verpflichtung zu seinen Yakuza-Brüdern ("giri") und den eigenen menschlichen Gefühlen ("ninjo") zuwandte. Zudem waren die Ninkyo-Film-Helden keine unbekümmerten Jugend-Idole, sondern einsame Wölfe in einem feindlichen Umfeld und die Stimmung vieler dieser Filme war melancholisch und hoffnungslos, wodurch der Geist der Zeit getroffen wurde.
Um nicht unterzugehen, wurden bald auch in der Nikkatsu-Company erste Ninkyo-Filme produziert und einige junge Vertragsdarsteller wie Jo Shishido oder Tatsuya Fuji zu neuen Studio-Stars befördert. Ein weiterer dieser neuen Stars war Tetsuya Watari, der im Jahre 1967 mit dem nihilistischen "grenzenlosen Actionfilm" Velvet Hustler einen Box-Office-Hit landete und mit dem vorliegenden ersten Teil der Hoodlum-Reihe "Gangster VIP" engültig in den Status eines Stars befördert wurde.
Die Hoodlum-Reihe sollte bis 1971 insgesamt 6 Filme umfassen und präsentiert Tetsuya Watari auf der Höhe seines Ruhms, auch wenn keiner seiner Filme so viel Geld einspielen sollte, wie die "grenzenlosen Actionfilme" der 1950er Jahre mit Yujiro Ishihara in der Hauptrolle zuvor. Trotzdem markiert die Reihe den für kurze Zeit erfolgreichen Versuch der Nikkatsu-Studios, den Jugendmarkt wieder zurück zu erobern.
Basierend auf den Memoiren des echten Ex-Yakuza Goro Fujita bietet "Gangster VIP" nicht nur einen faszinierenden Hybrid aus Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-Film, sondern kann mit seinem Nihilismus und seiner Gewalt auch als einflussreicher Vorläufer des legendären "Jitsuroku-Eiga" ("dokumentarisch wahrer Film") gelten, die den Ninkyo-Filmen im Laufe der 1970er Jahre nachfolgen sollten, als niemand mehr den Mythos der ehrenvollen Yakuza glauben wollte.
Story:
Um eine Schuld gegenüber der Mizuhara-gumi zu begleichen, sticht der junge Yakuza Goro Fujikawa (Tetsuya Watari) seinen ehemaligen Kameraden Sugiyama (Kyosuke Machida), der als Auftragskiller von der Ueno-gumi ausgeschickt worden war, um Boss Mizuhara (Michitaro Mizushima) zu töten, nieder und verletzt ihn schwer. Bereitwillig geht er für seine Attacke ins Gefängnis und muss bei seiner Freilassung feststellen, dass sich die Mizuhara-gumi nahe an der absoluten Vernichtung befindet und der fiese Ueno (Yoshio Aoki) immer mehr an Macht gewinnt. Bald schon legt sich Goro erneut mit den Männern Uenos an, als er die Ausreißerin Yukiko (Chieko Matsubara) vor den Übergriffen einiger Ueno-Yakuza rettet und zudem auch seine eigene Freundin (Kayo Matsuo), welche gezwungen war, als Prostituierte zu arbeiten, aus den Fängen Uenos befreit. Um die Wogen zwischen den beiden Yakuza-Clans zu glätten, beschließt Goro, seine Mizuhara-gumi zu verlassen, doch auch dieser Schritt kann die Ueno-gumi nicht davon abhalten, Goro und die Anhänger Mizuharas anzugreifen. Als schließlich ein treuer Anhänger Goros von den Ueno-Yakuza getötet wird, muss Goro den Kampf gegen den grausamen Yakuza-Clan antreten.
Kritik:
Trotzdem "Gangster VIP" auf den Memoiren eines echten Yakuza basiert, kann man annehmen, dass der Film keineswegs eine Wiedergabe realer Ereignisse ist. Schon das Beispiel von Noburo Ando, der nach einer erfolgreichen Yakuza-Karriere seine Eskapaden in stark idealisierter und stilisierter Form als Filmschauspieler wiederholte, zeigt sehr deutlich, dass Yakuza naturgemäß dazu neigen, ihre kriminelle Vergangenheit zu beschönigen und mit dem Mantel der Ehrenhaftigkeit zu umhüllen.
Insofern besitzt "Gangster VIP" auch viele Elemente eines klassischen heroischen Ninkyo-Films. So wird der Held am Anfang des Films aus dem Gefängnis entlassen und findet seinen aufrichtigen und guten Yakuza-Clan in einem desaströsen Zustand, da ein böser Yakuza-Clan, der natürlich finanzielle Interessen über den Ehrenkodex der Yakuza stellt, ihn immer wieder angreift und provoziert. Auch ein "giri/ninjo"-Konflikt wird eingeflochten und am Ende kommt es zu einem "Einer-gegen-Alle"-Kampf zwischen Helden und bösen Yakuza, wie er in so vielen Ninkyo-Filmen zelebriert wird.
Dem gegenüber steht die Aussage von Regisseur Toshio Masuda, der "Gangster VIP" nicht als Yakuza-Film sieht, sondern als Jugendfilm über einen jungen Mann (Tetsuya Wataris Goro Fujikawa), der durch seine widrigen Umstände ins Unheil getrieben wird. Ein einsamer Wolf in den eigenen Reihen, dem das Yakuza-Leben missfällt, wobei es ihm aber nicht gelingt, ein rechtschaffenes Leben zu führen.
Insofern wirkt "Gangster VIP" auch wesentlich weniger idealisiernd als ein typischer Ninkyo-Film. Die Stimmung ist düster und hoffnungslos und unser Held wird in eine fatale Spirale der Gewalt gezogen, aus der es kein Entkommen gibt. Noch markanter wird der Unterschied in den Kämpfen, die keine durchchoreographierten Schlachten vor aufwändiger Kulisse sind, sondern brutale und chaotische Messerkämpfe bei Regenfall, wobei die Kleidung der Kontrahenten vom Schlamm und Dreck der Umgebung durchtränkt wird.
Deshalb wirkt "Gangster VIP" häufig wesentlich mehr wie einer der realistischen und gnadenlosen Jitsuroku-Eiga der 1970er Jahre, als wie ein klassischer Ninkyo-Film. Ein Glücksfall, der sich aus der erfolgreichen Fusion von Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-Film ergibt.
Denn "Gangster VIP" besitzt auch viele Elemente eines klassischen "grenzenlosen Action-Films". Da wäre die lässige, wenn in diesem Fall auch ehrenhafte Persönlichkeit des Helden, die Verortung im Jetzt der 1960er Jahre, die coolen Anzüge und natürlich die Trademark-Szenen in den Nachtklubs des Handlungsorts. Auch der exzellente Soundtrack mit seinen klaren Italo-Western-Einflüssen durch Trompeten-Soli und Gitarrenklänge sorgt für eine, zumindest im Setting, internationale Atmosphäre.
Die erfolgreichste Verbindung von Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-FIlm findet sich aber in der Präsentation der Frauenfiguren, die im Ninkyo-Film traditionell eher unterentwickelt sind und als naive Repräsentation des "ninjo" herhalten müssen, womit sie den Helden an seiner Pflicht ("giri") hindern. In "Gangster VIP" sind es aber starke und eigenständige Persönlichkeiten und die Beziehungsgeschichte wirkt nicht forciert wie in einem Ninkyo-FIlm, sondern wirklich romantisch. Ein Umstand, der Toshio Masuda, mit seinem großen Talent für Romantik, hoch anzurechnen ist.
Durch die grausame Kindheit unserer Hauptfigur Goro, der als Straßenkind den Tod seiner Schwester miterleben musste, gewinnt der "giri/ninjo"-Konflikt auch deutlich an Tiefe. Goro wird von seiner "Pflicht" abgelenkt, da eine Frau ihn an seine Schwester erinnert und so alte Wunden in ihm aufreißt. Auch die tragischste Szene dreht sich um eine Beziehung, als zwei der Nebenfiguren sich ineinander verlieben und große Pläne für die Zukunft schmieden, nur um vom bösen Yakuza-Clan auf grausamste Weise daran gehindert zu werden.
Auch schauspielerisch präsentiert "Gangster VIP" einen gemischten Cast aus Toei- und Nikkatsu-Vertragsdarstellern. Michitaro Mizushima und Kyosuke Machida spielen als profilierte Ninkyo-FIlm-Darsteller in ihren üblichen Rollen als "ehrenwerter Oyabun" beziehungsweise ehrenvoller Freund des Helden, der durch widrige Umstände zum Feind wird. Die weiblichen Darsteller Kayo Matsuo und Chieko Matsubara sind hingegen bekannte Nikkatsu-Gesichter, ebenso wie Tamio Kawaji in seiner Paraderolle als ungestümer Gangster. Als Nikkatsu-Darsteller führt Tetsuya Watari den Cast sowohl als ehrenvoller Ninkyo-Film-Held und auch als junger Rebell hervorragend an.
Letztendlich bietet "Gangster VIP" einen soliden Hybrid aus allen sehenswerten Elementen der beiden Subgenres des Yakuza-Films, ohne jedoch dabei die Genrekonventionen, weder des Ninkyo-Films, noch des "grenzenlosen Actionfilms", zu durchbrechen. Vielmehr ist er einfach ein "sehr guter" Genrefilm mit einem exzellenten Hauptdarsteller, unterhaltsamer Geschichte und effektiver Inszenierung von Genremeister Toshio Masuda.
Fazit:
"Gangster VIP" ist ein effektiver Mix aus Ninkyo- und "grenzenlosem Action"-Film, der mit seiner Gewalt und seinem Realismus zudem die Jitsuroku-Eiga der 1970er Jahre vorwegnimmt. Wegen der soliden Inszenierung, der guten Darsteller und der gelungenen Kombination verschiedener Genres ein "sehr guter" FIlm.
P.S: Normalerweise äußere ich mich nicht zur Bild-Qualität einer DVD, doch die Qualität des meines Wissens nach einzigem untertitelten Bootleg ist, wie bei den Screenshots zu sehen, eine Katastrophe. Kauft euch den Film lieber, wenn irgend ein gutes DVD-Label (Criterion, du bist gemeint!) den Film neu auflegt. Mit der derzeitigen Bildqualität ist das Anschauen, trotz aller inhaltlichen Qualitäten des Films, keine Freude.
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 23. 08. 2013
Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
Hoodlum-Reihe Weiter mit: Dai Kanbu Burai
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