Ken (1964)
Ein Film von Kenji Misumi
Bewertung: 7.5 von 10 Punkten = Sehr gut!
Ken
Genre: Gendai-geki, Taiyozoku-Film, Sports-mono
Regie: Kenji Misumi
Darsteller: Raizo Ichikawa (Jiro Kokubun), Yusuke Kawazu (Kagawa), Hisaya Morishige (Mibu), Akio Hasegawa (Mibu), Noriko Sengoku (Kiuchi), Keiju Kobayashi (Eri Itami),
Yuka Konno (Shigeko Fujishiro), Junko Kozakura (Sanae Mibu), Yoshio Inaba (Seiichiro Kokubun), Rieko Sumi (Hiroko Kokubun), Kuniichi Takami
Drehbuch: Kazuro Funabashi (Buch: Yukio Mishima)
Kamera: Chishi Makiura
Musik: Sei Ikeno
Daiei Studios , 94 Minuten, B/W
Dies ist die überarbeitete Fassung einer Kritik, die zuerst bei Zelluloid.de erschien.
Ken
Genre: Gendai-geki, Taiyozoku-Film, Sports-mono
Regie: Kenji Misumi
Darsteller: Raizo Ichikawa (Jiro Kokubun), Yusuke Kawazu (Kagawa), Hisaya Morishige (Mibu), Akio Hasegawa (Mibu), Noriko Sengoku (Kiuchi), Keiju Kobayashi (Eri Itami),
Yuka Konno (Shigeko Fujishiro), Junko Kozakura (Sanae Mibu), Yoshio Inaba (Seiichiro Kokubun), Rieko Sumi (Hiroko Kokubun), Kuniichi Takami
Drehbuch: Kazuro Funabashi (Buch: Yukio Mishima)
Kamera: Chishi Makiura
Musik: Sei Ikeno
Daiei Studios , 94 Minuten, B/W
Dies ist die überarbeitete Fassung einer Kritik, die zuerst bei Zelluloid.de erschien.
Mit "Ken" wagte sich Jidai-geki-Meister Kenji Misumi einmal in ein
anderes Genre, abseits von seinen geliebten Samuraifilmen. Eine Charakterstudie
im Sportlermilieu, welche auf einer Kurzgeschichte des legendären Autors Yukio Mishima basiert und in
der damaligen Gegenwart, den 1960er Jahre in Japan spielt. Doch trotz dieser
auf den ersten Blick großen Differenzen in seiner Ausgangslage zu Misumis
sonstigem Schaffen (z.b "The
Tale of Zatoichi" und "Lone Wolf and Cub") erscheint er doch als gute
Wahl für den Film. Denn der Sport, der hier betrieben wird ist Kendo.
Jener japanische Schwertkampf, welcher nicht nur seine Kampfmethoden und Techniken aus den Lehren der Samurai zieht, sondern seine Ausbildung auch auf dem Ehrenkodes (Bushido) und der Zen-Philosophie der Samurai aufbaut. Dies bietet Misumi die Gelegenheit einmal mehr ein Drama über festgefahrene Mentalität und den Konflikt zwischen Menschlichkeit und Bushido zu inszenieren und diese klassischen Themen in eine höchst faszinierende Milieu- und Charakterstudie einzubetten, auch wenn seine Interpretation von Mishimas Geschichte manchmal den Intentionen des Autoren der Kurzgeschichte zu wiedersprechen scheinen.
Story:
Jiro Kokubun (Raizo Ichikawa) ist ein junges und hochtalentiertes Mitglied der Kendo-Mannschaft seiner Unversität, welcher scheinbar nur für seinen Sport lebt. Während die anderen Schüler mit Mädchen ausgehen und ihr Leben an der Universität genießen, scheint er besessen von der Philosophie des Kendo, lebt asketisch und trainiert den ganzen Tag hart. Diese Aufopferung für den Kampfsport bringt ihm zwar den Kapitäns-Posten ein, nicht aber den Respekt seiner Mannschaft, welche hinter dem Rücken des Meisters heimlich über ihn lästert. Besonders Kagawa (Yusuke Kawazu) bewundert und neidet zugleich Kokubuns Fähigkeiten mit dem Schwert, und versteht seinen besessenen Lebensstil nicht. Auf einem gemeinsamen Trainingsausflug versucht er deshalb die anderen Mitglieder seiner Mannschaft gegen Jiro aufzuhetzen und ihn damit aus seiner Rolle als reine und heiligengleiche Figur herauszulocken.
Kritik:
Zuerst sticht die schöne Bildersprache Misumis und seines Stammkameramanns Chishi Makiura ins Auge. Die Kinematographie des Films nimmt klare Anleihen beim Film-Noir, und kann es mühelos mit den visuell schönsten Werken dieses Genres aufnehmen. Zusammen mit dem dynamischen Schnitt überzeugt der Film schon einmal allein durch seine perfekte technische Präsentation. Doch auch die Story ist vielschichtig und interessant. Dass verlegen der klassischen Genremotive des Jidai-geki-Films in einen zeitgenössischen Film sorgt für eine angenehme Frische, ebenso wie das Beschäftigen mit dem Kendosport. Auch die Figur des Jiro Kokubun gibt dem Film eine überaus faszinierende Note gibt. Doch eigentlich ist der Film vielmehr eine vielschichtige Charakterstudie, als ein Film über Kendo. Kämpfe kriegen wir, außer einigen überaus realistischen Trainingsszenen, keine zu sehen.
Ein kleines Defizit, denn etwas mehr Action wäre, besonders im zweiten Teil des Films, durchaus angebracht gewesen. So wirkt der Film gelegentlich etwas langatmig und in der zweiten Hälfte sogar ein wenig unausgegoren und langgezogen. Doch trotzdem bleibt das Drama überaus faszinierend, was eben an jenem vielschichtigen Inhalt der Geschichte liegt. Die Kampfsportart dient eher als Metapher für den Zustand des modernen Japans in der 1960er Jahren. Sie steht für die traditionelle Seite Japans, welche es zu schützen gilt, da sie die japanische Reinheit, Unschuld und Tugend verkörpert. So zumindest sieht es der ultrarechte Nationalist Yukio Mishima in seiner Kurzgeschichte vor.
Mishima sorgte 1970 für einigen Aufruhr, als er mit mehreren Geiseln das japanische Militärhauptquartier besetzte und von dort aus versuchte die japanischen Streitkräfte zur Besetzung des Parlaments und Widereinsetzung des Kaisers zu bringen. Als dies misslang begingen er und seine Vertrauten Seppuku, den rituellen Selbstmord der Samurai. Diese extrem nationalistische Weltsicht spiegelt sich auch in der Figur Jiro Kokubuns wieder, der in der Kurzgeschichte ganz nach den Idealen Mishimas zum Übermenschen in einer Welt ohne Tugend und Moral stilisiert wird. Diese Sichtweise wiederspricht jedoch der Weltanschauung Kenji Misumis.
Der Regisseur verstand es wie kaum ein anderer, den Ehrenkodex und die Mentalität der Samurai zu zelebrieren, ohne ihn dabei jemals zu verherrlichen. Er brachte es fertig, Anti-Samuraifilme zu drehen, ohne jemals leichtfertig über seine Protagonisten zu werten und didaktisch zu werden. Insofern stellt er Jiro Kokubun auch nicht als den reinen Helden Mishimas dar, sondern gibt ihm auch einen Hauch von Ambivalenz. Seine kompromisslose Aufopferung für den Bushido und seinen Sport wirkt hier verbohrt, seine finale Tat am Ende des Films gar rücksichtslos.
Ich schreibe "einen HAUCH von Ambivalenz", da Misumi offenbar nicht genug Mut aufbringt um seine Interpretation vollends auszuspielen. Dies macht ihn etwas ziellos und unausgegoren. Mal wirkt Jiro Kokubin wie ein strahlender Held, mal wie ein Relikt aus alten Zeiten, welches sich verzweifelt an einen überholten Ehrenkodex zu krallen versucht, was mitunter etwas Paranoid wirkt. Raizo Ichikawa ("The Betrayal", "Shinobi no mono") selbst verkörpert dabei die Figur eigentlich recht neutral und sehr überzeugend.
Sein charakteristisch natürliches und dennoch kraftvolles Spiel sind wieder einmal Gold wert. Ebenfalls überzeugend ist Yusuke Kawazu, ein Favorit des Skandalregisseurs Nagisa Oshima ("Im Reich der Sinne"), der Rivalität zwischen ihm und Kokubun verleiht er eine faszinierende und vielschichtige Note und fügt ihm eine latente sexuelle Spannung hinzu. Letztendlich muss man jedoch sagen, dass der glorifizierende Teil des Films, den kritischen überwiegt. In gewisser Hinsicht ein Sieg des Autoren über den Regisseur, aber ein Pyrrhussieg.
Man kann den Film als euphemistisches und verlogenes Werk abtun, oder aber als kritische Charakterstudie über festgefahrene Mentalität und Besessenheit lesen. So oder so, durch das Thema des Kendos und die vielschichtigen Charaktere bleibt er überaus interessant und wirkt frisch und unverbraucht.
Ein "sehr sehenswertes" Werk.
Fazit:
"Ken" ist durch sein Thema, seine überdurchschnittliche technische Präsentation und seine vielschichtigen Charaktere ein überaus faszinierendes, wenn auch inhaltlich etwas paranoides Werk. Trotz ein paar Längen und inhaltlicher Unausgewogenheit ist er aber sicher ein "sehr sehenswertes" Werk für alle Fans von Samuraifilmen, welches dem typischen Konflikt von Bushido und Menschlichkeit einige frische Impulse verleiht.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "zelluloid.de" am 23. 04. 2012
Zweitveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 09. 11. 2012
Geschrieben von Pablo Knote
Jener japanische Schwertkampf, welcher nicht nur seine Kampfmethoden und Techniken aus den Lehren der Samurai zieht, sondern seine Ausbildung auch auf dem Ehrenkodes (Bushido) und der Zen-Philosophie der Samurai aufbaut. Dies bietet Misumi die Gelegenheit einmal mehr ein Drama über festgefahrene Mentalität und den Konflikt zwischen Menschlichkeit und Bushido zu inszenieren und diese klassischen Themen in eine höchst faszinierende Milieu- und Charakterstudie einzubetten, auch wenn seine Interpretation von Mishimas Geschichte manchmal den Intentionen des Autoren der Kurzgeschichte zu wiedersprechen scheinen.
Story:
Jiro Kokubun (Raizo Ichikawa) ist ein junges und hochtalentiertes Mitglied der Kendo-Mannschaft seiner Unversität, welcher scheinbar nur für seinen Sport lebt. Während die anderen Schüler mit Mädchen ausgehen und ihr Leben an der Universität genießen, scheint er besessen von der Philosophie des Kendo, lebt asketisch und trainiert den ganzen Tag hart. Diese Aufopferung für den Kampfsport bringt ihm zwar den Kapitäns-Posten ein, nicht aber den Respekt seiner Mannschaft, welche hinter dem Rücken des Meisters heimlich über ihn lästert. Besonders Kagawa (Yusuke Kawazu) bewundert und neidet zugleich Kokubuns Fähigkeiten mit dem Schwert, und versteht seinen besessenen Lebensstil nicht. Auf einem gemeinsamen Trainingsausflug versucht er deshalb die anderen Mitglieder seiner Mannschaft gegen Jiro aufzuhetzen und ihn damit aus seiner Rolle als reine und heiligengleiche Figur herauszulocken.
Kritik:
Zuerst sticht die schöne Bildersprache Misumis und seines Stammkameramanns Chishi Makiura ins Auge. Die Kinematographie des Films nimmt klare Anleihen beim Film-Noir, und kann es mühelos mit den visuell schönsten Werken dieses Genres aufnehmen. Zusammen mit dem dynamischen Schnitt überzeugt der Film schon einmal allein durch seine perfekte technische Präsentation. Doch auch die Story ist vielschichtig und interessant. Dass verlegen der klassischen Genremotive des Jidai-geki-Films in einen zeitgenössischen Film sorgt für eine angenehme Frische, ebenso wie das Beschäftigen mit dem Kendosport. Auch die Figur des Jiro Kokubun gibt dem Film eine überaus faszinierende Note gibt. Doch eigentlich ist der Film vielmehr eine vielschichtige Charakterstudie, als ein Film über Kendo. Kämpfe kriegen wir, außer einigen überaus realistischen Trainingsszenen, keine zu sehen.
Ein kleines Defizit, denn etwas mehr Action wäre, besonders im zweiten Teil des Films, durchaus angebracht gewesen. So wirkt der Film gelegentlich etwas langatmig und in der zweiten Hälfte sogar ein wenig unausgegoren und langgezogen. Doch trotzdem bleibt das Drama überaus faszinierend, was eben an jenem vielschichtigen Inhalt der Geschichte liegt. Die Kampfsportart dient eher als Metapher für den Zustand des modernen Japans in der 1960er Jahren. Sie steht für die traditionelle Seite Japans, welche es zu schützen gilt, da sie die japanische Reinheit, Unschuld und Tugend verkörpert. So zumindest sieht es der ultrarechte Nationalist Yukio Mishima in seiner Kurzgeschichte vor.
Mishima sorgte 1970 für einigen Aufruhr, als er mit mehreren Geiseln das japanische Militärhauptquartier besetzte und von dort aus versuchte die japanischen Streitkräfte zur Besetzung des Parlaments und Widereinsetzung des Kaisers zu bringen. Als dies misslang begingen er und seine Vertrauten Seppuku, den rituellen Selbstmord der Samurai. Diese extrem nationalistische Weltsicht spiegelt sich auch in der Figur Jiro Kokubuns wieder, der in der Kurzgeschichte ganz nach den Idealen Mishimas zum Übermenschen in einer Welt ohne Tugend und Moral stilisiert wird. Diese Sichtweise wiederspricht jedoch der Weltanschauung Kenji Misumis.
Der Regisseur verstand es wie kaum ein anderer, den Ehrenkodex und die Mentalität der Samurai zu zelebrieren, ohne ihn dabei jemals zu verherrlichen. Er brachte es fertig, Anti-Samuraifilme zu drehen, ohne jemals leichtfertig über seine Protagonisten zu werten und didaktisch zu werden. Insofern stellt er Jiro Kokubun auch nicht als den reinen Helden Mishimas dar, sondern gibt ihm auch einen Hauch von Ambivalenz. Seine kompromisslose Aufopferung für den Bushido und seinen Sport wirkt hier verbohrt, seine finale Tat am Ende des Films gar rücksichtslos.
Ich schreibe "einen HAUCH von Ambivalenz", da Misumi offenbar nicht genug Mut aufbringt um seine Interpretation vollends auszuspielen. Dies macht ihn etwas ziellos und unausgegoren. Mal wirkt Jiro Kokubin wie ein strahlender Held, mal wie ein Relikt aus alten Zeiten, welches sich verzweifelt an einen überholten Ehrenkodex zu krallen versucht, was mitunter etwas Paranoid wirkt. Raizo Ichikawa ("The Betrayal", "Shinobi no mono") selbst verkörpert dabei die Figur eigentlich recht neutral und sehr überzeugend.
Sein charakteristisch natürliches und dennoch kraftvolles Spiel sind wieder einmal Gold wert. Ebenfalls überzeugend ist Yusuke Kawazu, ein Favorit des Skandalregisseurs Nagisa Oshima ("Im Reich der Sinne"), der Rivalität zwischen ihm und Kokubun verleiht er eine faszinierende und vielschichtige Note und fügt ihm eine latente sexuelle Spannung hinzu. Letztendlich muss man jedoch sagen, dass der glorifizierende Teil des Films, den kritischen überwiegt. In gewisser Hinsicht ein Sieg des Autoren über den Regisseur, aber ein Pyrrhussieg.
Man kann den Film als euphemistisches und verlogenes Werk abtun, oder aber als kritische Charakterstudie über festgefahrene Mentalität und Besessenheit lesen. So oder so, durch das Thema des Kendos und die vielschichtigen Charaktere bleibt er überaus interessant und wirkt frisch und unverbraucht.
Ein "sehr sehenswertes" Werk.
Fazit:
"Ken" ist durch sein Thema, seine überdurchschnittliche technische Präsentation und seine vielschichtigen Charaktere ein überaus faszinierendes, wenn auch inhaltlich etwas paranoides Werk. Trotz ein paar Längen und inhaltlicher Unausgewogenheit ist er aber sicher ein "sehr sehenswertes" Werk für alle Fans von Samuraifilmen, welches dem typischen Konflikt von Bushido und Menschlichkeit einige frische Impulse verleiht.
7.5 von 10 Punkten = Sehr sehenswert!
Erstveröffentlichung auf "zelluloid.de" am 23. 04. 2012
Zweitveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 09. 11. 2012
Geschrieben von Pablo Knote
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