Ghost of Yotsuya (1949)
Ein Film von Keisuke Kinoshita
Bewertung: 9 von 10 Punkten = Meisterwerk!
Yotsuya kaidan
Genre: Jidai-geki, Kaidan eiga
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Ken Uehara (Iemon Tamiya), Kinuyo Tanaka (Oiwa/Sode), Keiji Sada (Kohei), Osamu Takizawa (Naosuke), Haruko Sugimura (Maki), Jukichi Uno (Husband), Hisako Yamane (Ume), Ken Mitsuda, Choko Iida (Kohei's Mother), Daisuke Kato (Yakuza), Yoshizo Tamashima
Drehbuch: Eijiro Hisaita, Kaneto Shindo (Kabuki-Stück: Nanboku Tsuruya IV)
Kamera: Hiroshi Kusuda
Musik: Chuji Kinoshita
Shochiku, Part I (85 Min.), Part II (73 Min.), S/W
Yotsuya kaidan
Genre: Jidai-geki, Kaidan eiga
Regie: Keisuke Kinoshita
Darsteller: Ken Uehara (Iemon Tamiya), Kinuyo Tanaka (Oiwa/Sode), Keiji Sada (Kohei), Osamu Takizawa (Naosuke), Haruko Sugimura (Maki), Jukichi Uno (Husband), Hisako Yamane (Ume), Ken Mitsuda, Choko Iida (Kohei's Mother), Daisuke Kato (Yakuza), Yoshizo Tamashima
Drehbuch: Eijiro Hisaita, Kaneto Shindo (Kabuki-Stück: Nanboku Tsuruya IV)
Kamera: Hiroshi Kusuda
Musik: Chuji Kinoshita
Shochiku, Part I (85 Min.), Part II (73 Min.), S/W
Read the English version of this review at easternkicks.com.
Das Genre-Kino wird von festen Konventionen und Ritualen bestimmt. Wenn sich der Zuschauer einen Western anschaut, dann weiß er ungefähr, worauf er sich einlässt und kann aus dieser Zelebrierung von gängigen Inszenierungsmustern und Handlungsmotiven sein Vergnügen ziehen.
Als eine der produktivsten Filmindustrien der Welt, trifft diese Feststellung besonders auf das japanische Kino des 20. Jahrhunderts zu. Eine gigantische Filmindustrie, die auf klar ausformulierte Erzählstrukturen und Literaturvorlagen angewiesen war, um den gewaltigen Bedarf des Publikums an neuen Filmen zu decken.
So verwundert es auch nicht, dass sich die resultierende Konventionalität nicht nur auf ganze Genres, sondern sogar auf einzelne Erzählungen auswirkt, die aufgrund der Häufigkeit ihrer Verfilmung schon fast als eigenständige Filmgattungen bezeichnet werden müssen. Ein gutes Beispiel ist die hunderte Male vefilmte Geschichte der 47 Ronin, ein anderes das populäre Horror-Märchen Yotsuya Kaidan.
Geschrieben von Nanboku Tsuruya IV im Jahre 1825, wurde das Kabuki-Stück so oft verfilmt, dass sich bald eigenständige Rituale und feste Regeln in seiner Inszenierung etablierten. So besitzt der Geist der Oiwa stets eine Verbrennung in der rechten Gesichtshälfte und es wurde zum Ritual, dem Grab der geschundenen Ehefrau vor jeder neuen Adaption einen Besuch abzustatten, um potentielles Unheil abzuwenden (wohl eher effektive Werbung als ehrlich gemeinter Aberglaube).
Als beste Verfilmungen der Geistergeschichte zeigen sich jedoch jene Filme, die geschickt mit den gängigen Erzählmustern spielen, sie variieren, um ein eigenständiges Werk zu schaffen. So entstanden exzellente Horrorfilme wie Nobuo Nakagawas visuell flamboyanter Ghost Story of Yotsuya von 1959 oder Kenji Misumis emotional nuancierter Ghost of Yotsuya aus demselben Jahr.
All diese Verfilmungen werden jedoch von Keisuke Kinoshitas meisterhafter Version der Geschichte übertroffen. Sein "Ghost of Yotsuya" erweist sich als eine Film-Adaption, die so intelligent mit dem Originalstoff umgeht, dass sie nicht nur als beste Verfilmung der "Yotsuya Kaidan"-Geschichte, sondern auch als das große Meisterwerk ihres Regisseurs bezeichnet werden kann.
Story:
Der inhaftierte Naosuke (Osamu Takizawa) lässt einen Gefängnisaufstand auffliegen und erlangt so gemeinsam mit seinen Kollegen Kohei (Keiji Sada) die Freiheit. Kohei will sich sofort auf die Suche nach seiner geliebten Oiwa
(Kinuyo Tanaka) begeben und erfährt von ihrer Schwester Osode (Kinuyo Tanaka), dass Oiwa inzwischen geheiratet hat und mit ihrem Mann, dem Ronin Iemon Tamiya (Ken Uehara), in Yotsuya lebt. Derweil verbündet sich Naosuke mit Iemon: Gemeinsam wollen sie die treue Oiwa loswerden, damit Iemon die schöne Samurai-Tochter Ume heiraten kann. Eine Heirat, die dem verarmten Ronin den Aufstieg in die Ränge eines einflussreichen Samurai ermöglichen könnte.
Kritik:
Wie die wenigsten Film-Adaptionen schafft es Keisuke Kinoshitas "Ghost of Yotsuya", sowohl die eigenständige und persönliche Vision eines Regisseurs darzustellen, als auch dem Originalstoff treu zu bleiben. Jede Änderung eines Handlungsstrang dient dazu, die Vorlage weiterzuentwickeln, jede neu eingeführte oder veränderte Figur verleiht dem Kabuki-Stück neue ungeahnte Tiefen.
Mit einer Laufzeit von fast drei Stunden, aufgeteilt in zwei Filme, ist "Ghost of Yotsuya" der vielleicht längste Yotsuya Kaidan-Film. Diese Ausweitung der Handlung nimmt dem Kabuki-Stück letztlich seinen sensationalistischen Charakter. Was als blutige Moral-Fabel angelegt war, wird hier zum bewegenden Ensemble-Drama mit surrealen Elementen, getragen von den wunderbaren Performances seiner Akteure.
Bezeichnet man reguläre Schauspieler wie Toshiro Mifune, Takashi Shimura oder Kamatari Fujiwara in den Filmen von Akira Kurosawa als "Kurosawa-Gumi", so muss man Darsteller wie Jukichi Uno, Kinuyo Tanaka oder Keiji Sada zweifellos als Mitglieder der "Kinoshita-Gumi" bezeichnen, die auch den vorliegenden Film mit erstklassigen Leistungen veredeln.
Mit Ausnahme von Naosuke, der jener widerwärtige Schleimbeutel bleibt, den wir lieben, verleiht jeder Darsteller seiner Rolle mehr Tiefgründigkeit, die den stereotypen Charakteren des Kabuki-Stücks innovative und effektive Facetten abgewinnen.
Vorrangig gilt dies etwa für Ken Uehara, der die diabolische Hauptrolle des Iemon mit überraschender Emotionalität spielt. Uehara war ein gutaussehender Star, dessen leichtfüßiges Gebahren und selbstloses Handeln seiner Filmfiguren aber auch schnell in Frustration und arrogante Kälte umschlagen konnten.
Sein Iemon ist ein Status-bewusster Ronin, dessen Drang nach Geltung ihn zu schrecklichen Taten verleitet. Letztlich zerbricht er jedoch an seinem grausamen Werk. Er zögert lange, bevor er schließlich seine treue Ehefrau umbringt und wird danach von seinen Schuldgefühlen zerfressen. In einer seiner besten Performances erschafft Uehara eine Figur, deren Taten abstoßen, aber deren tiefes Bereuen derselben überraschend wahrhaftig und tragisch wirkt.
Die große Schauspielerin und Regisseurin Kinuyo Tanaka spielt ihre Oiwa hingegen als ein schwache und verzweifelte Frau, ausgezehrt von einer Fehlgeburt und der Kälte ihres Mannes. Der Geniestreich von Kinoshita besteht darin, die Figur ihrer Schwester Osode auszubauen, die ebenfalls von Kinuyo Tanaka in einer Doppelrolle verkörpert wird.
Oiwa ist leise und schüchtern, Osode willensstark und selbständig. Oiwa ist schmucklos und unscheinbar, während Osode vor Schönheit und Energie strahlt. So entschärft Kinoshita den oft bis zur Entnervung passiven Charakter der Oiwa, indem er ihr eine starke Frau gegenüberstellt.
Neu eingeführte Charaktere sind etwa Keiji Sadas bemitleidenswerter Kohei, der sich in Oiwa verliebt und ein grausames Schicksal erfährt oder Osodes gutherziger Ehemann, verkörpert vom immer sympathischen Jukichi Uno. Besondere Erwähnung muss aber auch der Figur von Koheis Mutter, gespielt von der Veteranin Choko Iida, gelten.
In Ghosts of Yotsuya spielte sie die fiese Antagonisten, die bösartige Mutter des Iemon, hier ist sie ein bemitleidenswerter Identifikations-Charakter. Sie weist den Film am direktesten als Kinoshita-Film aus. Schließlich war Kinoshita der große Sympathisant der Mütter, der dem Leid und der Freude der älteren Frauen stets viel Aufmerksamkeit und Mitgefühl widmete.
Durch diese Zentrierung auf die Figuren und das psychologische Drama gewinnt Kinoshitas Adaption einen einzigartig emotionalen Charakter. So verwundert es auch nicht, dass er die übernatürlichen Elemente der Vorlage völlig ausklammert. Hier ist der Geist der Oiwa nur ein Hirngespenst, die Manifestation der Schuldgefühle des Iemon, welche den verzweifelten Mörder in seinen Untergang treiben.
Kinoshitas Filme sind als "sentimental" verschrien, doch dieses Attribut wirkt wenig passend. Zu ehrlich erscheint Kinoshitas Liebe für seine Protagonisten, so dass er die gekünstelte Emotionalität einer Seifenoper transzendiert und einen wahrhaftig bewegenden Film mit authentischen Gefühlen kreiert.
Außerdem bewahrt sein "Ghost Story of Yotsuya" dabei den düsteren Kern des Originalstoffes. Der Film mag von einem unaufdringlichem Humanismus getragen sein, doch die Handlung entfaltet sich mit brutaler Konsequenz, die Tode der liebenswerten Protagonisten wiegen schwer und die Grausamkeit und Kälte der Fieslinge erscheint angesichts der Vielschichtigkeit der Figuren komplexer und tragischer.
Getragen wird "Ghost Story of Yotsuya" letztlich auch von Kinoshitas perfekter Regie. Die dezenten Totalen und langen Kamerafahrten erinnern an die Filme von Kenji Mizoguchi, doch dienen nicht zur Distanzierung, sondern dazu, den Film in möglichst poetischen Einstellungen einzubetten, während der melancholische und geheimnisvolle Soundtrack von Chuji Kinoshita, Keisukes kleinem Bruder, diese Bilder angenehm begleitet.
Oftmals führt eine zu starke Verankerung in Klischees einer Filmgattung zum Scheintod eines Genres. Zu bestimmt werden die Filme von selten variierten Kodes, so dass sie leb- und phantasielos erscheinen und förmlich an der Last ihrer Konventionen ersticken.
Es benötigt einen Regisseur, der bereit ist, diesen Konventionen eine eigenständige Handschrift einzuverleiben, um die besten aller Genrefilme zu erschaffen. Einen Regisseur wie Keisuke Kinoshita, der mit dieser ersten Tonverfilmung der "Yotsuya Kaidan"-Geistergeschichte einen Maßstab setzte, den keine andere Adaption des Stoffes erreichen konnte.
Fazit:
"Ghost Story of Yotsuya" ist eine perfekt inszenierte, packende und bewegende Verfilmung der alten Geistergeschichte, die den Stoff mit der eigenständigen Handschrift ihres Regisseurs weiterentwickelt und genretypische Geisterszenen vermeidet, zugleich aber auch der düsteren Grundstimmung des Kabuki-Stücks treu bleibt.
9 von 10 Punkten = Meisterwerk!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 07. 07. 2015Geschrieben von Pablo Knote
Zweitveröffentlichung als englische Version dieser Kritik auf "easternkicks.com" am 05. 08. 2015
Zweitveröffentlichung als englische Version dieser Kritik auf "easternkicks.com" am 15. 07. 2015Geschrieben von Pablo Knote
Das Genre-Kino wird von festen Konventionen und Ritualen bestimmt. Wenn sich der Zuschauer einen Western anschaut, dann weiß er ungefähr, worauf er sich einlässt und kann aus dieser Zelebrierung von gängigen Inszenierungsmustern und Handlungsmotiven sein Vergnügen ziehen.
Als eine der produktivsten Filmindustrien der Welt, trifft diese Feststellung besonders auf das japanische Kino des 20. Jahrhunderts zu. Eine gigantische Filmindustrie, die auf klar ausformulierte Erzählstrukturen und Literaturvorlagen angewiesen war, um den gewaltigen Bedarf des Publikums an neuen Filmen zu decken.
So verwundert es auch nicht, dass sich die resultierende Konventionalität nicht nur auf ganze Genres, sondern sogar auf einzelne Erzählungen auswirkt, die aufgrund der Häufigkeit ihrer Verfilmung schon fast als eigenständige Filmgattungen bezeichnet werden müssen. Ein gutes Beispiel ist die hunderte Male vefilmte Geschichte der 47 Ronin, ein anderes das populäre Horror-Märchen Yotsuya Kaidan.
Geschrieben von Nanboku Tsuruya IV im Jahre 1825, wurde das Kabuki-Stück so oft verfilmt, dass sich bald eigenständige Rituale und feste Regeln in seiner Inszenierung etablierten. So besitzt der Geist der Oiwa stets eine Verbrennung in der rechten Gesichtshälfte und es wurde zum Ritual, dem Grab der geschundenen Ehefrau vor jeder neuen Adaption einen Besuch abzustatten, um potentielles Unheil abzuwenden (wohl eher effektive Werbung als ehrlich gemeinter Aberglaube).
Als beste Verfilmungen der Geistergeschichte zeigen sich jedoch jene Filme, die geschickt mit den gängigen Erzählmustern spielen, sie variieren, um ein eigenständiges Werk zu schaffen. So entstanden exzellente Horrorfilme wie Nobuo Nakagawas visuell flamboyanter Ghost Story of Yotsuya von 1959 oder Kenji Misumis emotional nuancierter Ghost of Yotsuya aus demselben Jahr.
All diese Verfilmungen werden jedoch von Keisuke Kinoshitas meisterhafter Version der Geschichte übertroffen. Sein "Ghost of Yotsuya" erweist sich als eine Film-Adaption, die so intelligent mit dem Originalstoff umgeht, dass sie nicht nur als beste Verfilmung der "Yotsuya Kaidan"-Geschichte, sondern auch als das große Meisterwerk ihres Regisseurs bezeichnet werden kann.
Story:
Der inhaftierte Naosuke (Osamu Takizawa) lässt einen Gefängnisaufstand auffliegen und erlangt so gemeinsam mit seinen Kollegen Kohei (Keiji Sada) die Freiheit. Kohei will sich sofort auf die Suche nach seiner geliebten Oiwa
(Kinuyo Tanaka) begeben und erfährt von ihrer Schwester Osode (Kinuyo Tanaka), dass Oiwa inzwischen geheiratet hat und mit ihrem Mann, dem Ronin Iemon Tamiya (Ken Uehara), in Yotsuya lebt. Derweil verbündet sich Naosuke mit Iemon: Gemeinsam wollen sie die treue Oiwa loswerden, damit Iemon die schöne Samurai-Tochter Ume heiraten kann. Eine Heirat, die dem verarmten Ronin den Aufstieg in die Ränge eines einflussreichen Samurai ermöglichen könnte.
Kritik:
Wie die wenigsten Film-Adaptionen schafft es Keisuke Kinoshitas "Ghost of Yotsuya", sowohl die eigenständige und persönliche Vision eines Regisseurs darzustellen, als auch dem Originalstoff treu zu bleiben. Jede Änderung eines Handlungsstrang dient dazu, die Vorlage weiterzuentwickeln, jede neu eingeführte oder veränderte Figur verleiht dem Kabuki-Stück neue ungeahnte Tiefen.
Mit einer Laufzeit von fast drei Stunden, aufgeteilt in zwei Filme, ist "Ghost of Yotsuya" der vielleicht längste Yotsuya Kaidan-Film. Diese Ausweitung der Handlung nimmt dem Kabuki-Stück letztlich seinen sensationalistischen Charakter. Was als blutige Moral-Fabel angelegt war, wird hier zum bewegenden Ensemble-Drama mit surrealen Elementen, getragen von den wunderbaren Performances seiner Akteure.
Bezeichnet man reguläre Schauspieler wie Toshiro Mifune, Takashi Shimura oder Kamatari Fujiwara in den Filmen von Akira Kurosawa als "Kurosawa-Gumi", so muss man Darsteller wie Jukichi Uno, Kinuyo Tanaka oder Keiji Sada zweifellos als Mitglieder der "Kinoshita-Gumi" bezeichnen, die auch den vorliegenden Film mit erstklassigen Leistungen veredeln.
Mit Ausnahme von Naosuke, der jener widerwärtige Schleimbeutel bleibt, den wir lieben, verleiht jeder Darsteller seiner Rolle mehr Tiefgründigkeit, die den stereotypen Charakteren des Kabuki-Stücks innovative und effektive Facetten abgewinnen.
Vorrangig gilt dies etwa für Ken Uehara, der die diabolische Hauptrolle des Iemon mit überraschender Emotionalität spielt. Uehara war ein gutaussehender Star, dessen leichtfüßiges Gebahren und selbstloses Handeln seiner Filmfiguren aber auch schnell in Frustration und arrogante Kälte umschlagen konnten.
Sein Iemon ist ein Status-bewusster Ronin, dessen Drang nach Geltung ihn zu schrecklichen Taten verleitet. Letztlich zerbricht er jedoch an seinem grausamen Werk. Er zögert lange, bevor er schließlich seine treue Ehefrau umbringt und wird danach von seinen Schuldgefühlen zerfressen. In einer seiner besten Performances erschafft Uehara eine Figur, deren Taten abstoßen, aber deren tiefes Bereuen derselben überraschend wahrhaftig und tragisch wirkt.
Die große Schauspielerin und Regisseurin Kinuyo Tanaka spielt ihre Oiwa hingegen als ein schwache und verzweifelte Frau, ausgezehrt von einer Fehlgeburt und der Kälte ihres Mannes. Der Geniestreich von Kinoshita besteht darin, die Figur ihrer Schwester Osode auszubauen, die ebenfalls von Kinuyo Tanaka in einer Doppelrolle verkörpert wird.
Oiwa ist leise und schüchtern, Osode willensstark und selbständig. Oiwa ist schmucklos und unscheinbar, während Osode vor Schönheit und Energie strahlt. So entschärft Kinoshita den oft bis zur Entnervung passiven Charakter der Oiwa, indem er ihr eine starke Frau gegenüberstellt.
Neu eingeführte Charaktere sind etwa Keiji Sadas bemitleidenswerter Kohei, der sich in Oiwa verliebt und ein grausames Schicksal erfährt oder Osodes gutherziger Ehemann, verkörpert vom immer sympathischen Jukichi Uno. Besondere Erwähnung muss aber auch der Figur von Koheis Mutter, gespielt von der Veteranin Choko Iida, gelten.
In Ghosts of Yotsuya spielte sie die fiese Antagonisten, die bösartige Mutter des Iemon, hier ist sie ein bemitleidenswerter Identifikations-Charakter. Sie weist den Film am direktesten als Kinoshita-Film aus. Schließlich war Kinoshita der große Sympathisant der Mütter, der dem Leid und der Freude der älteren Frauen stets viel Aufmerksamkeit und Mitgefühl widmete.
Durch diese Zentrierung auf die Figuren und das psychologische Drama gewinnt Kinoshitas Adaption einen einzigartig emotionalen Charakter. So verwundert es auch nicht, dass er die übernatürlichen Elemente der Vorlage völlig ausklammert. Hier ist der Geist der Oiwa nur ein Hirngespenst, die Manifestation der Schuldgefühle des Iemon, welche den verzweifelten Mörder in seinen Untergang treiben.
Kinoshitas Filme sind als "sentimental" verschrien, doch dieses Attribut wirkt wenig passend. Zu ehrlich erscheint Kinoshitas Liebe für seine Protagonisten, so dass er die gekünstelte Emotionalität einer Seifenoper transzendiert und einen wahrhaftig bewegenden Film mit authentischen Gefühlen kreiert.
Außerdem bewahrt sein "Ghost Story of Yotsuya" dabei den düsteren Kern des Originalstoffes. Der Film mag von einem unaufdringlichem Humanismus getragen sein, doch die Handlung entfaltet sich mit brutaler Konsequenz, die Tode der liebenswerten Protagonisten wiegen schwer und die Grausamkeit und Kälte der Fieslinge erscheint angesichts der Vielschichtigkeit der Figuren komplexer und tragischer.
Getragen wird "Ghost Story of Yotsuya" letztlich auch von Kinoshitas perfekter Regie. Die dezenten Totalen und langen Kamerafahrten erinnern an die Filme von Kenji Mizoguchi, doch dienen nicht zur Distanzierung, sondern dazu, den Film in möglichst poetischen Einstellungen einzubetten, während der melancholische und geheimnisvolle Soundtrack von Chuji Kinoshita, Keisukes kleinem Bruder, diese Bilder angenehm begleitet.
Oftmals führt eine zu starke Verankerung in Klischees einer Filmgattung zum Scheintod eines Genres. Zu bestimmt werden die Filme von selten variierten Kodes, so dass sie leb- und phantasielos erscheinen und förmlich an der Last ihrer Konventionen ersticken.
Es benötigt einen Regisseur, der bereit ist, diesen Konventionen eine eigenständige Handschrift einzuverleiben, um die besten aller Genrefilme zu erschaffen. Einen Regisseur wie Keisuke Kinoshita, der mit dieser ersten Tonverfilmung der "Yotsuya Kaidan"-Geistergeschichte einen Maßstab setzte, den keine andere Adaption des Stoffes erreichen konnte.
Fazit:
"Ghost Story of Yotsuya" ist eine perfekt inszenierte, packende und bewegende Verfilmung der alten Geistergeschichte, die den Stoff mit der eigenständigen Handschrift ihres Regisseurs weiterentwickelt und genretypische Geisterszenen vermeidet, zugleich aber auch der düsteren Grundstimmung des Kabuki-Stücks treu bleibt.
9 von 10 Punkten = Meisterwerk!
Erstveröffentlichung auf "nippon-kino.net" am 07. 07. 2015Geschrieben von Pablo Knote
Zweitveröffentlichung als englische Version dieser Kritik auf "easternkicks.com" am 05. 08. 2015
Zweitveröffentlichung als englische Version dieser Kritik auf "easternkicks.com" am 15. 07. 2015Geschrieben von Pablo Knote
Screenshots (spiegeln die Qualität der DVD wieder):
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